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Willkommen in der Coaching-Zone

 

Die Angebote im Business Coaching reichen von Scharlatanerie bis zu fundierten, validen Methoden. Wann macht Coaching Sinn und wie sind Erfolge messbar?


Unzufriedenheit im Job, Leistungsdruck oder eine Richtungsentscheidung – Probleme wie diese können ganz einfach im Traum gelöst werden. Die Kölner Managementberaterin Birgitt Morrien schickt ihre Klienten auf »geführte Traumreisen« und an »Kraftquellen«, worauf sich deren geheimste Wünsche und neue berufliche Visionen offenbaren. Dutzende Fallbeispiele und Dankschreiben glücklicher Klienten schmücken Morriens Website.

Wem es an Konsequenz und Sicherheit fehlt, kann sich bei Patricia Fischer-Elfert von einem Hund coachen lassen. Die ehemalige Key-Account-Managerin bei Hewlett-Packard zeigt Führungskräften, was sie bezüglich Mitarbeiterführung von Vierbeinern lernen können. Die »coachdogs« brachten bereits Manager von L’Oréal und Deutsche Bank auf den Hund.

Alles Humbug oder fundierte wissenschaftliche Methodik? Die Grenzen sind fließend. Morrien greift etwa auf Erkenntnisse aus der Hirnforschung ebenso zurück wie auf psychoanalytische Rollenspiele und schamanische Rituale. Eine Studie des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität Hannover soll die Seriosität untermauern, u.a. vertrauten bereits das Management von Audi, RTL oder BASF darauf. »Morrien mischt beherzt fundierte Analyse und mentale Zukunftsexpedition zu einem erfrischend würzigen Gebräu, das es in sich hat: Ich habe meine Vision gefunden und werde das Thema in meinen Führungskräftetrainings weiter leben und bekannt machen«, bekennt auch Jürgen Ditz Schroer, ehemaliger Betriebsrat der Siemens AG in München, der inzwischen als Lerncoach selbst die Seiten wechselte.

Auch Neurolinguistisches Programmieren (NLP), eine Kommunikationstechnik, die in den 90er-Jahren für Furore sorgte, ist inzwischen höchst umstritten. Einige Experten sehen darin eine klassische Pseudowissenschaft, die Elemente etablierter Theorien übernimmt und damit den Anschein von wissenschaftlicher Seriosität erweckt, ihre Thesen aber nicht validiert. Dennoch ist NLP in Österreich eine anerkannte Methode innerhalb der Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater und Neurolinguistische Psychotherapie offiziell als Psychotherapiemethode anerkannt.

>> Ungeregelte Grauzone <<

So unüberschaubar wie das Angebot, differiert auch die Qualität zwischen schlichten Lebensweisheiten und tiefgreifenden Strategien. Schon in der Zielsetzung scheiden sich die Geister: Echtes Coaching bietet Hilfe zur Selbsthilfe – Verantwortung, Bewusstsein und Selbstreflexion werden gefördert, um den Zugang zu individuellen Lösungen zu ermöglichen. Einfache Ratschläge, passend für jede beliebige Lebenssituation, wären zwar praktisch, gibt es aber nicht.
Bei Stundensätzen von bis zu 200 Euro tummeln sich in der Branche aber auch jede Menge Scharlatane. Eine verbindliche Berufsausbildung gibt es nicht. Im Prinzip kann sich jeder Coach nennen, auch Heilpraktiker, Astrologen und ehemalige Spitzensportler. Neben einer Handvoll etablierter Institute offerieren inzwischen unzählige Kleinanbieter selbst kreierte Methoden, die aus psychotherapeutischen Ansätzen und esoterischem Hokuspokus zusammengewürfelt sind und mitunter von recht charismatischen Persönlichkeiten sehr überzeugend vermarktet werden.
Seit 1991 das Psychotherapiegesetz strenge Ausbildungskriterien fixierte, wechselten einige Vertreter dubioser Anwendungen in die weitgehend ungeregelte Grauzone Coaching. Der österreichische Dachverband Austrian Coaching Council (ACC) bemüht sich seit Jahren um verbindliche Qualitätskriterien. Wer als Professional Coach in die Datenbank aufgenommen will, muss die zweijährige Basisausbildung in einem der anerkannten Ausbildungsinstitute sowie umfassende Weiterbildungen und mehrjährige Berufserfahrung nachweisen können. »Das ist natürlich keine Garantie für die Fähigkeiten des Coaches, aber die Wahrscheinlichkeit erhöht sich, wenn er mindestens 100 Stunden Ausbildung absolviert hat«, sagt Michael Tomaschek, Obmann des ACC und Geschäftsführer der European Systemic Business Academy (ESBA). Seit kurzem besteht auch die Möglichkeit einer internationalen Zertifizierung nach ISO 17024, die vier Jahre Berufspraxis, 50 Stunden externe Persönlichkeits- und Selbsterfahrung, Zusatzausbildungen und eine schriftliche Abschlussarbeit erfordert.

