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"Man kann dem Markt nichts aufdrängen"

Eigenverantwortung. »Unsere Wachstumsziele kommen nicht aus der Zentrale, wir setzen sie uns selbst.« Eigenverantwortung. »Unsere Wachstumsziele kommen nicht aus der Zentrale, wir setzen sie uns selbst.« Foto: ACO

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Ernst Strasser, Geschäftsführer ACO, über Umsatzziele und Margen, neue Spezialanwendungen abseits der Hauptproduktlinien und erklärt, warum der Wechsel vom Produktlieferanten zum Systemanbieter kein modern gewordener Selbstzweck ist, sondern eine Reaktion auf die Bedürfnisse des Marktes.

Report: Sie haben für 2016 als Ziel ein Umsatzwachstum von 5 % ausgegeben. Wie realistisch ist es aus jetziger Sicht, dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen?

Ernst Strasser: Wir sind mit der Geschäftsentwicklung sehr zufrieden. Aus heutiger Sicht ist davon auszugehen, dass wir das Umsatzziel erreichen. Wir haben starke Monate erlebt und können uns über mangelnde Nachfrage nicht beklagen. Das ist auch der Tatsache zu verdanken, dass wir sehr breit aufgestellt sind und ein breites Produktportfolio in der Gebäude- und Freiflächenentwässerung  anbieten. Natürlich muss in der Baubranche auch das Wetter mitspielen. Ein milder Dezember wie im Vorjahr wäre hilfreich.

Report: In welchen Bereichen sehen Sie das größte Potenzial?

Strasser: Wir sehen nach wie vor großes Potential in unserem Kernprodukt, der Entwässerungsrinne. Durch neue Lösungen im Bereich Schwerlast- und Retentionsrinne können wir zusätzliche Segmente ansprechen. Vor allem aber auch im Bereich Oberflächengestaltung gibt es mit neuen formschönen Rosten, Lichtelementen neue Gestaltungsmöglichkeiten für öffentliche Flächen. Im Bereich Kellerbau profitieren wir von der stärkeren Nachfrage im Hochbau und unseren neuen Lösungen zum Thema Dichter Keller.

Report: Welcher Umsatzanteil entfällt auf Ihr Vorzeigeprodukt Entwässerungsrinne?

Strasser: Etwas mehr als Drittel.

Report: Sollten Sie das 5-Prozent-Wachstumsziel 2016 erreichen, welche Auswirkungen hätte das auf 2017? Wird dann in der Zentrale in Deutschland wieder ein ähnliches Wachstum erwartet?

Strasser: Die Wachstumsvorgaben kommen nicht aus der Zentrale. Wir setzen uns diese Ziele selbst. Dass wir diese Ziele deutlich über den Euroconstruct-Zahlen ansiedeln, liegt daran, dass wir als Innovationstreiber das Selbstverständnis haben, über dem Markt zu wachsen. Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass wir uns im nächsten Jahr wahrscheinlich ähnliche Ziele setzen werden wie heuer. Das Wichtigste ist, dass wir profitabel wachsen. 

Report: Stichwort profitabel: Wie sieht es denn mit der Marge aus?

Strasser: Unser Bestreben ist, eine Umsatzrendite von 5% zu erwirtschaften. Diese ist notwendig, um entsprechende Investitionen in die Zunkunft des Unternehmens zu tätigen. 

Report: Nach zahlreichen Starkregen­ereignissen der letzten Jahre wurde viel über Investitionen in Hochwasserschutz gesprochen. Ist die heimische Infrastruktur heute aus Ihrer Sicht ausreichend für künftige Ereignisse gewappnet? Wo bräuchte es noch Investitionen?

Strasser: Man hat in den letzten Jahren erhebliche Summen in den Hochwasserschutz investiert. Ich will und kann aber aus unserem Tätigkeitsfeld nicht beurteilen, ob diese Investitionen ausreichend sind. Wir konzentrieren uns auf die Produkte wasserdichte Lichtschächte und Kellerfenster, die Hochwasser von gebäuden abhalten. Da hat sich auch viel im Bewusstsein der Bevölkerung geändert und die Bereitschaft zu investieren ist deutlich gestiegen.

Report: Neben klassischen Hoch- und Tiefbaulösungen haben Sie auch Spezialanwendungen wie Öl- und Fettabscheideranlagen oder Nassmüllsammelanlagen im Angebot. Welche Rolle spielen diese Nischen für ACO?

Strasser: Das sind mehr als nur  Nischen. Das sind sowohl in der Gebäude- als auch in der Freiflächenentwässerung ganz wesentliche Komponenten einer Systemkette. Kommerzielle Küchen benötigen zwingend einen Fettabscheider. Nachdem es etwa 60.000 Gastronomiebetriebe in Österreich gibt, wird das Potenzial klar. Auch Nassmüllanlagen sind auf dem Vormarsch, weil Hygienestandards erhöht werden und man so effizient wie möglich mit Speiseresten umgehen möchten. Bei den Großküchen sind wir schon sehr gut aufgestellt, in der Kleingastronomie gibt es noch viel Luft nach oben. Da bauen wir jetzt die entsprechenden Vertriebswege auf. Das Ziel ist, der Systemanbieter in der Küche zu werden. Dafür müssen wir die Bedürfnisse des Marktes erkennen und entsprechende Lösungen anbieten. Man kann dem Markt nichts aufdrängen.

