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"Dafür braucht es keine Gesetze"

"Dafür braucht es keine Gesetze"

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report erklärt Andreas Pfeiler, Geschäftsführer Fachverband Steine-Keramik, die Vor- und Nachteile der Neuregelung der Wohnbauförderung, warum es trotz der guten konjunkturellen Lage schwierig ist, vernünftige Preise zu erzielen, und was ihm am neuen Regierungsprogramm gefällt. Außerdem spricht er über die europäische Klima- und Energiepolitik und zeigt auf, dass es gewisse Gesetze einfach nicht braucht.

Report: 2016 brachte den 300 Mitgliedsunternehmen des Fachverbands Steine-Keramik ein Umsatzplus von 1,11 % auf 3,42 Mrd. Euro bei leicht sinkendem Mitarbeiterstand. Was hat 2017 der Branche gebracht?

Andreas Pfeiler: Es gibt noch keine Detailauswertung, aber es wird auf jeden Fall ein Plus zu verzeichnen sein, wenn auch nicht in dem Ausmaß, wie man es von der aktuell positiven Stimmungslage erwarten könnte. 2017 ist aber sicher besser gelaufen als 2016. Die Auslastung war gut, das Preisniveau lässt aber zu wünschen übrig. Es wird viel über die Menge gemacht, das führt dazu, dass Facharbeiter fehlen und teilweise auf ungelernte Leiharbeiter zurückgegriffen werden muss. Das ist keine gute Entwicklung. Das funktioniert nur für eine kurze Zeit.

Auf der anderen Seite wissen unsere Mitgliedsunternehmen, dass das Wachstum nicht ewig anhalten wird, sich abflachen oder vielleicht sogar leicht rückgängig sein wird. Allerdings noch nicht im laufenden Jahr.  

Report: Warum gelingt es in dieser konjunkturell guten Phase nicht, bessere Preise zu erzielen?

Pfeiler: Der Kuchen ist zwar groß, aber die Konkurrenz auch. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es ja auch gar nicht so eine verkehrte Entwicklung, denn es zeigt, dass sich der Markt selbst reguliert. Leider aber nicht immer in einem fairen Wettbewerb. Es gibt viele Unternehmen, die aus dem billigen Ausland nach Österreich hereinarbeiten. Wenn dann auch noch das Material mitgebracht wird, ist der Wettbewerb ungleich, das spürt man vor allem im Süden und Osten des Landes.

Report: In Sachen Facharbeitermangel wurde in den letzten Jahren von den Unternehmen oft kalmiert, jetzt hat die Konjunktur angezogen, und der Jammer ist groß.

Pfeiler: Das stimmt schon. Aber das Problem ist, dass kaum jemand mehr ein Handwerk erlernen will. Jeder will Dienstleister werden. Das ist der falsche Weg. Das Handwerk muss in unserer Gesellschaft einfach wieder einen höheren Stellenwert bekommen. Sonst wird man dieses Problem nicht lösen können.

Aber wir versuchen auch, die Ausbildung zu verbessern. Im Bereich Beton und Betonfertigteile werden wir die derzeit zwei Berufsschulstandorte zu einem, in Freistadt, zusammenführen. Das verbessert die Ausbildung, weil in Freistadt auch andere artverwandte Berufszweige angeboten werden. So lassen sich Synergien nutzen. Aber selbst das gestaltete sich schwierig und es gab Widerstände.

Report: Wie bewerten Sie die ersten Maßnahmen der neuen Regierung? Zentrale Fachverbands-Themen wie die Flexibilisierung der Arbeitszeit wurden oder werden umgesetzt.

Pfeiler: Das ist für uns ein ganz zentrales Thema. Wir wollen nicht an der Überstundenregelung rütteln, aber mehr Flexibilität in Spitzenzeiten ist unerlässlich. Wir sind Bauzulieferer und haben mit An- und Abfahrt gegenüber dem Bauunternehmen Vor- und Nachlaufzeiten. Wenn also das Bauunternehmen zehn Stunden arbeitet und dafür auch seine Materiallieferungen braucht, geht sich das für unsere Unternehmen einfach nicht aus. Deshalb begrüßen wir diese Maßnahme sehr, denn damit kann man Prozesse auch optimieren und verkürzen.

Ich hoffe auch, dass die Ausnahmeregelung bei der Angleichung von Arbeitern und Angestellten für die Bauwirtschaft betreffend Kündigungsfristen auch für die Baustoffindustrie gelten wird. Denn auch wir haben saisonale Spitzen, etwa in der Transportbetonindustrie. Aus unserer Sicht wäre deshalb ein Ganzjahresarbeitszeitmodell sinnvoll. Damit können wir auch saisonal bedingte Kündigungen verhindern.

Report: Was gefällt Ihnen noch am aktuellen Regierungsprogramm?

