»Wollen kein Getriebener der Bauindustrie sein, sondern aktiv gestalten«
- Written by Mag. Bernd Affenzeller
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Das Projekt »S31 Sieggraben« ist nicht nur das erste Allianzmodell-Pilotprojekt der Asfinag, sondern auch der Startschuss für weitere, ähnlich gelagerte Projekte. Sobald gesicherte Erkenntnisse aus dem Vergabeverfahren vorliegen, soll ein weiteres Projekt starten. Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report gibt Asfinag-Geschäftsführer Andreas Fromm Einblicke in den aktuellen Projektstatus und erklärt, mit welchen Erwartungen er in das Projekt geht, welche Vorteile er sich erhofft und mit welchen Schwierigkeiten er rechnet.
Report: Das Projekt »S31 Sieggraben« soll als Allianzmodell-Pilotprojekt umgesetzt werden. Was hat die Asfinag zu diesem Schritt bewogen?
Andreas Fromm: Wir verfolgen das Thema seit einiger Zeit mit großem Interesse. Alternative Vertragsmodelle werden bislang vor allem im Zusammenhang mit Hochrisikoprojekten diskutiert: Projekte, wo die Leistungsbeschreibung schwierig ist und Leistungsstörungen zu erwarten sind. Aufgrund der sehr aufwändigen Präqualifikation ist auch ein gewisses Projektvolumen nötig. Wir haben dann unser Portfolio nach einem passenden Projekt durchkämmt, das auch schnell umgesetzt werden kann. Wir haben uns dann für vier große Brückenprojekte an der S31 im Burgenland entschieden. Das ist kein echtes Hochrisikoprojekt, weil wir vermeiden wollten, dass sich bei einem Pilotprojekt der Projekterfolg nicht einstellt, die Ursachen dafür aber nicht im Vertragsmodell zu suchen sind. So etwas könnte die Erkenntnisse verzerren. Aufgrund der Projektcharakteristika gehen wir aber davon aus, dass wir die Erfahrungen auf andere große Projekte umlegen.
Report: Was genau erwarten Sie sich von dem Pilotprojekt?
Fromm: Die Bauindustrie hat sich immer wieder für alternative Vertragsmodelle stark gemacht. Deshalb wollte ich mir das genauer ansehen, aber nicht als Getriebener der Bauindustrie. Vielmehr wollte ich aktiv gestalten, welche Vertragsweiterentwicklungen für uns als Auftraggeber sinnvoll sind. Deshalb haben wir als Asfinag gemeinsam mit der ÖBB europaweit recherchiert, welche Modelle erfolgreich sind. Fündig geworden sind wir vor allem in Skandinavien. Dort kommen Allianzmodelle zum Einsatz, die zwar überall ein wenig anders heißen, aber im Kern sehr ähnlich sind. Es geht immer darum, transparent zusammenzuarbeiten und zu einem gemeinsamen Projekterfolg zu kommen. Das fand ich sehr attraktiv.
Das bedeutet aber nicht, dass Ö-Norm-Verträge schlecht sind. Wir wickeln alle unsere Baumaßnahmen mit dieser klassischen Vertragsform ab und das funktioniert auch richtig gut. Wenn der Leistungsumfang im Vorfeld bekannt ist, sind das sehr gute Modelle. Wenn aber etwa bei Tunnelprojekten diese Leistungsbeschreibung nicht gut darstellbar ist, stößt man rasch an die Grenzen der Ö-Norm-Vertrage. Da ist man dann sehr abhängig vom Projektpartner. Bei Allianzmodellen werden im Vorfeld die Interessen dargelegt und ein gemeinsames Projektziel definiert. Das erscheint mir fairer als im Nachhinein Mehrkostenforderungen oder Phantasiekonstrukte für Leistungsänderungen zu legen.
Report: Sind die Asfinag und ihre Mitarbeiter bereit für den Kulturwandel, den Allianzmodelle nach sich ziehen?
Fromm: Als wir das Pilotprojekt ausgewählt haben, wollten viele Mitarbeiter unbedingt dabei sein, eben weil es etwas Neues ist. Wir haben zum Glück auch Bauleiter, die auch in einem Allianzmodell mit den Partnern auf Augenhöhe technische und bauwirtschaftliche Themen diskutieren können. Zudem haben wir innerhalb der Asfinag interdisziplinäre Teams entwickelt. Das ist für mich etwas, das ganz stark dem Zeitgeist entspricht. Diese Interdisziplinarität braucht man beim Vertrag, bei der Projektabwicklung, aber auch beim Thema BIM. Alles wird flexibler und da geht das Allianzmodell absolut in die richtige Richtung.
Report: Welches Modell wird zur Anwendung kommen? Der Allianzvertrag Infrastruktur oder der Allianzvertrag light?
Fromm: Wir haben das Allianzmodell »Infrastruktur« gewählt. Da blicken wir natürlich auch immer zu den Kollegen nach Tirol, wo das Gemeinschaftskraftwerk Inn sehr erfolgreich auf diese Art und Weise abgewickelt wurde. Wir schreiben aber eine fertige Planung aus, machen also kein Early Contractor Involvement.
