Auf die Forschung kommt es an
- Written by Mag. Bernd Affenzeller
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Betrachtet man die Bauwirtschaft in ihrer Gesamtheit, tanzt die Bauchemie ziemlich aus der Reihe. Während sich weite Teile der Branche in Sachen Forschung und Entwicklung vornehm zurückhalten, fließen in die Verbesserung und Neuentwicklung von bauchemischen Lösungen viel Geld und Know-how. Der Bau & Immobilien Report präsentiert aktuelle Produktinnovationen und verrät, in welche Richtung die Forschungsanstrengungen gehen.
Schenkt man dem Branchenradar von Kreutzer Fischer und Partner Glauben, dann war 2015 alles andere als einfach für die Hersteller von bauchemischen Produkten. Nicht zuletzt aufgrund der sinkenden Renovierungsbereitschaft lahmte die Baukonjunktur. Parallel dazu schrumpften auch die Herstellererlöse in den meisten bauchemischen Warengruppen, und zwar ziemlich gleichförmig um je rund zwei Prozent gegenüber 2014. Eine Ausnahme stellt lediglich der Bereich Bodenbeschichtigungen dar, der gegenüber 2014 das Niveau halten konnte.
Im Gesamten betrachtet sanken die Erlöse um 2,1 Prozent auf 195,5 Millionen Euro. »In allen Märkten wurde die Nachfrage zwar vom Neubau gestützt, allerdings war die Kontraktion des Sanierungsgeschäftes zu groß, um die Einnahmen zumindest stabil zu halten«, erklärt Studienautor Andreas Kreutzer. Ein Rundruf bei führenden Branchenvertretern zeigt, dass man die Einschätzung Kreutzers für den Markt allgemein zwar nachvollziehen kann, nicht aber in dem Ausmaß und vor allem nicht auf das eigene Unternehmen bezogen. Harald Pflanzl, Geschäftsführer von BASF Österreich, will etwa nicht von einem rückläufigen, sondern von einem stagnierenden Markt sprechen. Schuld an dieser Entwicklung ist laut Pflanzl vor allem die öffentliche Hand, die sich mit Infrastrukturinvestitionen vornehm zurückhält. »Man muss aber aufpassen, dass man sich nicht kaputtspart, denn so wird man das Land nicht nachhaltig weiterentwickeln können«, geht Pflanzl mit der Politik durchaus hart ins Gericht (siehe Interview unten). Peter Reischer, Vertriebsleiter bei Murexin, beobachtet zwar auch »generell rückläufige Marktzahlen der Bauchemie«, Murexin selbst verzeichne aber in den letzten Jahren eine »stetige Entwicklung der Erlöse mit steigender Tendenz«. Sehr differenziert betrachtet Andreas Wolf, Geschäftsführer Mapei, das Jahr 2015. Zwar verzeichnete Mapei in einzelnen Bereichen wie der Tunnel- und Betonsanierung satte Zuwächse von zehn Prozent, andere Bereiche wie die Beton-Zusatzmittel entwickelten sich aber weit weniger erfreulich. Die Erlöse fallen laut Wolf auch deshalb geringer aus, weil es einen Preisverfall sowohl auf der Verarbeiter- als auch der Industrieseite gibt.
Notwendigkeit F&E
Einigkeit herrscht darüber, dass diesem Preisverfall vor allem mit neuen, innovativen Produkten entgegengewirkt werden kann. Zwar ist die Innovationsfreude trotz zahlreicher Lippenbekenntnisse der handelnden Akteure in der Bauwirtschaft nicht wirklich sonderlich ausgeprägt, die Bauchemie stellt hier aber eine rühmliche Ausnahme dar. Im Jahr 2013 hat die Statistik Austria zum letzten Mal eine umfassende Erhebung zum Thema »Forschung und Entwicklung in Österreich« gemacht. Demnach lag die Forschungsquote branchenübergreifend bei 2,95 Prozent – Tendenz steigend. In der Bauwirtschaft lag die F&E-Quote bei mageren 0,1 Prozent – Tendenz fallend. Bei Umsatzerlösen von rund 40 Milliarden Euro fließen gerade einmal 40 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung. Deutlich innovationsfreudiger zeigen sich hier die Vertreter der Bauchemie. Murexin investiert laut einer Erhebung des Bau & Immobilien Reports (»Forschen für den Bau«, Ausgabe 3/2016) stolze 7,27 Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung, bei Mapei sind es fünf Prozent und beim BASF-Konzern immerhin 2,77 Prozent.
