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»Die sachliche Diskussion ist nicht immer einfach«

Foto: In entspannter Atmosphäre wurde ein breites Themen­feld abgearbeitet und weiterführende Gespräche  zwischen Holz- und Massivbau vereinbart. Foto: In entspannter Atmosphäre wurde ein breites Themen­feld abgearbeitet und weiterführende Gespräche zwischen Holz- und Massivbau vereinbart. Foto: Report Verlag

Der Bau & Immobilien Report hat mit Reinhold Lindner, Sprecher Bau!Massiv!, und Stefan Vötter, Geschäftsführer Bau.Genial, Massiv- und Leichtbauer an einen Tisch gebeten, um über das wiederkehrende Streitthema Brandschutz zu diskutieren. Herausgekommen ist ein launiges Gespräch weit über die eigentliche Themensetzung hinaus, über technische Standards und emotionale Zuspitzungen mit tiefen Gegensätzen, aber auch überraschenden Übereinstimmungen.  

Report: Beim Thema Brandschutz geraten sich Leicht- und Massivbauer gerne in die Haare. Vor allem seitens der Massivbau-Lobby wird gerne die Sicherheitskarte gespielt. Herr Lindner, wo setzt Ihre Kritik konkret an?

Reinhold Lindner: Oberster Priorät hat der Personenschutz, also die Sicherheit von Leib und Leben. Wir haben das Glück, dass unsere Baustoffe grundsätzlich nicht brennbar sind. Bei Holz ist das anders, Holz brennt. Das bedeutet aus unserer Sicht nicht, dass wir die planerische Freiheit des Architekten einschränken wollen. Wir wollen den freien Wettbewerb und der Kunde soll frei wählen, was er will. Eine Diskussion gab es bei den technischen Regelwerken. In der OIB-Richtlinie von 2011 gab es eine Beschränkung von Holzbauten auf vier Geschoße, die in der Überarbeitung von 2015 gefallen ist. Gegen eine Liberalisierung des Regelwerkes ist prinzipiell nichts einzuwenden, aber das Sicherheitsniveau darf nicht reduziert werden.   

Report: Wenn Sie sagen, oberste Priorität hat der Personenschutz, dann impliziert das, dass die Sicherheit von Leib und Leben nicht bei allen Bauweisen gegeben ist.

Lindner: Das sehe ich nicht so. Denn auch seitens der Holzbauer wurden Studien veröffentlicht, was zu tun ist, um dasselbe Brandschutzniveau zu erreichen wie beim Massivbau. Beim Holzhochaus HoHo in der Seestadt Aspern heißt es etwa, dass die größte Herausforderung der Brandschutz ist.  Man kann aus meiner Sicht einen gleichwertigen Brandschutz auch beim Holzbau erreichen, es ist aber bautechnisch schwieriger und braucht eine saubere Ausführung. Und wir wissen alle, dass es auf der Baustelle einen enormen Kostendruck gibt.

Vötter: Jeder Baustoff hat seine Vor- und Nachteile. Der Holzbau steht in vielen Bereichen noch am Anfang. Dass beim HoHo die größte Herausforderung der Brandschutz ist, liegt daran, dass es noch nie gemacht wurde. Das ist praktisch die Neuentwicklung eines Produkts. Das ist natürlich eine Herausforderung. Beim 15. Holzhochhaus schaut das dann schon ganz anders aus.

Wir sind gerade beim Brandschutz auch sehr selbstkritisch, weil wir natürlich wissen, dass wir gerade bei diesem Thema sehr aufpassen müssen. Es geht beim Brandschutz aber auch um die Unterscheidung von Brand- und Rauchabschottung.

Lindner: Ein wichtiges Thema ist die Tragstruktur. Da verhält sich Beton anders als Holz. Dazu kommt, dass beim Holzbau die Verbindungen sehr anfällig sind. Eine etwas ältere Studie der TU Wien kommt zu dem Schluss, dass nicht unbedingt die Brandwiderstandsdauer des einzelnen Bauteils wichtig ist, sondern die Tragfähigkeit des Gesamtsys­tems. Das Versagen einzelner Bauteile oder ihrer Verbindungen kann laut Studie katastrophale Auswirkungen für das gesamte Gebäude haben.

