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"Rohstoffpolitik ist Beschäftigungsmotor"

Paul Rübig: "Von wenigen oder politisch sowie wirtschaftlich instabilen Regionen rohstofftechnisch abhängig zu sein, birgt natürlich das Risiko, prekäre Situationen weiter zu verschärfen. Das Umdenken hinsichtlich unseres Umgangs mit Ressourcen muss generell noch stärker werden." Paul Rübig: "Von wenigen oder politisch sowie wirtschaftlich instabilen Regionen rohstofftechnisch abhängig zu sein, birgt natürlich das Risiko, prekäre Situationen weiter zu verschärfen. Das Umdenken hinsichtlich unseres Umgangs mit Ressourcen muss generell noch stärker werden."

Im Interview mit Report(+)PLUS erklärt Paul Rübig, Mitglied des Europäischen Parlaments mit inhaltlichem Schwerpunkt auf Industrie, Forschung und Energie, die Rohstoffpolitik der EU, welche Rolle das Kreislaufwirtschaftspaket bei der Rohstoffsicherheit Europas spielen kann und warum mineralische Rohstoffe für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und Wirtschaft eine entscheidende Rolle spielen.

(+) plus: Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht der Abbau und Vertrieb mineralischer Rohstoffe in Europa – wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch? 

Paul Rübig: Europa muss bei volatilen und langfristig tendenziell steigenden Rohstoffpreisen seine Importabhängigkeit von endlichen Ressourcen weiter minimieren, gerade weil wir von wenigen und teils politisch sowie wirtschaftlich instabilen Ländern und Regionen abhängig sind. Zudem kommt kaum ein Bereich unserer Wirtschaft ohne mineralische Rohstoffe aus, das trifft vor allem auf jene Bereiche zu, die derzeit von rasanter Entwicklung geprägt sind wie Energie, Klima und Mobilität. 

 

(+) plus: Welchen Stellenwert hat das Thema auf politischer Ebene in Brüssel?

Rübig: Ganz generell zeigt sich die hohe Relevanz des Themas Rohstoffe an der horizontalen Einbettung rohstoffpolitischer Ziele in die verschiedensten Programme und Agenden der Europäischen Union. Ein wesentlicher Eckpfeiler ist dabei die im Jahre 2008 erstmalig vorgestellte Rohstoffinitiative der EU. Diese stützt sich grundsätzlich auf drei Ziele, nämlich die Sicherstellung gleicher, fairer Wettbewerbsbedingungen bei Rohstoffimporten aus dem EU-Ausland, die nachhaltige Strukturierung des Rohstoffabbaus innerhalb der EU sowie den Ausbau des Recyclings und der Ressourceneffizienz. 


(+) plus: Durch Ressourceneffizienz und verstärktes Recycling will die EU den Rohstoffverbrauch so weit senken, dass man von Importen nicht mehr abhängig ist. Wie realistisch ist dieses Szenario und wo steht Europa in diesem Prozess?

Rübig: Die Mitgliedsstaaten und Institutionen der Europäischen Union haben sich dieser Zielsetzung bereits angenommen. Wir stehen als Europäer vor der Herausforderung, dass wir aufgrund geologischer Gegebenheiten dazu gezwungen sind, viele wichtige Rohstoffe beinahe gänzlich zu importieren. Deshalb kommt dem Thema Ressourceneffizienz, mit dem sich derzeit in Verhandlung befindlichen Kreislaufwirtschaftspaket, tatsächlich besonders hohe Bedeutung zu. Auch wird versucht, weitere Anreize für Spitzenforschung in der Materialwirtschaft zu setzen, um die Importabhängigkeit auch durch Substitution zu vermindern.

 

(+) plus: Welche konkreten Schritte müssen gesetzt werden, um dieses Ziel zu erreichen?

Rübig: Unter anderem müssen wir es europaweit noch stärker vermeiden, wertvolle Rohstoffe, die in der Produktion dringend benötigt werden, auf Deponien zum Nachteil unserer Umwelt zu vergraben. Mit ambitionierten, aber machbaren Zielen sowie klareren, harmonisierten Definitionen und Kalkulationsmethoden können wir in den Mitgliedsstaaten noch weitere Verbesserungen erzielen und auch wirtschaftliche Chancen für unsere Betriebe und ihre Mitarbeiter schaffen. 

Darüber hinaus braucht es aber auch eine sinnvolle Ausgestaltung des legislativen Rahmens für KMU, wie zum Beispiel hinsichtlich der Registrierungspflicht für kleinere Mengen gefährlichen Abfalls, die in vielen Handwerksbetrieben anfallen. Die Europäische Volkspartei (EVP) hat sich daher im Europäischen Parlament für einen innovationsorientierten, pragmatisch-unbürokratischen Ansatz auf Basis der ambitionierten Zielsetzungen der Europäischen Kommission eingesetzt. Im nächsten Schritt beginnen jetzt die Verhandlungen mit dem Rat.

