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Anlass zu Hoffnung und leiser Sorge

Anlass zu Hoffnung und leiser Sorge

Sowohl das WIFO als auch die Marktanalysten von Branchenradar.com haben sich die Entwicklung der österreichischen Baukonjunktur genauer angesehen. Anlass zu übertriebener Sorge besteht definitiv nicht, es gibt aber auch keinen Grund zu ausgelassenem Jubel. Interessant ist die Situation des Wohnbaus: Er ist sowohl Stabilisator in der Krise als auch Menetekel für eine ungewisse Zukunft. 

Noch im Jahr 2019 ist die Baukonjunktur der 19 Euroconstruct-Länder laut WIFO um 2,9 Prozent gewachsen. 2020 kam es coronabedingt aber zu einem kräftigen Einbruch der Bauleistung. Das Bauvolumen sank um 7,8 Prozent auf 1.566 Milliarden Euro. Speziell im britischen Raum waren die Einbußen dramatisch.

Die österreichische Bauwirtschaft ist deutlich besser durch die Krise gekommen. Zwar führten die Baustellenschließungen in den letzten Märzwochen zu hohen Produktionsausfällen im ersten und zweiten Quartal 2020, es folgte aber eine rasche Erholung. Schon im Sommer 2020 waren laut WIFO die Produktions- und Beschäftigungsstände des Vorjahres erreicht. Im Gesamtjahr ist die reale Bauproduktion um 2,8 Prozent gesunken. Das ist deutlich weniger als in anderen Ländern und national betrachtet deutlich weniger als in den meisten Branchen.

Dass diese schnelle Erholung möglich war, liegt laut WIFO an einer anhaltend hohen Nachfrage nach Bauleistungen. Wie die Befragungsergebnisse des WIFO-Konjunkturtests vom Jänner 2021 zeigen, hatten die Auftragsbestände der Bauwirtschaft vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie ein Rekordniveau erreicht. Vor allem der Wohnbau fungierte als absoluter Treiber der Branche. Das wird auch in den nächsten Jahren – wenn auch auf niedrigerem Niveau – so bleiben. Zu einem echten Sorgenkind entwickelt sich hingegen der sonstige Hochbau. Nach einer Ausweitung des Bauvolumens um 3,5 Prozent im Jahr 2019 ist für 2020 mit einem Rückgang um 5,0 Prozent zu rechnen.

»Besonders wirtschaftsnahe Bereiche wie der Industrie- und Geschäftsbau dürften drastisch eingebrochen sein. Da die gesamtwirtschaftliche Erholung mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird, ist auch im sonstigen Hochbau nur mit einer langsamen Erholung zu rechnen«, heißt es beim WIFO. Der sonstige Hochbau dürfte − trotz positiver Impulse aus einem Schulinvestitionsprogramm und des teils gestiegenen Bedarfs an Lagerflächen – im Gegensatz zum Wohnbau erst 2023 wieder das Vorkrisenniveau erreichen. Der österreichische Tiefbau lebte in den letzten Jahren stark von Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur.

Die bleiben auch in der Krise weitgehend aufrecht, weshalb der Rückgang mit 0,9 Prozent moderat ausfällt. Deutlichere Rückgänge könnte es hingegen bei den Gemeinden geben, die sich mit sinkenden Steuereinnahmen konfrontiert sehen. »Durch das Gemeindeinvestitionsprogramm dürfte dieser Rückgang zwar teilweise, jedoch nicht vollständig kompensiert werden«, glaubt man beim WIFO.

Einschätzung Branchenradar

Auch die Marktforscher von Branchenradar.com haben sich im Rahmen ihres Bau-Journals die konjunkturelle Entwicklung der österreichischen Bauwirtschaft näher angesehen. Sie kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass das Minus deutlich moderater als in anderen Branchen ausfällt. Verglichen mit der enormen Wachstumsdynamik der letzten Jahre sei ein deutlicher Abschwung aber nicht zu leugnen. Dabei verläuft die Entwicklung in allen Bausparten annähernd synchron (siehe Tabelle).

Traditionellerweise wagt Branchenradar.com auch einen Blick über das aktuelle Jahr hinaus. Und der ist im Großen und Ganzen erfreulich. Beruhend auf der Annahme einer weitgehend stabilen Entwicklung der Baupreise – Branchenradar.com rechnet mit einem Preisauftrieb um etwas über drei Prozent pro Jahr – wächst die Bauproduktion im laufenden Jahr nominal voraussichtlich um 2,2 Prozent, 2022 sogar um 4,6 Prozent. Erlösseitige Zuwächse sollte es in allen Bausparten geben. Mit Sorge beobachten die Experten von Branchenradar.com im Gegensatz zum WIFO die Entwicklung im Wohnbau, speziell im Neubau. Schon 2020 sei das Wachstum zu drei Viertel vom Sanierungsgeschäft getrieben. »Die flache Entwicklung im Wohnungsneubau könnte hingegen einen bereits bevorstehenden und möglicherweise auch längerfristig anhaltenden Abschwung markieren», so die Einschätzung.

Lesetipp

Die Konjunkturberichte des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO für Österreich und die großen OECD-Länder mit Hintergrundinformationen in Tabellen, Graphiken und englischer Zusammenfassung sind unter www.wifo.ac.at/publikationen kostenlos erhältlich.

Auch das aktuelle Bau-Journal Österreich ist kostenlos unter www.branchenradar.com erhältlich. Es bietet einen Abriss aus den aktuellen Marktstudien zu den konjunkturellen Rahmenbedingungen sowie Erkenntnisse zur bauwirtschaftlichen Gesamtentwicklung in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Ergänzt wird das Magazin in Österreich durch einen Überblick zur Entwicklung der Warengruppen zwischen 2017 und 2019 und einen Einblick in die Berechnungsmethodik der Bundeswettbewerbsbehörde bei »kritischen« Übernahmen.

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