Vötter: Diese Studie hat sicher ihre Berechtigung. Wir haben aber auch eigene Studien und Untersuchungen, die zu teilweise anderen Ergebnissen kommen. Weil bereits die Sicherheit von Leib und Leben angesprochen wurde: Das hat natürlich auch für uns oberste Priorität. Prinzipiell gilt, dass in ländlichen Regionen die Feuerwehr durchschnittlich sieben bis zehn Minuten braucht, um zu einem Brand zu gelangen. In den Landeshauptstädten ist sie sogar noch schneller. Bis ein Bauteil tatsächlich einstürzt, dauert es mindestens 30 Minuten. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Evakuierung der Gebäude in der Regel längst abgeschlossen. Ich bin selbst Mitglied der freiwilligen Feuerwehr und weiß, dass die größte Gefahr für die Bewohner von der Rauchentwicklung ausgeht. Die Konstruktion spielt dabei eine untergeordnete Rolle. 

Lindner: Damit hat Herr Vötter auf jeden Fall recht. Daran sieht man auch wieder, dass wir jeweils einen etwas anderen Blick auf das Thema haben und jeder natürlich die Vorteile seines Baustoffes in den Vordergrund rücken möchte. Wichtig ist für mich, dass es ein technisches Regelwerk gibt, das von beiden Seiten einzuhalten ist. Dafür müssen die Verantwortlichen Rechnung tragen.

Vötter: Ich denke, dass ich für beide Seiten sprechen kann, wenn ich sage, dass es wichtig ist, dass am Bau Fachleute arbeiten.

Report: Ist das nicht für den Holz- noch deutlich wichtiger? Laut Experten können schon kleine Ausführungsfehler dazu führen, dass sich Feuer in die Wand frisst und rasch übergreift.

Vötter: Nein, denn dafür hat der Holzbau einen sehr hohen Vorfertigungsgrad. Dadurch erreicht man eine sehr hohe Produkt- und Dokumentationsqualität.

Report: Die Überarbeitung der OIB-Richtlinie hat für viel Zündstoff gesorgt. Die Massivbauer sprachen von einem Lobbyingerfolg der Holzbauer, die Holzbauer von der längst überfälligen Gleichstellung des Baustoffs Holz mit mineralischen Baustoffen.

Lindner: Ich kann das nur von meiner Warte aus beurteilen. Zu der Zeit, als ich zu Bau!Massiv! kam, hatte ich den Eindruck, dass es ein stilles Agreement in der Baubranche gab, die 2011er-OIB-Version als das Maß in Sachen Sicherheit zu sehen, das man nicht mehr unterschreiten will. Die Überarbeitung von 2015 war für einige unserer Mitglieder eine Herabsetzung des Sicherheitsniveaus und hat entsprechend für Irritationen gesorgt. Aber das hat auf einer sehr sachlichen Ebene stattgefunden.

Report: Herr Vötter, haben Sie das auch immer als so sachlich empfunden?

Vötter: Natürlich wurde spitz formuliert. Die sachliche Diskussion ist ja nicht immer einfach. Wir sind auch Marktbegleiter und die Mitglieder unserer beiden Verbände müssen Geld verdienen. Das heißt, man muss auch Kunden überzeugen. Das versuchen wir auf einer sachlichen Ebene. Aber natürlich kann es da auch mal emotional werden. Aber das sollte man nicht überbewerten.

Report: In der Vergangenheit hat die Holzseite mit einer vergleichenden Werbung in Sachen CO2-Footprint für Aufregung gesorgt, Massiv-Vertreter haben unmittelbar nach dem Brand eines Holzhauses eine Pressekonferenz einberufen, um auf die Gefahren des Holzbaus hinzuweisen. So sachlich war die Diskussion also nicht immer.

