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Zukünftig Kreativität gefragt

\"F.Strabag-Vorstand Franz Urban erklärt im Interview, warum sich die Strabag auf das Thema Dienstleistung fokussiert hat, welche Rolle Soft Skills spielen und wie mit einer ordentlichen Portion Kreativität auch die klammen Kommunen wieder in ihre Infrastrukturen investieren können.

 

(+) plus: Der Report Verlag wird 15 und blickt auf eine bewegte Zeit zurück. Auch bei der Strabag war in diesen eineinhalb Jahrzehnten viel los. Was waren aus Ihrer Sicht die zentralen Entwicklungen in diesem Zeitraum?

Franz Urban: Es ist tatsächlich viel passiert in diesem Zeitraum. Ein ganz zentraler Aspekt war aus meiner Sicht die Hinwendung zur Dienstleistung. Das betrifft vor allem den Hochbau, wo im Vergleich zum Verkehrswegebau die private Hand als Hauptauftraggeber fungiert. Das Bewusstsein, dass der Kundennutzen im Vordergrund stehen muss, hat sich deutlich verstärkt.

(+) plus: Mit welchen Auswirkungen?

Urban: Wir haben um die Jahrtausendwende im Hochbau kontinuierlich an Bauleistung verloren. 2003 haben wir einen Umsatz von 579 Millionen Euro gemacht. Durch die Hinwendung zur Dienstleistung konnte der Umsatz bis 2006 auf 980 Millionen Euro gesteigert werden. 

(+) plus: War diese Fokussierung auf den Dienstleistungsgedanken nachfragegetrieben oder wollte man sich bewusst vom Mitbewerb abheben?

Urban: Es gab keinen Druck von Kundenseite. Aber wir sind in unserer Vertriebsschiene aggressiver geworden. Wir haben uns intensiver mit dem Auftraggeber, seinen Bedürfnissen und Wünschen auseinander gesetzt. Und das wurde am Markt gut angenommen. Damit haben sich in den Verkaufsgesprächen ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Damit waren wir absolute Vorreiter. Heute setzt auch der Mitbewerb ganz stark auf die Dienstleistungsschiene. Deshalb müssen wir uns schon jetzt Gedanken machen, wie wir in Zukunft unsere Marktposition verteidigen können. Denn es ist davon auszugehen, dass der Mitbewerb in drei bis fünf Jahren auf Augenhöhe operieren kann.

(+) plus: Mit welchen konkreten Maßnahmen soll das gelingen?

Urban: Wir wollen in Zukunft noch stärker als bisher auf die Qualität unserer Mitarbeiter setzen. Das beginnt bei der fachlichen Qualifikation und endet bei den sogenannten Soft Skills. Dazu zählt auch die Burnout-Prävention. Ich bin überzeugt, dass das Thema Burnout in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnt als dies ohnehin schon der Fall ist. Wir sind als weltweit agierender Konzern ständiger Veränderung ausgesetzt und wie wir heute wissen, sind Veränderungen ein komplexer Prozess. Außerdem haben wir früh gelernt, dass jede Maßnahme, die das Innenleben erleichtert, auch eine positive Außenwirkung hat. Und die kommt dann schlussendlich auch beim Kunden an.

(+) plus:
Wo haben Sie den Hebel angesetzt?

Urban: Wir haben mit dem Top-Management ein zweijähriges Projekt mit dem Titel »Führen mit mediativem Know-how« durchgeführt. Dabei ist es um den richtigen Umgang mit Konflikten gegangen und das Bewusstsein, dass Konflikte etwas Positives und Bereicherndes sein können. Das Ziel ist eine Fehler- und Streitkultur, die den Konzern im Endeffekt weiter nach vorne bringt. Innovationen entstehen nur im Dialog, in der Auseinandersetzung mit dem Neuen und Unbekannten. Da müssen auch Fehler erlaubt sein. Außerdem ist für mich von ganz essentieller Bedeutung, Mitarbeitern und vor allem neuen Mitarbeitern einen Sinn in ihrem Tun zu vermitteln.

(+) plus: Woher kommt diese Fokussierung der Strabag auf ­diese »soften« Themen?

Urban: Die Auseinandersetzung mit diesen Themen geht für mich Hand in Hand mit dem neuen Bewusstsein unserer Auftraggeber. Mit der Hinwendung zu Lebenszykluskosten oder zertifizierten Projekten schließt sich der Kreis. Denn da wie dort geht es um Qualität und Nachhaltigkeit, um den Zusatznutzen für den Kunden. Und wenn man sich ansieht, welche Bauten nun als Erste ein »Mascherl« bekommen, dann können wir stolz sagen, dass viele davon von der Strabag gebaut wurden, etwa das Rivergate oder die Siemens City, die beide mit dem LEED-Zertifikat in Gold ausgezeichnet wurden.

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Stichwort Zertifikate: Welche Rolle spielen Zertifikate für Gebäude aus Ihrer Sicht?

Urban: Ich bin überzeugt, dass dieser Aspekt des Bauens noch viel wichtiger wird, als das heute der Fall ist. Deshalb haben wir uns in den letzten Jahren auch breiter aufgestellt und Bereiche wie Facility Services, Fassadenbau und Haustechnik in unser Portfolio aufgenommen, um dem Kunden nachhaltige Gesamtlösungen bieten zu können.

(+) plus: LEED, BREAAM, DGNB, ÖGNI – es gibt zahlreiche verschiedene Zertifikate. Stellt dieser Wildwuchs ein Problem für die Bauwirtschaft dar?

Urban: Es ist natürlich nicht ideal, dass es so viele verschiedene Auszeichnungen gibt. Aus unserer Sicht wäre ein einheitliches europäisches Zertifikat sinnvoll. Ich bin auch guter Dinge, dass die Systematik der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft ÖGNI gute Chancen hat, sich als europäischer Standard zu etablieren.  

(+) plus: Die Gesamtwirtschaft zieht wieder an, die Bauwirtschaft tut sich aber noch schwer. Gegenüber dem Vorjahr liegt das Minus bei rund 13 Prozent. Wo sehen Sie die Gründe für die schwache Branchenperformance?

Urban: Der Rückgang ist in erster Linie auf die geringeren Auftragsvolumina der öffentlichen Hand zurückzuführen. Dass sich die Budgetkonsolidierung auch in Zahlen ausdrückt, kommt für uns nicht überraschend. Ich glaube auch nicht, dass sich daran in den nächsten Jahren etwas Grundlegendes ändern wird. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass es durch diese finanziellen Zwänge zu einem Umdenken in den Kommunen kommen wird. Daraus kann ein neues Miteinander entstehen, das auch Investitionen in die Infrastruktur wieder erleichtert.

(+) plus:
Wie realistisch ist dieses neue Miteinander? Themen wie Gemeindezusammenlegungen sind ja in Österreich ein rotes Tuch.

Urban: Die ersten Gespräche mit Kommunalvertretern zeigen, dass durchaus Interesse und Bereitschaft vorhanden ist. Es muss ja nicht gleich um Zusammenlegungen gehen. Es wird in Zukunft die Kreativität gefragt sein. Wie das gehen kann, hat Wien eindrucksvoll gezeigt. Der Schock saß tief, als bekannt wurde, dass die Wohnbauförderung zurückgefahren wird. Aber mit der Wohnbauinitiative hat man rasch und richtig reagiert. Das zeigt, was möglich ist, wenn man sich ein wenig anstrengt. Ich bin überzeugt, dass dieses Beispiel Schule machen wird.

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