Report: Wie wird die Ausschreibung in etwa aussehen? Wann ist die Einbindung der anderen Projektpartner geplant?
Fromm: Wir machen ein zweistufiges Verhandlungsverfahren. Im Sommer starten wir mit der Präqualifikation. Im Herbst werden wir mit denen, die sich qualifiziert haben, über Leistungs- und Vertragsinhalte verhandeln. Für das gesamte Vergabeverfahren ist ein Jahr eingeplant. Mit dem Bauen wollen wir Ende 2022 beginnen.
Report: Ist schon jetzt ein Interesse seitens der Bauwirtschaft spürbar?
Fromm: Das Interesse ist sehr groß. Deshalb werden wir auch im Vorfeld eine Infoveranstaltung machen, bei der wir das Vergabeverfahren vorstellen wollen. Für uns ist es natürlich wichtig, dass wir einen breiten Markt haben. Wir wollen auch bei diesen neuen Vertragsmodellen das Spektrum der österreichischen Baufirmen abdecken, nicht nur die Bauindustrie.
Report: Glauben Sie, dass das Know-how in kleineren Betrieben vorhanden ist? Eine gewisse Komplexität ist ja nicht von der Hand zu weisen?
Fromm: Meiner Ansicht nach ist die Komplexität sogar geringer als bei der Abwicklung eines Ö-Norm-Vertrages. Der Allianzvertrag umfasst nur einen Bruchteil der Ö-Norm-Bestimmungen. Es wird ja sehr viel in dem Allianzteam geregelt, es wird Open Book abgerechnet und es gibt eine vorab vereinbarte Risikoteilung. Das sind alles Themen, die im klassischen Modell über viele Seiten abgehandelt werden. Das fällt beim Allianzvertrag alles weg.
Report: Wie wird das Vergütungsmodell aussehen?
Fromm: Es werden Zielkosten vereinbart, die am freien Markt ermittelt werden. Die bestehen ganz klassisch aus den Baukosten, den Geschäftsgemeinkosten und dem Gewinn. Und natürlich gibt es einen Risikoteil. Die Baukosten werden auf jeden Fall abgegolten und die Geschäftsgemeinkosten und der Gewinn werden so abgegolten, wie sie zur Angebotszeit vereinbart wurden. Die steigen also nicht prozentuell mit den Baukosten. Und natürlich gibt es ein klassisches Bonus-Malus-System.
Report: Wann ist das Pilotprojekt ein Erfolg?
Fromm: Wenn es uns gelingt, das Projekt mit einem transparenten Allianzvertrag ohne Schwierigkeiten abzuwickeln, und wir das Modell auch bei anderen, riskanteren Projekten einsetzen können.
Report: Es liegt in der Natur von Pilotprojekten, dass nicht alles gleich auf Anhieb klappt. Kann das Projekt auch dann erfolgreich sein, wenn nicht alles reibungslos läuft?
Fromm: Ja, ganz sicher. Um zu lernen, muss man auch Fehler machen und erkennen, was nicht funktioniert. Es werden sicher Schwierigkeiten auftreten. Deshalb macht man ja so ein Projekt, um es beim nächsten Mal besser zu machen.
Report: Welche Phase des Pilotprojekts ist aus Ihrer Sicht die spannendste? Ist es die Vorbereitung der Ausschreibung, die Partnerwahl oder die Ausführung?
Fromm: Schon die Vorbereitung ist enorm spannend. Unser Ziel ist es ja, dass die Partner Innovationen einbringen und dass diese Innovationen im Vergabeverfahren auch entsprechend gewürdigt werden. Das alles muss natürlich dem Bundesvergabegesetz entsprechen. Es wäre auch illusorisch, von den Firmen Innovationen zu verlangen, die dann dem ganzen Markt zur Verfügung gestellt werden. Das ist ein absoluter Knackpunkt. Es wird eine spannende Herausforderung, den richtigen Auftragnehmer zu finden.
Ich freue mich auch schon sehr auf die gemeinsame Projektabwicklung. Wir kennen von anderen Projekten allianzähnliche Situationen, wenn alle Beteiligten wirkliches Interesse am gemeinsamen Projekterfolg haben. Ich bin gespannt, ob das mit dem neuen Modell, den neuen Spielregeln noch besser gelingt, gemeinsame Lösungen zu finden und einen guten Projekterfolg sicherzustellen.
Report: Für wann ist das Projektende geplant?
Fromm: Wir haben einige Puffer eingebaut. Der Baubeginn ist für Ende 2022, Anfang 2023 vorgesehen, die Fertigstellung für Ende 2025, Anfang 2026. Wir werden aber nicht bis zur Fertigstellung warten, bevor wir weitere Projekte starten. Vielmehr wollen wir jetzt kaskadenartig weitere Pilotprojekte umsetzen. Sobald wir gesicherte Erkenntnisse aus dem Vergabeverfahren haben, wollen wir das nächste Vergabeverfahren starten.