Die Diskussion um das Bildungsangebot der Arbeitsmarktverwaltung hat es wieder gezeigt. Hier werden Bildungsangebote nicht an den Bedarf des „Marktes“ angepasst sondern einfach nur veranstaltet um dem System gerecht zu werden. Noch nie waren Unternehmen und deren Belegschaften in Flexibilität und Innovationsfähigkeit derart gefordert, um in Zeiten des Wandels ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und auszubauen. Eine Herausforderung wird Europa in den nächsten Jahren noch viel stärker beschäftigen: die demografische Veränderung der Bevölkerungsstrukturen.
Was in manchen Ländern auf gesellschaftspolitischer Ebene (beispielsweise Rentendiskussion und Anhebung des Rentenalters in Deutschland, die Freizügigkeit des Arbeitsmarktes in der EU) bereits erkannt ist, zeichnet sich als Auswirkung auf Unternehmen und deren Mitarbeiterinnen natürlich auch ab. Die Alterung der Gesellschaft und damit die Alterung der Belegschaften und das stetige Absinken der Erwerbsbevölkerung wird eine radikale Veränderung des Produktionsfaktors Arbeit mit sich bringen.
Um in den Arbeitsprozessen die Quantität und Qualität der Ressource Mensch sicherzustellen, wird es notwendig sein, bestehende HR-Programme neu aufzustellen. Wir müssen den veränderten Rahmenbedingungen neue Instrumente für die Beschaffung, Entwicklung und Veränderung von Personal zur Verfügung stellen. Es genügt keineswegs, nur innerhalb der Gestaltung von HR-Konzepten den demografischen Herausforderungen zu begegnen, vielmehr werden nachhaltige Rahmenbedingungen und Kulturaspekte (Migration) über die Konkurrenzfähigkeit der nächsten zehn bis zwanzig Jahre entscheiden.
Gerade die technologische Entwicklung macht auch vor Veränderungen der Arbeitsorganisation und Arbeitszeitgestaltung nicht Halt. Da sich mit dem Alter auch die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verändern, das Interesse für Freizeit, Pflege von Mitmenschen, aber auch das eigene Körperbewusstsein steigen, ist es auch sinnvoll über eine variable Arbeitszeitgestaltung noch intensiver nachzudenken. Wir müssen über neu gestaltete Szenarien für einen individuell angepassten Berufsausstieg ernsthaft diskutieren.
Neue Arbeitsformen bedingen auch neue Lernformen innerhalb der berufsbegleitenden Weiterbildung. Altersbegleitende Weiterbildung muss also den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entgegenkommen, Erfahrungen und Qualitäten erfragen und Sinnstiftung für neue Inhalte betreiben. Jobrotationen, alt bewährte Rezepte wie Job Enrichment oder Job Empowerment können zukünftig für eine optimale altersspezifische Qualifizierung sorgen.
Es gilt auch den Begriff Wertschätzungskultur nicht nur als Schlagwort zu verwenden, sondern auch in der Praxis umzusetzen. Es darf nicht zu einer noch stärkeren Polarisierung von Jung und Alt kommen. Wir werden in Zukunft mehrere Generationen im Arbeitsprozess vorfinden. Es geht nicht um jung oder alt, sondern um das wertschätzende Miteinander im Arbeitsprozess. Ein erster Schritt auf dem Weg zur gegenseitigen Wertschätzung stellt die Forderung nach dem Abbau bestehen der Diskriminierungen des Alters, sprich Frühpensionierungen dar.
Bestehende Leistungs- oder Qualifikationseinschränkungen als objektive Barrieren können mit dem Ziel der Chancengleichheit behoben, ausgeglichen oder gemindert werden. Die Weitergabe des kritischen Wissens kann nur im Rahmen einer echten Wertschätzungskultur ablaufen.
Wir werden auch nicht umhin kommen unserer Ansprüche im Alter auf eine neue Basis zu stellen. Wir müssen bei der Berechnung uns in Zukunft an der Lebensarbeitszeit zu orientieren und dabei die unterschiedlichen beruflichen Herausforderungen des Arbeitsumfeldes viel stärker berücksichtigen. Maßnahmen zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit dürfen nicht erst dann ergriffen werden, wenn es zu spät ist, sondern rechtzeitig. Der individuelle Anspruch auf lebensbegleitete Bildung auch im Arbeitsprozess muss legitimiert werden.
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