Pfeiler: Ganz wichtig ist der forcierte Einsatz von heimischen Baustoffen und die regionale Wertschöpfung bei öffentlichen Bauprojekten. Darüber hinaus ist auch die »Forcierung von langlebigen, reparierbaren und wiederverwertbaren Produkten zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft«, wie es im Regierungsprogramm heißt, ein wichtiges Signal. Denn was ist langlebiger, reparierbarer und wiederverwertbarer als Ziegel oder Beton?  Auch die  Vereinheitlichung der bautechnischen Regeln über alle Bundesländer hinweg wäre wichtig. Das ermöglicht Standardisierungen und macht das Bauen billiger.

Report: Eine Ihrer zentralen Forderungen ist die verpflichtende Herkunftsbezeichnung von Baustoffen. Was würde sich dadurch aus Ihrer Sicht ändern?

Pfeiler: Die Importquote von massiven Baustoffen spielt praktisch keine Rolle. Die Rohstoffe werden hier abgebaut und verwertet. Die Ökologie spielt heute zu Recht eine große Rolle. Dann muss aber auch berücksichtigt werden, dass ein regionales Produkt nachhaltiger ist oder sein kann als eines, das schon tausende Transportkilometer hinter sich hat. Das kann man mit einer Herkunftsbezeichnung eindeutig nachweisen. Und das sollte auch in die Bewertung mit einfließen.

Report: Mit 1. Jänner ist die Wohn­bauförderung in die Obhut der Länder gewandert. Ihre langjährige Forderung nach Wiedereinführung der Zweckbindung wurde nicht gehört. Was erwarten Sie von der Wohnbauförderung NEU?

Pfeiler: Positiv ist, dass die Verantwortung jetzt bei den Ländern liegt und sie für die Wohnbauleistung geradestehen müssen. Negativ ist, dass derzeit eine nationale Koordinierungsstelle fehlt. Zwar sollten die einzelnen Bundesländer ihre Bedarfs­analysen machen, aber diese sollten dann unbedingt miteinander abgeglichen werden, um Synergieeffekte zu erzielen.

Report: Schauplatzwechsel nach Brüssel: Beim Zertifikatehandel konnte etwa für die Zementindustrie der Ausschluss aus der Gratiszuteilung verhindert werden, die Energieeffizienz-Richtlinie sieht aber eine weitere Verschärfung vor, die auch heimische Unternehmen treffen würde. Wie bewerten Sie aktuell die europäische Politik, welche konkreten Auswirkungen sind spürbar?

Pfeiler: Aktuell ist in die europäische Klima- und Energiepolitik Ruhe eingekehrt. Die großen Pflöcke sind eingeschlagen und da war es unsere Aufgabe, darauf zu achten, dass sie nicht an den falschen Stellen eingeschlagen werden. Das ist uns ganz gut gelungen, denn Maßnahmen wie der angesprochene Ausschluss der Gratiszuteilung hätten uns schon massiv getroffen. Das Thema Klima und Energie müssen wir in Brüssel genau beobachten und laufend informieren. Die EU fordert ja eine komplette Dekarbonatisierung der Industrie bis 2050. Das steht übrigens auch im österreichischen Regierungsprogramm. Diese Forderung finde ich prinzipiell zulässig.

Man muss sich aber auch vor Augen halten, was das bedeutet: Das wäre das Aus für Kalk, Zement, Ziegel und Gips. Man kann Ersatzbrennstoffe einsetzen, aber beim Brennvorgang selbst wird das CO2, das im Kalkstein eingelagert ist, freigesetzt. Das ist ein chemisches Gesetz, an dem nicht zu rütteln ist. Im Hochbau mag der Holzbau – wenn auch begrenzt – eine Alternative sein. Aber woraus bauen wir in Zukunft dann unsere Brücken, Straßen, Tunnel oder Kläranlagen. Darauf habe ich noch keine Antworten erhalten.

Alleine für Österreich würde eine Dekarbonatisierung den Verlust von 15.000 Arbeitsplätzen und die Gefährdung von rund 200.000 Existenzen entlang der Wertschöpfungskette bedeuten.

Report: Werden diese Argumente in Brüssel gehört?

Pfeiler: (lacht) Ich habe darauf schon die lustigsten Antworten bekommen: »Da muss sich die Industrie etwas einfallen lassen.« Aber Naturgesetze lassen sich nicht austricksen. Dennoch ist die Energieeffizienz eines unser zentralen Themen. Aber da sind die Unternehmen ohnehin sehr weit. Denn wenn die Energiekosten 70 Prozent der Gesamtproduktionskosten ausmachen, ist die Effizienzsteigerung im ureigensten betrieblichen Interesse. Dafür braucht es keine Gesetze.

Report: Mit welchen Erwartungen gehen Sie ins Jahr 2018?

Pfeiler: Die Stimmung ist auf jeden Fall positiv. Es wird zumindest im urbanen Raum gebaut und das spüren wir natürlich. Und vielleicht werden durch die neue politische Konstellation jetzt endlich auch überfällige Reformen umgesetzt, auch wenn die eine oder andere Maßnahme vielleicht anfangs schmerzhaft ist.

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