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Die Marke als Qualitätsversprechen

Nur wenig ist schwieriger als der Aufbau einer starken Marke. Die tatsächliche Qualität eines Produktes ist ein wesentlicher Baustein, aber ohne die wahrgenommene Qualität nicht viel wert. Die Fachwelt spricht deshalb auch nicht vom First-Mover-, sondern vom First-Minder-Advantage.

Eine weltweite Studie der Unternehmensberatung Simon, Kucher & Partners zeigt, dass es zwei wesentliche Faktoren für die Preisdurchsetzungskraft eines Unternehmens gibt: der wahrgenommene Kundennutzen und die Marke. Je größer der zu erwartende Kundennutzen ist und je stärker eine Marke ist, desto höhere Preise können für ein Produkt verlangt werden. Bestes Beispiel dafür ist das neue iPhone X, das hierzulande für wohlfeile 1.149 Euro über die Ladentische gehen soll. Ob der Preis dem Kundennutzen oder doch eher der Strahlkraft der Marke zu verdanken ist, sei dahingestellt. »Von starken Marken profitieren sowohl die Unternehmen als auch die Gesamtwirtschaft«, ist Michael Brandtner, Spezialist für strategische Marken- und Unternehmenspositionierung, überzeugt. Mehr als acht Milliarden Euro setzen allein die rund 100 Mitgliedsunternehmen des Österreichischen Verbands der Markenartikelindustrie MAV im Jahr um. Dazu kommt laut MAV-Geschäftsführer Ernst Klicka, dass Marken die Treiber von Innovationen sind. »Wirklich neue Produkte und Innovationen können sich nur die gro­ßen Markenartikelhersteller leisten«, erklärt Klicka.

Darüber, was eine Marke ausmacht, wurden viele Bücher geschrieben. Klicka definiert die Marke als »ein Kennzeichnungs­element eines Produktes, das für eine gewisse Qualität und ein gewisses Vertrauen steht«. Die Marke müsse zudem für eine Geschichte stehen. Für Brandtner geben Marken »den Kunden die Sicherheit, die richtige Entscheidung getroffen zu haben«. Und für Ralf Tometschek von der Employer und Internal Branding Agentur Identitäter ist eine Grundfunktion der Marke »die Sicherheit, immer die gleich gute Qualität zu bekommen«.

Die Rolle der Qualität

Marken sind also untrennbar mit dem Begriff der Qualität verbunden. »Ein Markenartikel-Unternehmen zu sein, ohne dem Begriff der Qualität eine hohe Bedeutung beizumessen, ist unmöglich. Wenn Konsumenten eine Marke wie Persil, Schwarzkopf oder Loctite kaufen, erwarten sie eine ganz bestimmte Produktleistung«, erklärt Georg Grassl, General Manager Laundry & Home Care Österreich Henkel. Die Marke ist vor allem ein Versprechen, die damit verbundene Konsumenten-Erwartung nicht zu enttäuschen. Dabei müssen Marken nicht zwingend teuer sein, wichtig ist vielmehr, dass das jeweilige Qualitätsversprechen Marke für Marke strikt eingehalten werden muss. »Die einen bevorzugen Red Bull, die anderen den Energydrink von S-Budget oder Clever. Gefährlich ist es für Produkte, die dazwischen liegen«, sagt Brandtner und spricht vom »Tod der unprofilierten Mitte«. 

Das Beispiel der Energydrinks zeigt, dass eine starke Marke nie alle ansprechen kann und auch gar nicht soll. Eine Marke muss vielmehr exakt auf eine Zielgruppe ausgerichtet sein. Daran scheitern viele Unternehmen beim Markenaufbau. »Man versucht, alle anzusprechen und wundert sich letztlich, warum man niemanden wirklich erreicht«, sagt Brandtner. Eine zentrale Rolle im Markenaufbau spielt die Kommunikation. Vereinfacht gesagt sollte man in der Aufbauphase auf Public Relations setzen und in der Markenpflege auf klassische Werbung. »In der Presse wurde über Darmbakterien berichtet, lange bevor Actimel auf den Markt kam«, erklärt Tometschek die Funktions-weise.