Auch bei Ardex ist F&E ein zentrales Thema. Weltweit beschäftigt der Konzern rund 200 Forscher. »Eben wurde ein zweistelliger Millionenbetrag in den Neubau des Forschungs- & Entwicklungszentrums im Stammwerk in Witten investiert«, berichtet Österreich-Geschäftsführer Anton Reithner (siehe Interview "Orientieren uns an den regionalen Bedürfnissen") . Eine in absoluten Zahlen anders dimensionierte, aber ähnlich gewichtige Rolle spielt F&E beim Welser Bauchemiespezialisten AvenariusAgro. »Wir beschäftigen derzeit 17 Chemiker am Standort Wels, die an der gegenwärtigen und zukünftigen Produktgeneration arbeiten«, erzählt Geschäftsführer Wolfgang Panholzer durchaus stolz, dass bei Avenarius Agro alle neuen Produkte aus der eigenen »F&E-Küche« kommen.
Auch das unterscheidet die Bauchemie von vielen anderen Branchen, denn Geld in F&E zu stecken, ist das eine, ein vernünftiger Output das andere. So werden etwa bei Murexin und Ardex rund ein Drittel des Gesamtumsatzes mit Produkten gemacht, die in den letzten fünf Jahren entwickelt wurden.
Aktuelle Schwerpunkte
Fragt man die Player nach ihren aktuellen Forschungsschwerpunkten, fällt immer wieder ein Begriff, der wegen seines inflationären Gebrauchs manchmal fast schon einen etwas schalen Beigeschmack hat: Nachhaltigkeit. »Das Thema Nachhaltigkeit wird tatsächlich immer wichtiger«, bestätigt Harald Pflanzl. Gerade in Sachen Materialeigenschaften, schwindende Ressourcen und Umweltschutz kann die Bauchemie einen wichtigen Beitrag leisten. Dabei geht es nicht nur um Themen wie Dämmung oder die Wiederverwertbarkeit von Materialien, auch der Nachhaltigkeitsbeitrag der Baumaterialien an sich ist entscheidend. Nach Wasser ist Beton das mengenmäßig am häufigsten verwendete Material auf der Erde. Allerdings ist der ökologische Fußabdruck des für die Betonherstellung notwendigen Zements nicht wirklich gut. Deshalb arbeitet etwa BASF an Rezepturen, um Wasser und Zement in den Betonmischungen einzusparen.
Bei AvenariusAgro wird aktuell überwiegend an Verbesserungen der Gebrauchseigenschaften unterschiedlicher bauchemischer Anwendungen und am Ersatz problematischer Rohstoffe geforscht. Murexin legt sein Augenmerk vor allem auf die Entwicklung verarbeiter- und umweltfreundlicher Produkte. »Ebenso reagieren wir auf Trends, die wir von unseren Kunden wahrnehmen und setzen diese in effizienten Produkten, die auf der Baustelle Zeit und Geld sparen, um«, erklärt Reischer. Und Mapei legt den Schwerpunkt der Forschung neben Produkten, welche die Umwelt und die Gesundheit der Verarbeiter und Kunden schonen, auf schnelle Produkte, die mit dem FastTrack-Logo gekennzeichnet sind, um die Bauzeiten zu verkürzen.