Report: Die strategische Ausrichtung der ACO-Gruppe soll in Zukunft verstärkt­ in Richtung Systemanbieter gehen, der alles aus einer Hand anbietet. Was ist der Grund für die Neuausrichtung und welche Erwartungen sind daran geknüpft?

Strasser: Bauvorhaben werden zunehmend komplexer. Auch die Produkte werden komplexer. Und da ist es natürlich von Vorteil, wenn man an die Planer und Bauherren mit einer größeren Anzahl von Produkten herantreten kann. Es gibt den Bedarf, Regenwasser nicht nur zu sammeln, sondern auch zu reinigen und über eine Versickerungsanlage dem Erdreich zuzuführen oder in einen Fluss einzuleiten. Da gibt es verschiedene Ansätze, die wir alle im Angebot haben. Und weil die Bedeutung von Regenwasser als Ressource zunehmen wird, widmen wir uns diesem Thema ganz offensiv.

Der Gedanke des Systemanbieters ist kein Selbstzweck. Das ist ja keine neue Erfindung. Uns geht es darum, den Bedarf im Markt zu verstehen und darauf entsprechend zu reagieren, inklusive Beratung und Nachbetreuung. Damit erreichen wir auch eine Partnerschaft, die weit über die Lieferung von Produkten hinausgeht.

Report: Also auch eine Art langfris­tiges Kundenbindungsprogramm.

Strasser: Richtig. Ich bin überzeugt, dass die Differenzierung der einzelnen Unternehmen der Bauwirtschaft künftig sehr stark über den Servicegedanken entstehen wird und damit echte Wettbewerbsvorteile geschaffen werden. Da wollen wir ganz vorne mit dabei sein. Die Produkte an sich sind oft austauschbar, deshalb ist es umso wichtiger, den Kunden von der Planung über den Einbau bis zur Nachbetreuung zu begleiten und zu unterstützen.

Report: Für Wettbewerbsvorteile soll auch die Digitalisierung sorgen. Wie ist ACO für diesen Megatrend gerüstet?

Strasser: In unseren internen Prozessen sind wir schon sehr weit. Wir haben einen papierlosen Auftragsprozess, der Vertrieb agiert über digitale Vermarktungsinstrumente und wir stellen Einbauanleitungen und technische Zeichnungen den Kunden elektronisch zur Verfügung. Wir bemerken aber, dass der Zuspruch zu diesem Angebot noch nicht überbordend ist. Da gibt es noch viel Luft nach oben. Was auf jeden Fall kommen wird, ist BIM. Darauf bereiten wir uns intensiv vor. In naher Zukunft wird es für alle unsere Produkte BIM­-Modelle geben.

Report: Aktuell ist das also noch nicht der Fall?

Strasser: Ein Teil unserer Produkte ist bereits mit BIM­Modellen abgedeckt, aber eben noch nicht alle. Allerdings ist auch die Nachfrage in Österreich noch sehr gering bzw. noch nicht vorhanden. 

Report: ACO sieht sich selbst als Innovationstreiber in unzähligen Bereichen der Entwässerungstechniken. An welchen neuen Produkten wird aktuell gearbeitet, in welche Richtung gehen die Forschungsanstrengungen?

Strasser: Wir haben soeben auf der GaLa-Bau in Nürnberg eine neue Produktlinie zur Regenwassernutzung vorgestellt. Generell arbeiten wir stetig an Produktinnovationen und auch Verbesserungen der bestehenden Produkte. Dabei geht es in dem wettbewerbsintensiven Markt auch um die Frage, wie wir Produkte über neue Materialien oder effizientere Produktionsprozesse für unsere Kunden kostengünstiger machen können. Und wir beschäftigen uns intensiv mit der Frage, wohin sich die Bauwirtschaft entwickelt – welche Produkte etwa in Zukunft gebraucht werden, um Regenwasser optimal zu sammeln, zu reinigen, zwischenzuspeichern, und abzuleiten.     

Hintergrund

Aco ist in Österreich vor allem für Entwässerungsrinnen im Tiefbau und Sanitärbereich sowie wasserdichte Kellerleibungsfenster bekannt. Tatsächlich umspannt das Leistungsspektrum umfassende Komplettsysteme für Hoch- und Tiefbau sowie industrielle Nutzung. Das Unternehmen verfolgt einen Systemansatz, mit dem man die aktuellen und zukünftigen Bedürfnisse der Kunden rund um das Thema Wasser erkennen und mit entsprechenden Produkten bedienen will

Last modified onDienstag, 11 Oktober 2016 14:57
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