Vötter: Ein Haus zu bauen, ist etwas sehr Emotionales. Deshalb versucht man natürlich, den Kunden auch auf einer Gefühlsebene zu erreichen. Holz ist nicht Beton und nicht Ziegel. Da gibt es Unterschiede und die muss man auch festhalten. Aber es stimmt, dass es in der Vergangenheit deutlich mehr Spannungen zwischen den Lagern gab. Da wurde, auch über die Medien, auf eine Art und Weise argumentiert, die auf der Gegenseite natürlich für Irritationen gesorgt hat. 

Lindner: Ich kann nur für uns sprechen. Wir haben immer versucht, uns auf einer rein sachlichen Ebene zu begegnen. Aber gerade beim angesprochenen CO2-Thema war es für uns schon wichtig, zu kommunizieren, dass die von ProHolz vorgetragene Werbebotschaft nicht einmal mit den Studien der eigenen Lobby übereinstimmen. Wenn eine Interessensvertretung so offensiv mit Halbwahrheiten an die Öffentlichkeit geht, muss man sich schon wehren dürfen.

Vötter: Das gilt natürlich auch in die andere Richtung. Die angesprochene Brandschutzstudie der TU Wien war ja auch ein Grund, warum Bau.Genial damals aktiv wurde. Da gab es auch Aussagen, die wir nicht so stehen lassen konnten. Aber ich möchte eigentlich gar nicht über die Vergangenheit reden. Und man kann schon festhalten, dass die Diskussion – zum Wohle der gesamten Bauindus­trie und der Nutzer – auf eine sachliche Ebene gehoben wurde. Beide Seiten haben ihre Hausaufgaben gemacht, Studien erstellt und damit auch die Qualität der Produkte gesteigert. Darauf können beide Seiten schon auch stolz sein.

Report: Lassen sich schon konkrete Auswirkungen durch die Überarbeitung der OIB-Richtlinie erkennen?

Vötter: Da möchte ich Kurt Giselbrecht von der Vorarlberger Brandverhütungsstelle zitieren, der schon vor einigen Jahren meinte, dass die Hochzüchtung der Brandschutzanforderungen den Brandschutz nicht mehr massiv verbessern wird. Was sich in der Baukultur aber dramatisch verändert hat, sind die neuen Produkte, die auf den Markt gekommen sind. Sowohl der Holz- als auch der Massivbau unterliegen großen Veränderungen. Im Holzbereich betrifft das vor allem das Brettsperrholz. Da gibt es enor­me Wachstumsraten. Denn damit eröffnen sich auch im großvolumigen Bau völlig neue Möglichkeiten.

Report: Spüren Sie diese neue Konkurrenz?

Lindner: Ich hab dazu jetzt keine Marktzahlen. Ich glaube auch nicht, dass sich da durch die OIB-Richtlinie viel geändert hat. Es gibt auch in unserem Bereich viele neue Produkte und Lösungen, etwa Ziegel mit integrierten Wärmedämmung oder die Bauteilaktivierung. 
Ich möchte aber noch einmal darauf zurückkommen, was ich vorhin schon gesagt habe. Wichtig ist es, dass das technische Regelwerk auf Punkt und Komma eingehalten wird. Wenn dann aus Nieder­österreich Pläne für eine neue Billigschiene im Wohnbau auftauchen, die nicht einmal der Bauordnung entsprechen, dann sorgt das bei unseren Mitgliedsunternehmen natürlich für einen Aufschrei.

Es muss in unser aller Interesse sein, dass der vorgegebene Standard auch eingehalten wird. Dafür braucht der Holzbau im Gegensatz zum Massivbau dann vielleicht einen Brandmelder. Das wird dann eingepreist und die Kunden entscheiden.

Report: Können die höheren Kosten durch zusätzliche haustechnische Einbauten nicht durch die kürzeren Bauzeiten und größere Flexibilität kompensiert werden? Oder werden die Vorteile der geringeren Kosten durch diese zusätzlichen Maßnahmen kannibalisiert?