Neues aus der F&E-Küche
Entwickelt wurde FastTrack in einem Forschungslabor in den USA, zur Anwendung kommt die Technologie in einer Vielzahl von Mapei-Produkten. Besonders sinnvoll sind FastTrack-Produkte laut Geschäftsführer Andreas Wolf, wenn es etwa um die Sanierung von Fußböden in öffentlichen Einrichtungen oder Geschäften geht. »Durch die enorme Zeitersparnis von bis zu zwölf Stunden können die Schließungszeiten deutlich reduziert werden.«
Peter Reischer von Murexin ist aktuell »stolz auf unsere physiologisch unbedenklichen Feuchtigkeitssperren, den Spezial Grundierungen X-Bond MS-A53 und MS-A58, als perfekte Alternative zu bisher verwendeten EP- und PUR-Harzen. Außerdem waren wir mit der bitumenfreien Bauwerksabdichtung 2K BF unter den ersten Anbietern am österreichischen Markt.«AvenariusAgro hat mit Disbon 385 eine Bodenbeschichtung entwickelt, die Polyurethanharzbeläge dank höchster technischer und optischer Eigenschaften auf ein neues Level hebt. Durch die weichelastische Ausführung verspricht die Beschichtung einen besonders hohen Gehkomfort und eignet sich deshalb besonders für den Wohnbereich sowie»sensible« Einrichtungen wie Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen oder etwa Altenheime. Die emissionsminimierte, trittschalldämmende PU-Premiumbeschichtung ist absolut UV-beständig und kann daher auch problemlos bei großen Fensterflächen eingesetzt werden.
Jüngste Innovationen aus dem Hause Ardex sind die gebrauchsfertigen Wandspachtelmassen DF 730 und DF 750. »Ergänzt werden diese Produkte durch die neue Universalspachtelmasse R 4 RAPID. Ein sogenannter Alleskönner, der sich bei Fachleuten besonderer Beliebtheit erfreut«, weiß Geschäftsführer Anton Reithner.
Und BASF hat mit Master Ease eine Technologie entwickelt, mit der sich Beton leichter pumpen, glätten und einbauen lässt. »Das spart Zeit und Kosten bei jedem einzelnen Bauprojekt, erhöht Ausnutzung des Fuhr- und Maschinenparks und reduziert den Verschleiß in Mischern, Pumpen und Rohrleitungen«, erklärt Pflanzl.
Sager zum Thema
»Unternehmen müssen dem Preisverfall mit neuen und innovativen Produkten entgegenwirken«, sagt Andreas Wolf, Geschäftsführer bei Mapei.
»Alle neuen Produkte kommen aus unserer eigenen F&E-Küche«, ist Wolfgang Panholzer stolz, dass Forschung und Entwicklung bei AvenariusAgro eine dominante Rolle spielen.
»Wir erwirtschaften rund ein Drittel unseres Umsatzes mit Produkten, die wir in den letzten Jahren entwickelt haben«, belegt Vertriebsleiter Peter Reischer, wie wichtig Innovationen bei Murexin sind.
Originalton: »Traditionelle Standortstärken reichen heute nicht mehr aus«
Harald Pflanzl, Geschäftsführer von BASF Österreich, spricht im Report-Interview über den Wirtschafts- und Forschungsstandort Österreich.
Foto: Harald Pflanzl ist Geschäftsführer von BASF Österreich.
Report: Forschung und Entwicklung spielen in der Bauchemie eine ungleich größere Rolle als in anderen Teilbereichen der Bauwirtschaft. Wie bewerten Sie die F&E-Rahmenbedingungen in Österreich?
