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Schlechte Abläufe bedeuten hohe Kosten

Foto: Alfred Leitner.» Aus meiner Sicht wird die Zusammenarbeit am Bau durch das Bestbieterprinzip eher behindert als verbessert.« Foto: Alfred Leitner.» Aus meiner Sicht wird die Zusammenarbeit am Bau durch das Bestbieterprinzip eher behindert als verbessert.«

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Alfred Leitner, Branchenmanager Bau bei Quality Austria, über die Folgen schlechter Prozessqualität, die Wichtigkeit personaler Kompetenz und warum das Bestbieterpinzip und die Digitalisierung die Zusammenarbeit am Bau nicht verbessern werden.

Report:  Welchen Stellenwert hat Qualität, in all ihren Ausformungen, in der österreichischen Bauwirtschaft? Wie ausgeprägt ist das Qualitätsbewusstsein?

Alfred Leitner: Der Stellenwert der Ausführungsqualität ist ausreichend ausgeprägt. Ganz anders steht es um das Bewusstsein für die Prozessqualität. Das ist eigentlich nur bei den Großen der Branche wirklich vorhanden, dem großen Rest fehlt das Bewusstsein. Das gilt auch für Bauherren und sogar den Gesetzgeber.

Report:  Wie zeigt sich das?

Leitner: Das Bestbieterprinzip wurde entwickelt, um die Zusammenarbeit auf der Baustelle zu verbessern. Dennoch spielen Kriterien der Organisations- und Ablaufqualität keine Rolle. Wenn Kompetenzen eingefordert werden, geht es immer um Fachkompetenz, aber nie um personale Kompetenz, also soziale Kompetenz und Kommunikations- und Führungskompetenz.

Aus meiner Sicht behindern die Bestbieterkriterien die Zusammenarbeit am Bau mehr, als sie sie verbessern. Polemisch ausgedrückt: Warum soll eine kleine oder mittlere Baustelle besser funktionieren, wenn zusätzlich ein Akademiker, eine Frau und zwei Lehrlinge einsetzt werden müssen? Die müssen entweder aufwendig mit Schulungen in den Bauprozess integriert werden oder sie sitzen rum und verursachen Kosten. Der Bauablauf wird dadurch aber in keinster Weise positiv beeinflusst. 

Report: Woran liegt es, dass den meis­ten Unternehmen dieses Bewusstsein für die Prozessqualität fehlt?

Leitner: Es fehlt einfach das Know-how. Die personale Kompetenz spielt in der Ausbildung leider überhaupt keine Rolle, nicht in der Schule, nicht auf Fachhochschulen und nicht auf Universitäten. Wenn ein Unternehmen neue Mitarbeiter braucht, gibt es meistens schon einen akuten Bedarf. Die Neuankömmlinge werden dann direkt ins kalte Wasser geworfen, wo ihnen wiederum von Vorgesetzten, die selbst keine Ausbildung in Sachen personaler Kompetenz haben, Falsches vorgelebt wird. So werden Verhaltensmuster immer wieder weitergegeben und viel zu selten hinterfragt.

Report:  Sie haben gesagt, die Ausführungsqualität ist bei den heimischen Unternehmen gut. Wie wichtig ist dann überhaupt die Prozessqualität?

Leitner: Die Ausführungsqualität ist deshalb gut, weil die Qualität hier durch die Leistungsverzeichnisse sehr genau vorgegeben wird. Selbst schlechtere Firmen müssen schlussendlich durch Nachforderungen und Nachbesserungen die passende Qualität abliefern.

Report: Wenn das Produkt im Endeffekt passt, was bewirkt dann eine schlechte Prozessqualität?

Leitner: Mit den Leistungsverzeichnissen wird das gesamte Risiko eines Bauprojekts an die Bauunternehmen abgewälzt. Eine schlechte Prozessqualität verursacht enorme Kosten, vor allem Folgekosten, bei der ausführenden Firma. Bei einer hohen Prozessqualität gibt es eine gute Kommunikation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, man weiß um die konkreten Wünsche, verfügt über alle relevanten Informationen und kann so punktgenau die vereinbarte Dienstleistung in der vorgesehenen Zeit abliefern.

Report: Wo muss ein Unternehmen, das erkannt hat, dass es bei den eigenen Prozessen Aufholbedarf gibt, ansetzen, um die Prozessqualität zu verbessern?

Leitner: In einem ersten Schritt muss man sich darüber Klarheit verschaffen, welche Prozesse abseits der Ausführungsprozesse unternehmensrelevant sind. Da geht es vor allem um Führungsprozesse und interne Abläufe unterstützende Prozesse. Die müssen definiert, beschrieben und umgesetzt werden.

Report: Welche Rolle können oder werden digitale Werkzeuge bei der Verbesserung der Prozessqualität spielen?

Leitner: Natürlich können die entsprechenden IT-Tools ein wertvolles Hilfsmittel sein, um durch Strukturierung und Transparenz ein gewisses Mindestniveau sicherzustellen. Ich sehe aber die große Gefahr, dass die Digitalisierung die Prozessqualität eher noch verringert, weil dadurch die am Bau ohnehin traditionell schlechte Kommunikation nochmals schlechter wird. Es wird dann nur noch digital kommuniziert und das persönliche Gespräch tritt immer weiter in den Hintergrund. Dabei kann gerade in einer so stark von Menschen geprägten Branche wie der Bauwirtschaft das persönliche Gespräch, in dem man doch so viel mehr spürt als nur das gesprochene Wort, viele Hürden und Missverständnisse beseitigen.

Deshalb befürchte ich, dass die Digitalisierung die Zusammenarbeit am Bau, die schon jetzt nicht die allerbeste ist, weiter erschweren wird. Das hat ja auch die vom Bau & Immobilien Report durchgeführte Studie zum Verhältnis von Auftraggeber und Auftragnehmern (siehe Ausgabe 10/2016; Anm.d. Red.) gezeigt. Die Bauunternehmen bewerten die Zusammenarbeit als »misstrauisch« und »problemorientiert«, die Bauherren hingegen überschätzen sich und die eigenen Kompetenzen oft. Dennoch wird die gesamte Bauaufsicht und Kontrolle ausgelagert, nicht selten an den Billigstbieter, der dann einen jungen, billigen Techniker auf die Baustelle setzt, der dann fachlich und zwischenmenschlich heillos überfordert ist.

Report: Eine wichtige Unterstützung der Prozessqualität können Zertifizierung sein. Erst kürzlich gab es eine Revision der wichtigsten Richtlinie, der ISO 9001. Mit welchen Folgen?

Leitner: Die meisten zertifizierten Unternehmen haben die Neuerungen bereits umgesetzt. Allerdings wurde von vielen Unternehmen eine Jahrhundertchance ausgelassen. Erstmals gibt es die Forderung, »Leadership« besser umzusetzen – durch Vorleben, Orientierung geben, Werte und Ziele kommunizieren. Da mogeln sich leider viele Unternehmen herum.
Auch bei den Mitarbeitern gibt es eine Änderung: Ging es früher darum, qualifizierte Mitarbeiter zu haben, durch Schulungen, Ausbildungen und Ähnliches, geht es jetzt darum, kompetente Mitarbeiter zu haben. Das bedeutet, Mitarbeiter müssen ihre Qualifizierung auch anwenden können. Und das beschränkt sich auf gar keinen Fall auf das Fachliche, da geht es dann vor allem auch um personale Kompetenzen, die von Position zu Position verschieden sind. 

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