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»Technisch ist BIM eine Kleinigkeit«

Foto: Alfred Hagenauer (l.) und Klaus Lengauer: »Wir müssen unsere Kunden so gut wie möglich schulen.« Foto: Alfred Hagenauer (l.) und Klaus Lengauer: »Wir müssen unsere Kunden so gut wie möglich schulen.«

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report erklären Alfred Hagenauer, Geschäftsführer A-Null, und Klaus Lengauer, BIM-Koordinator A-Null, warum BIM keine technische, sondern eine kulturelle Herausforderung ist, sprechen über offene Fragen bezüglich Haftung und Honorar und welchen Beitrag die Hersteller liefern können, um BIM zum Siegeszug zu verhelfen.

Report: Laut unserer aktuellen Umfrage spielt BIM nur für etwas mehr als
5 % der heimischen Architekturbüros eine große, für knapp 13 % eine eher große Rolle – in 34 % aber nur eine kleine und in 48 % gar keine Rolle. Warum hat BIM in Österreich so eine geringe Praxisrelevanz?

Alfred Hagenauer: Die Schwierigkeit ist, vom Vor-BIM-Zeitalter in das BIM-Zeitalter zu kommen. Dazu kommt, dass BIM ein sehr emotionales Thema ist. Wir machen seit rund 20 Jahren unter dem Titel »Virtuelles Gebäudemodell« nichts anderes als BIM. Wir haben viele, auch kleinere Kunden, die schöne Gebäudemodelle machen, ohne es BIM zu nennen. Worum es geht, ist, die Möglichkeiten von BIM noch stärker zu nutzen, nicht nur intern sondern extern. Da geht es vor allem um Kommunikation. Und das ist ein Prozess, der eben eine gewisse Zeit dauert.

Report: Es ist aktuell nicht üblich, dass alle am Bau Beteiligten frühzeitig eingebunden werden. Ist das nicht auch ein Kulturproblem?

Hagenauer:  Natürlich. Mit BIM müssen Entscheidungen früher getroffen werden. Technisch ist BIM eine Kleinigkeit, es geht um einen Kulturwandel. Ob man dann eine Open-BIM- oder eine Closed-BIM-Lösung bevorzugt, ist nebensächlich. Obwohl ich schon klarstellen möchte, dass der Wunsch, alles auf Knopfdruck in einem Modell zu haben, schon aus Haftungsgründen illusorisch ist.

Report: Die Haftungsfrage bereitet meines Wissens nach noch vielen Kopfzerbrechen.

Klaus Lengauer: Das Problem ist, dass es zum BIM-Prozess noch keine konkrete Gesetzgebung gibt. Es gelten leicht abgewandelt die Regelungen des Werkvertraggesetzes.  Wenn ich im Sinne von Open BIM auf Basis eines Referenzmodells arbeite und Informationen mittels IFC-Schnittstelle vom Partner importiere, ohne in seinem Modell zu arbeiten, ist die Haftung relativ klar. Jeder arbeitet mit seiner Software an seinem Projekt und haftet dafür. Wenn im Sinne von Closed BIM tatsächlich in einem Projekt gearbeitet wird, dann tritt die Solidarhaftung in Kraft.

Jeder haftet für jeden, weil die einzelnen Schritte und Änderungen nicht mehr nachvollziehbar sind. Vor allem große Unternehmen, die alle Abteilungen im Haus haben, bevorzugen oft diese Methode, weil man damit Arbeitsschritte reduzieren kann. Dafür braucht es aber ein hohes Maß an Disziplin aller Beteiligten, nur in ihrem eigenen Bereich zu arbeiten. Die Praxis zeigt aber, dass das nicht immer der Fall ist. Klassisches Beispiel: Die Haustechnik kommt mit dem vorhandenen Platz nicht aus. So schnell kann man gar nicht schauen und eine Wand ist um zehn Zentimeter verschoben (lacht). 

Report: Öffentliche Auftraggeber wie die BIG wollen warten, bis BIM weiter verbreitet ist, ehe sie es zwingend vorschreiben. Auf der anderen Seite heißt es, die öffentlichen Auftraggeber müssten BIM vorschreiben, damit es zu einer größeren Marktdurchdringung kommt. Was braucht es aus Ihrer Sicht, damit BIM auch in Österreich abheben kann?

Hagenauer: Das ist schwer zu beantworten. Wir wollen unsere Kunden dazu bringen, aus Eigeninteresse auf BIM zu setzen. Mit BIM zu arbeiten, die Möglichkeiten zu nutzen, ist für jeden Architekten von Vorteil. Aus meiner Sicht sollten öffentliche Auftraggeber, wenn sie BIM auch nicht vorschreiben, schon heute diejenigen belohnen, die technologisch etwas Besseres abliefern als heute.

Report: Einigkeit herrscht darüber, dass es an BIM kein Vorbeikommen gibt. Wie erklären Sie sich die Berührungsängs­te, die viele Architekten, Planer und Bauunternehmen immer noch haben?

