Wenn man das Ritual von Koalitionsbildungen schon einige Male mitverfolgt hat, kann man über die jetzt verbreiteten Rezepte für erfolgreiches Verhandeln nur milde lächeln. Das Besondere an Wolfgang Schüssel etwa sei sein Eisenhintern gewesen. Er habe länger und ausdauernder verhandeln können als alle anderen und sei deshalb als Sieger vom Feld gezogen. Abgesehen davon, dass die Schüssel-Ergebnisse der harten Faktenprüfung im Nachhinein nicht standhalten: Die Mängel der seit Ewigkeiten geübten Praxis der Regierungsbildung sind längst nicht mehr durch taktische Winkelzüge zu beheben. Das Ritual selbst muss hinterfragt werden. Wenn allumfassende Koalitionsverträge kein erfolgreiches Regieren garantieren, sollte man sich einer neuen Übung widmen: Ein Minimum an Regeln – Budget, keine Misstrauensanträge – sollte festgelegt werden und der Rest der gesetzgeberischen Arbeit sollte dort abgewickelt werden, wo die Leute sitzen, die dafür bezahlt bekommen: im Parlament.
Dort wären dann Sachkoalitionen möglich, die farbenblind sind und das Land deutlich weiterbringen.