Vötter: Es ist nicht so, dass der Holzbau durch die haustechnischen Einbauten höhere Kosten als der Massivbau hätte. Unser Vorteil ist, dass ein Holzhaus bei derselben Grundfläche rund zehn Prozent mehr Wohnfläche hat. Das kann man gegenrechnen und dann erzielt man ganz ähnliche Preise. Wenn dann aufgrund neuer Entwicklungen vielleicht statt einem 50er- ein 30er-Ziegel verwendet werden kann, erreicht man vielleicht eine ähnliche Wohnfläche, der Ziegel wird aber auch teurer sein.

Lindner: Die ganze Kostendiskussion ist aus meiner Sicht ohnehin obsolet. Da präsentieren dann beide Seiten ihre Studien, das bringt uns aber nicht weiter. 

Vötter: Das sehe ich auch so. Jedes Haus hat seine Vor- und Nachteile und man muss sich darin wohlfühlen.

Lindner: Absolut richtig. Das hängt auch stark von den Nutzergewohnheiten ab, wie man am Beispiel Passivhaus sieht. Das ist auch nicht für jeden Kunden das richtige Produkt.  

Report: Da gibt es auch immer wieder die Forderung einer verpflichtenden Herkunftsbezeichnung. Massivbauvertreter wie der VÖB haben diese bereits eingeführt. Wäre das für die Holzbauer vorstellbar?

Vötter: Das ist natürlich auch für uns vorstellbar. Es gibt ja einen direkten Zusammenhang zwischen Transportwegen und Wirtschaftlichkeit. Es rechnet sich schlichtweg nicht, Holz zu weit zu transportieren.

Lindner: Trotzdem ist Österreich nach China der zweitgrößte Holzimporteur der Welt. Da horchen unsere Mitglieder natürlich auf, wenn es gleichzeitig heißt, dass sich lange Transportwege nicht rechnen.

Vötter: Da muss man aber schon unterscheiden, welche Art von Holz importiert wird. Da gibt es Unterschiede zwischen Schnitt- und Rundholz und es gibt österreichische Unternehmen, die in Tschechien produzieren. Es geht, glaube ich, beiden Seiten darum, dass Ressourcen lokal verwendet werden sollen.

Lindner: Ganz genau. Aber uns hat schon irritiert, dass nicht einmal bei einem Sieger des Staatspreises Architektur dokumentiert werden konnte, woher das verwendete Holz kommt.

Report: Wenn sich der Import von Holz aus wirtschaftlichen Gründen nicht rechnet, warum dann nicht eine Herkunftsbezeichnung?

Vötter: Jedes neue Zertifikat, jede neue Kennzeichnung, jedes neue Verfahren erhöht auch die Kosten. Die Frage ist, ob man die Qualität dadurch erhöhen kann, wenn man ohnehin weiß, dass das Produkt regional geliefert wird.

Report: Welche Rolle können aus Ihrer Sicht Hybridbauten in Zukunft spielen?

Lindner: Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es muss ein Win-win-Situation sein. Aber wenn das Holzhochhaus HoHo, das natürlich über einen Betonkern verfügt, immer und überall als Holzbau verkauft wird, ist das schwierig. Man könnte gerade bei solchen Bauwerken zeigen, dass verschiedene Baustoffe ihren jeweiligen Stärken entsprechend eingesetzt wurden.

Vötter: Es stimmt schon, dass dieser Holzbau ohne Betonkern nicht möglich wäre. Aber es hat noch kein so hohes Bauwerk gegeben mit so einem hohen Holzanteil. Darauf ist man stolz und das wird natürlich auch werbetechnisch genutzt.

Lindner: Wir wurden jetzt auch vom Lebensministerium zum so genannten Walddialog eingeladen und hören uns das Ganze an. Wenn wir den Eindruck haben, dass davon beide Seiten profitieren können, werden wir dabei sein. Wenn wir das Gefühl haben, dass wir nur als Steigbügelhalter verwendet werden, dann werden wir uns wieder zurückziehen.


Der Location-Partner: Austria Center Vienna

Das Interview mit Reinhold Lindner und Stefan Vötter wurde in der Business Lounge des Austria Center Vienna in der Wiener Donaucity durchgeführt.
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Kontakt: Austria Center Vienna
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