Hagenauer: Meine Erfahrung zeigt, dass es in allen Büros Gegner und Befürworter gibt. Unsere Aufgabe sehe ich darin, die Kunden so gut wie möglich zu schulen. Es gibt zwar in jedem Büro einen BIM-Guru, aber in der Breite fehlt oft das Verständnis. Obwohl die meisten Architekturbüros sogar relativ weit sind, etwa im Vergleich zu Haustechnikern. Dabei könnten sie gemeinsam wunderbare Ergebnisse erzielen. Im Endeffekt geht es darum, die Arbeitsprozesse so anzupassen, dass sie BIM-fähig sind. Denn es sind immer noch Bauprojekte, von denen wir reden, und keine BIM-Projekte.

Report: Laut Graphisoft wird bei der neuen Version Archicad 20 der Fokus auf das »I« in BIM, also die Information, gelegt. Was kann man sich darunter vorstellen?

Lengauer: Das »I« ist die Metainformation, die in den Bauteilen steckt. Diese Informationen sind im Gegensatz zu früher miteinander verbunden. Und wenn ich mein Modell einem Dritten weitergebe, geht die Information nicht verloren sondern bleibt im Element.

Report: Werden diese Funktionalitäten vom Markt nachgefragt oder geht Graphisoft hier proaktiv vor?

Hagenauer:  Graphisoft produziert ja für den weltweiten Markt. Da werden diese Funktionalitäten schon nachgefragt. Die reibungslose Informationsweitergabe im BIM-Prozess ist deshalb auch ein Schwerpunkt. 

Lengauer: Ein Grund, warum BIM immer stärker von Bauherren nachgefragt wird, ist, dass BIM nicht mit der Errichtung des Gebäudes endet, sondern auch der Betrieb und sogar der Rückbau mit eingebunden sind. Informationen, die einmal in das Gebäude eingegeben wurden, sind dann auch 30 Jahre später abrufbar. Zudem ist das BIM-Modell, wenn es dem Bauherren übergeben wird, mit Informationen befüllt, die auch dem Facility Manager weiterhelfen, etwa Kennwerte von technischen Anlagen, Wartungsintervalle oder Herstellerangaben.

Report: Der Aufwand für die Architekten steigt durch BIM. Wer zahlt die Mehrkosten?

Hagenauer:  Das muss man auch als Chance für den Architekten sehen, dass er mehr koordinieren kann. Wenn man ein Produkt wie Archicad gut einsetzt und die Leute richtig schult, kann man viel Zeit und Kosten sparen. Dass der Architekt damit mehr und bessere Leistung liefern kann, lässt sich natürlich in einen Geschäftsvorteil umwandeln.  

Lengauer: Es ist bei den Architekten nicht so sehr der Mehraufwand das Thema, sondern der Zeitpunkt. Die Leistungen des Architekten im Projektablauf verschieben sich nach vorne. Das muss sich auch im Honorarmodell niederschlagen. Das gilt auch für andere Beteiligte. Bei einem echten BIM-Modell muss etwa auch der Haustechniker schon beim ers­ten Vorentwurf mit am Tisch sitzen und sich einbringen. Dann muss man ihn aber auch bezahlen. Das bleibt im schlimmsten Fall am Architekten hängen, der aber immer noch nach dem Schema der Vergangenheit bezahlt wird. Daran spießt es sich im Moment.

Report: Wie lange wird es aus Ihrer Sicht noch dauern, bis BIM flächendeckend zum Einsatz kommt?

Lengauer: Was heißt flächendeckend? Was ist echtes BIM? Auf diese Fragen wird man unterschiedliche Antworten bekommen. Ich denke, das ist ein laufender Prozess. Und auch wenn ich BIM nur in Teilen nutze, generiere ich daraus Vorteile. 

Report: Sind die Themen wie Cloud-Computing und Software-as-a-Service in der Baubranche schon angekommen oder handelt es sich nach wie vor um ein Minderheitenprogramm?

Hagenauer:  Beim Thema Cloud gibt es schon eine große Skepsis. Die erste Frage ist immer: »Wo liegen meine Daten?« Wir bieten deshalb auch keine klassischen Cloud-Lösungen an. Bei uns hat der Kunde das Produkt in der Hand und er entscheidet, wo er die Daten ablegt.  SaaS-Modelle haben wir im Angebot, aber auch da entscheidet der Kunde selbst, ob er kaufen oder mieten möchte. Aktuell ist das Verhältnis 90:10 zugunsten des klassischen Kaufmodells.

Lengauer: Gerade Architekten sind da oftmals vom alten Schlag und sind es gewohnt, die Oberhoheit über ihre Werkzeuge und Informationen zu haben.  

Report: Unsere Umfragen zeigen Jahr für Jahr, dass Bausoftware-User sehr treu sind und nur selten das Programm oder den Anbieter wechseln. Wie wollen Sie Neukunden gewinnen?

Hagenauer: Ich kann selbstbewusst sagen, dass es für einen Architekten aktuell kein besseres Werkzeug als Archicad gibt. Das liegt einfach daran, dass Graphisoft nichts anderes macht. Entsprechend gut muss das Produkt sein, sonst ist man weg vom Fenster. Das ist ein sehr guter natürlicher Druck (lacht).
Wir haben auch viele User anderer Produkte zu Archicad-Kunden gemacht. Aber unser Fokus liegt auf jenen, die heute noch nicht mit BIM arbeiten. Die wollen wir mit Archicad abholen.

Last modified onFreitag, 04 November 2016 12:59
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