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"Die regionale Wertschöpfung darf nicht verloren gehen"

Helmut Mödlhammer: Sein letztes Interview als aktiver Präsident des Österreichischen Gemeindebundes. Helmut Mödlhammer: Sein letztes Interview als aktiver Präsident des Österreichischen Gemeindebundes. Foto: Gemeindebund

In seinem letzten Interview als aktiver Präsident des Österreichischen Gemeindebundes spricht Helmut ­Mödlhammer über die Herausforderungen in der Arbeit und Verantwortung der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in einem breiten Themenspektrum von der Kinderbetreuung bis zur Rohstoffwirtschaft.

(+) plus: Sie treten nach 18 Jahren als Präsident des Gemeindebunds ab. Wie hat sich die Situation für die Gemeinden, wie haben sich die Themen, mit denen sich Gemeinden beschäftigen müssen, in dieser Zeit verändert?

Helmut Mödlhammer: In dieser Zeit hat sich praktisch alles verändert. Nicht wegen mir, sondern die Aufgaben und Anforderungen sind völlig anders als vor zwei Jahrzehnten. Manche Dinge sind heute eine Selbstverständlichkeit, die damals noch die Ausnahme waren. Wenn ich mir das Ausmaß und die Qualität der Kinderbetreuung anschaue, dann liegen da Welten zwischen 1999 und heute. Generell ist es so, dass die »Hardware« in den Gemeinden, also Straßen, Kanal, Wasser und anderes, weitgehend erledigt ist – da kommen wir jetzt schon seit Jahren in die Sanierungsphase. Immer wichtiger ist die »Software« geworden: Kinderbetreuung, Pflege, ein Klima, das Arbeitsplätze schafft und so weiter. Für die Gemeinden hat das eine große Fülle an Veränderungen gebracht.


(+) plus: Welche Rolle spielt die regionale Wertschöpfung in der Wirtschaft heute? Sind Sie mit dieser Rolle zufrieden?

Mödlhammer: Wir kämpfen ständig damit, dass diese regionale Wertschöpfung nicht verloren geht. Für mich ist unverständlich, warum man in Vergabeverfahren regionale Anbieter ausdrücklich nicht höher gewichten darf. Das ist absurd. Dem Gesetzgeber ist ein Bauunternehmen, das hunderte Kilometer weit weg ist, lieber als der regionale Baumeister, nur weil es ein oder zwei Prozent billiger ist. Das versteht niemand. Und dann wundert man sich, wenn die Gemeinden damit kämpfen müssen, dass die Leute nicht immer weiter auspendeln müssen. Zum Glück haben wir in den letzten Monaten gemeinsam mit der Innung und der Bauarbeitergewerkschaft ein Modell entwickelt, mit dem man im Rahmen des Bestbieterprinzips agieren kann. Es wurde ein einigermaßen taugliches Instrument entwickelt, das den Gemeinden die Durchführung von solchen Verfahren erleichtert und in dem man bestimmte Kriterien wie Qualität, soziale Kriterien oder Umweltanforderungen besser gewichten kann. Das ist ein wichtiger Fortschritt.


(+) plus: Bei vielen Themen ist der Bürgermeister auch als Mittler zwischen unterschiedlichen Interessen gefragt. Welche Herausforderungen sehen Sie hier? Hier ist ja auch Fachkenntnis in unterschiedlichsten Bereichen gefragt.

Mödlhammer: Heute ist ein Bürgermeis­ter ein Manager, kein Repräsentant. Er muss blitzartig Kompetenzen in vielen unterschiedlichen Bereichen aufbauen, wenn er gewählt wurde. Das ist schon ganz anders als früher. Auch die persönliche Verantwortlichkeit ist größer geworden, in vielen Fällen zu Recht. Es führt aber auch dazu, dass es immer schwerer wird, Menschen für dieses Amt zu gewinnen. Die Verantwortung und auch die Haftungen sind immens.


(+) plus: Wenn wir uns den Bereich mineralische Rohstoffe herausnehmen: Steinbrüche und Schottergruben werden von Anrainern oft sehr skeptisch gesehen. Wie groß ist das Spannungsfeld der Gemeinden zwischen wirtschaftlichen Interessen und der vermeintlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität? Was können Betreiber tun, um diese Thematik zu entschärfen?

Mödlhammer: Offene Kommunikation ist das Wichtigste. Man kann und soll solche Dinge nicht mehr im Hintergrund lösen und verhandeln. Die Leute wollen wissen, woran sie sind. Mit allen positiven und negativen Folgen. Aber natürlich müssen wir aufpassen, dass nicht jeder die Arbeitsplätze haben will, aber keine negativen Auswirkungen. Das wird nicht immer gehen, der Bereich der mineralischen Rohstoffe ist dafür ein gutes Beispiel.


(+) plus: Konnten mit dem Österreichischen Rohstoffplan aus Ihrer Sicht alle bestehenden Konflikte ausgeräumt werden?

Mödlhammer: Der Rohstoffplan ist ein wichtiger Schritt, eine Grundlage. Dauerhaft wird aber auch dieser Plan nicht alle Konflikte ausräumen können. Es ist jeder individuelle Fall einzeln anzuschauen und zu bewerten, so viele Regelungen kann man gar nicht haben.


(+) plus: Werden Gemeinden in Zukunft auch energieautonomer mit zunehmend lokaler, kleinteiligerer Erzeugung agieren?

Mödlhammer: Diese Entwicklung wird immer stärker. Gerade bei der Energieversorgung, etwa bei Hackschnitzelwerken oder in der Photovoltaik, verändert sich der Energiemix mit jedem Jahr und wird zunehmend kleinteiliger. Der Schlüssel wird sein: Wie können wir die erzeugte Energie am besten speichern? Davon hängt fast alles ab.



Fakten: Stellenwert der Gemeinden ist gestiegen

In 18 Jahren Amtszeit als Präsident des Österreichischen Gemeindebundes hatte Helmut Mödlhammer sieben Finanzminister, fünf Bundeskanzler und drei Bundespräsidenten als Ansprechpartner. In seiner Amtszeit gewann der politische Stellenwert der kommunalen Arbeit stark an Gewicht. »Bürgermeisterinnen und Bürgermeister treffen gemeinsam mit den Gemeinderäten Entscheidungen, die wirklich ins Leben der Leute hineinwirken, sei es in der Kinderbetreuung, der Schule, dem Straßenbau, der Freizeitgestaltung oder der Pflege«, betont Mödlhammer. 2.089 von 2.100 österreichischen Gemeinden sind Mitglieder des Gemeindebundes. Durch die Gemeindestrukturreform hat sich Anfang 2015 die Zahl von 2.354 auf 2.100 reduziert. Nur wenige Gemeinden haben mehr als ein paar tausend Einwohner, die kleinen Gemeinden des ländlichen Raumes dominieren die Landschaft.

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