Harald Pflanzl: Mit rund 600 Millionen Euro leistet die chemische Industrie nach der Maschinen- und Metallwarenindustrie sowie der Elektro- und Elektronikindustrie den drittgrößten Block an F&E-Ausgaben. Tatsache ist aber auch, dass wir in vielen Standort-Rankings in den letzten Jahren zurückgefallen sind. Traditionelle Standortstärken wie hohe Umwelt- und Lebensqualität sowie soziale Stabilität reichen heute für eine Top-Platzierung nicht mehr aus.
Report: Was müsste getan werden, um Österreich als F&E-Standort zu stärken?
Pflanzl: Es müssen bessere Rahmenbedingungen für Zukunftstechnologien geschaffen werden. Wir brauchen nachhaltige Strukturreformen wie niedrigere Lohnnebenkosten oder flexiblere Arbeitszeiten. Außerdem sind Investitionsanreize notwendig, um als Volkswirtschaft konkurrenzfähig und für in- und ausländische Unternehmen attraktiv zu bleiben. Starken Verbesserungsbedarf gibt es auch im Bereich Aus- und Weiterbildung. Gerade im F&E-Bereich sind gut ausgebildete Mitarbeiter sehr gefragt und für Innovation unabdingbar. Deshalb muss es uns gelingen, mehr junge Menschen für naturwissenschaftliche Studien zu begeistern.
Report: Nach der Regierungsneubildung war viel von einer neuen Gesprächskultur und einem neuen Regierungsstil zu hören. Spüren Sie eine gewisse Aufbruchsstimmung im Land?
Pflanzl: Zu Beginn schon. Bei seiner Antrittsrede hat Bundeskanzler Christian Kern sehr viel richtig gemacht und jede Menge Hoffnung geschürt. Aber dann ist es ihm durch die Ankündigung einer Maschinensteuer mit Bravour gelungen, das Vertrauen der Industrie zu zerstören. Man muss die Industrie sicher nicht mit Samthandschuhen anfassen. Man sollte aber schon reflektieren, wer zum Wohlstand des Landes einen nicht unerheblichen Teil beiträgt.
Report: Sie waren in den letzten Jahren in Deutschland tätig. Was macht Deutschland besser, dass es Österreich in den letzten Jahren bei fast allen relevanten Parametern überholt hat?
Pflanzl: Das ist eine gute Frage. Noch vor wenigen Jahren titelte der Spiegel »Deutschland – der kranke Mann Europas«. Aber dann wurde sehr vieles richtig gemacht. In Deutschland wurden echte, teilweise auch schmerzhafte Strukturmaßnahmen umgesetzt während sich Österreich auf seinen Lorbeeren ausgeruht hat. Stillstand bedeutet aber immer Rückschritt. Österreich muss sehr aufpassen, Investoren nicht zu verschrecken.
Referenzprojekt: Betonsanierung beim Welser Wohnriesen
Das einst höchste Gebäude Oberösterreichs, der mächtige Wohnkomplex zwischen Maria-Theresia-Straße und Messegelände Wels, ist in die Jahre gekommen und darf sich über eine Sanierung freuen.
Ganz unter dem Motto »Welser für Welser« setzt man bei der 12.000 m² umfassenden Fassadensanierung bei der Materialauswahl auf den Betonsanierungs-Spezialisten AvenariusAgro. Nach gründlicher Hochdruckreinigung folgt eine flächige Überarbeitung mittels rissüberbrückender Zement-Acrylatspachtelmasse Ravenit Elastic 2. Die Neubeschichtung mit dem rissüberbrückenden Acrylatanstrich Disbocret Elastic garantiert den langlebigen Schutz der Außenfassade. Zusätzlich werden die etwa 1.000 m2 Balkonplatten mit lösemittelfreiem, lichtechtem Polyurethanharzbindemittel nachhaltig saniert. »Wir sind stolz darauf, das Maresi-Hochhaus, ein Gebäude, das zweifelsfrei zu den Wahrzeichen von Wels gehört, mit unseren Produkten für die Zukunft schützen zu können«, so AvenariusAgro-Geschäftsführer Wolfgang Panholzer.