Außerdem ist es für den Aufbau einer starken Marke hilfreich, wenn man einen Kategorie- und einen dazu passenden Markennamen hat: Der Kategoriename ist Energydrink, der Markenname Red Bull. Oder der Kategoriename Diskontfluglinie mit dem Markennamen Ryan Air. »Wenn es Ihrem Unternehmen gelingt, als Erster eine Kategorie in der Wahrnehmung der Kunden mit Ihrem Markennamen zu besetzen, dann haben Sie automatisch einen Startvorteil und auch eine höhere Qualitätseinschätzung«, erklärt Brandtner.

So gewinnt etwa Pepsi-Cola regelmäßig bei Blindtests gegen Coca-Cola. Erst ab dem Augenblick, ab dem offen verkostet wird, gewinnt Coca-Cola. Dieses Prinzip gilt für alle Marken, die ihre Kategorie in der Wahrnehmung der Kunden dominieren, egal ob Red Bull, iPhone, Google, Facebook, Amazon oder Nespresso.

Sich gegenüber den Platzhirschen »nur« über eine bessere Qualität durchzusetzen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Denn neben der tatsächlichen braucht es auch die wahrgenommene Qualität. »Der beste Weg zu wahrgenommener Qualität ist es, als Marktführer oder Original wahrgenommen zu werden«, erklärt Brandtner.

Im Automotive-Sektor gelingt das etwa Volvo in der Kategorie »Sicherheit« und Tesla in der Kategorie »Elektroautos«. Dabei hat Tesla das Elektroauto weder erfunden noch ist man Marktführer. Das weltweit meistverkaufte Elektroauto ist der Nissan Leaf. »Aber Tesla ist das erste Unternehmen, das die Kategorie Elektroauto mit der eigenen Marke in der Wahrnehmung der Kunden besetzt«, erklärt Brandtner. Deshalb  spricht man in der Welt der Markenführung auch nicht vom
First-Mover-, sondern vom First-Minder-Advantage.

Resilienz von Marken

Natürlich können Marken auch beschädigt werden. Die Größe des Schadens hängt von der Stärke und Resilienz der Marke ab. »Das Beispiel VW zeigt, dass starke Marken auch große Erschütterungen aushalten können«, erklärt MAV-Geschäftsführer Klicka. Auf die Absatzzahlen hatte der Dieselskandal keine oder nur geringe Auswirkungen. »Das Vertrauen in die Marke und wofür sie steht, nämlich hohe Qualität zu einem leistbaren Preis, ist anscheinend immer noch gegeben.« Die CO2-Emissionen waren hingegen nie ein relevanter Teil des Markenversprechens von VW.

Nachhaltigen Schaden nimmt eine Marke vor allem dann, wenn Kernversprechen nicht eingehalten werden. Das wäre beinahe Mercedes mit dem berühmten Elchtest passiert. Als die A-Klasse beim doppelten Spurwechsel umkippte, war den Stuttgartern Hohn und Spott sicher und die Marke zumindest kurzfristig arg ramponiert.

Aber Mercedes ging in die Offensive, rief alle Modelle zurück, verbesserte sie und stattete die A-Klasse mit dem damals noch wenig verbreiteten Stabilitätsprogramm ESP aus. Aus dem vermeintlichen Qualitätsdesaster wurde so ein Qualitätssprung. Mit dem Slogan »Stark ist, wer keine Fehler macht. Noch stärker, wer aus ihnen lernt« wurde sogar in der Werbung auf den Elchtest Bezug genommen. Damit kommunizierte man nicht nur Qualität, sondern signalisierte auch Stärke und Souveränität.

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