 

(+) plus: Wie steht es aus Ihrer Sicht um die Rohstoffsicherheit Europas hinsichtlich mineralischer Rohstoffe?

Rübig: Diese Frage lässt sich nicht in der Kürze ausreichend beantworten. Wir haben bei bestimmten Mineralen eine beinahe 

100 %-ige Selbstversorgungsquote und bei anderen Stoffen sind wir fast ausschließlich von Importen abhängig. Gerade bei den Hochtechnologiematerialien wie Kobalt, Platin, Seltenen Erden oder Titan ist die Versorgungssituation ausbaufähig. Führende Lieferregionen sind hier vor allem in China, Afrika und Südamerika. 

In der letzten Plenarsitzung wurde auch gerade eine interinstitutionelle Einigung zu Konfliktmineralen verabschiedet. Künftig müssen Mineralen wie Zinn, Tantal, Wolfram und Gold auf verantwortungsvolle Weise von den Unternehmen beschafft und deren Herkunft nachgewiesen werden. Ziel war es, die Lieferkette transparenter zu machen, um zu verhindern, dass der europäische Rohstoffmarkt dazu beiträgt, Revolten oder Menschenrechtsverletzungen in Konfliktregionen zu finanzieren. Wichtig war für uns bei dieser Verordnung auch die Aushandlung bestimmter Ausnahmeregelungen, dort, wo sie gebraucht werden und sinnvoll sind. Gerade KMUs, wie kleinere Industriebetriebe, Zahnärzte oder Juweliere, bleiben von der Regulierung freigestellt. Diese mit unangemessenen bürokratischen Auflagen zu belas­ten, wäre unverhältnismäßig und auch nicht zielführend.

Von wenigen oder politisch sowie wirtschaftlich instabilen Regionen rohstofftechnisch abhängig zu sein, birgt natürlich das Risiko, dadurch prekäre Situationen weiter zu verschärfen. Ich sehe diese Einigung als Schritt in die richtige Richtung, um uns hier besser aufzustellen. Allerdings muss das Umdenken hinsichtlich unseres Umgangs mit Ressourcen innerhalb Europas generell noch stärker werden.

 

(+) plus: Mineralische Rohstoffe sind sehr regionale Produkte. Braucht es dafür dennoch europäische Regeln und reicht da nicht die nationale Gesetzgebung? 

Rübig: Für mich ist Rohstoffpolitik auch Beschäftigungspolitik. Damit wir die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und Wirtschaft erhalten können, muss ein sicherer und beständiger Zugang zu mineralischen Rohstoffen gewährleistet sein. Ohne eine leistbare und nachhaltige Rohstoffversorgung kann ein modernes und leistungsorientiertes Europa im globalen Wettbewerb nicht bestehen. 

Die europäische Politik setzt sich genau deshalb dafür ein, die Importabhängigkeit zu vermindern, das Recycling von Rohstoffen unter harmonisierten Bedingungen voranzutreiben und den Sekundärmarkt für Rohstoffe zu stärken. Unser gemeinsames Handeln schafft dabei Effizienzgewinne, wir verbessern und lernen dadurch schneller voneinander, auch deshalb braucht es eine integrierte europäische Rohstoffpolitik. 

 

(+) plus: Welche konkreten Maßnahmen wollen Sie setzen?

Rübig: Die bereits laufenden Legislativprojekte gehen wie gesagt bereits in die richtige Richtung. Besonders das Kreislaufwirtschaftspaket, das vom Europäischen Parlament kürzlich in der ersten Lesung angenommen wurde, kann massiv dazu beitragen, dass wir künftig effizienter wirtschaften und weniger abhängig von Importen sind. Zudem wird mit einem zusätzlichen Wachstumseffekt am Bruttoinlandsprodukt der Europäischen Union von bis zu sieben Prozent bis 2030 gerechnet. 

In welcher Weise dieses Paket nun endgültig beschlossen wird, hängt nun von den Verhandlungen zwischen Rat und Parlament ab. Daneben setze ich mich auch weiter für eine konsequente Umsetzung und Implementierung der in der Rohstoffinitiative bereits dargestellten Ziele ein. Wir müssen weiter an der Rohstoffsicherheit für Europa arbeiten.  

Das reicht mir jedoch noch nicht. Seit langem spreche ich mich für eine integrierte Strategie für den Industriestandort Europa aus, um auf Basis unserer starken produzierenden Wirtschaft die Europäische Union auch für kommende Generationen zur Heimat der wettbewerbsfähigsten, innovativsten und nachhaltigsten Unternehmen zu machen. In diesem Zusammenhang bräuchte es zum Beispiel auch analog zu Natura 2000 ein genaues Mapping jener Flächen in Europa, die für moderne industrielle Produktion besonders geeignet sind. Ich bleibe dran.

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