Qualitätssiegel wie diese helfen bei der Wahl eines geeigneten Coaches. In Deutschland sorgen 27 Berufsverbände für Verwirrung – »dahinter stehen oft nur One-Woman- oder One-Man-Shows, die sich selbst zertifizieren«, meint Tomaschek. »Wir bekommen auch immer wieder Anfragen von Leuten, die sich zwar zum Coach berufen fühlen, aber nicht qualifiziert sind. Das sind beispielsweise Topmanager, die nach 30 Jahren ihr Wissen weitergeben wollen. Oder Leute, die eine Krebserkrankung überwunden haben und anderen Menschen in dieser Situation helfen möchten.« Susanne Gruber-Kolbesen, geschäftsführende Gesellschafterin der Personalberatung Homan & Statzer, absolvierte ihre Coaching-Ausbildung bei der ESBA, um ihr Beratungsangebot »mit einer theoretisch fundierten Basis« um den Bereich Coaching zu erweitern. Internationale Fachleute unter den Vortragenden vermittelten aber »mehr als reines Handwerk«, so Gruber: »Sie haben mir den Kopf geöffnet für das große Ganze.« Die Personalberaterin bietet zwar auch explizit Coaching an, setzt die erlernten Techniken aber inzwischen »fast in jedem zwischenmenschlichen Kontakt« ein, auch in den Auswahlgesprächen mit potenziellen Führungskräften und im Outplacement. Coaching  erfordere  viel Sensibilität: »Manche Kunden erwarten fertige Tipps und Tricks. Man muss im ersten Setting klarstellen, dass es das im Coaching nicht gibt.«

>> Dieselbe Sprache sprechen <<

Ein breiter persönlicher Erfahrungshorizont ist gut, aber nicht immer erforderlich. »Ein Arzt muss auch nicht alle Krankheiten gehabt haben, um sie behandeln zu können«, erklärt Michael Bock, der nach vielen Jahren als Projektmanager seit 2007 als selbstständiger Unternehmensberater und Coach tätig ist. Wichtiger sei »ein Gleichklang« zwischen Coach und Kunde: »Man muss dieselbe Sprache sprechen. IT-Leute verwenden zum Beispiel ein völlig anderes Vokabular«, sagt Bock.
Welche Methoden oder Kniffe aus seinem »großen Werkzeugkoffer« zur Anwendung kommen, entscheidet er individuell. »Oft hilft schon ein Wechsel der Perspektive. Die Menschen stehen oft vor einem riesigen, schwarzen, stinkenden Berg an Unmöglichkeiten und wissen nicht weiter. Den in kleine Teile zu zerbröseln, tut gut.« Gemeinsam mit Kollegin Monika Trampisch hat Bock das Beratungsunternehmen Take2NoLimits gegründet, das u.a. maßgeschneiderte Führungskräftetrainings und Coaching in Change-Prozessen anbietet.

Von Coaching allein kann kaum ein Anbieter leben, zumal sich in der Regel schon nach wenigen Sitzungen eine Lösung abzeichnet. Nach fünf bis zehn Treffen ist der Kunde meist in der Lage, sich aus der belas­tenden Situation zu befreien – umsetzen muss er die gemeinsam erarbeitete Strategie ohnehin selbst. Auch wenn ein regelmäßiger Seelen-Check »wie die jährliche Gesundenuntersuchung«, so Coach Michael Bock, allen Menschen gut täte.

 

> Regeln für erfolgreiches Coaching:

1. Auswahl des Coachs: Die Chemie zwischen Coach und Klient muss stimmen. Deshalb dient die erste Sitzung meist einem gegenseitigen »Beschnuppern«. Manchmal sind Branchenkenntnisse des Coachs von Vorteil. Zertifikate von renommierten Instituten garantieren eine umfassende Ausbildung des Coachs.
2. Freiwilligkeit: Die Bereitschaft zur Veränderung muss vom Klienten selbst kommen. Vom Chef verordnete Coachings sind von vornherein zum Scheitern verurteilt.
3. Zielsetzung: Zu Beginn sollte ein möglichst klares, motivierendes Ziel formuliert werden sowie ein Plan, wie dieses schrittweise erreicht werden kann. Je strukturierter vorgegangen wird, desto rascher sind Erfolge sichtbar.
4. Methode: Ein guter Coach verfügt über ein breites Repertoire an Methoden, die er je nach Situation und Verlauf einsetzt. Besonders wichtig sind die Fragen, mit denen der Klient gezielt zum Kern des Problems geführt wird. Bevorzugt man bestimmte Zugänge – z.B. Rollenspiele, energetische Rituale etc. –, sollte ein Coach mit entsprechender Qualifikation ausgewählt werden.
5. Lösungen: Der Coach gibt keine fertigen Lösungen vor, sondern hilft dem Klienten, sie selbst zu erarbeiten. Coaching kann Leistungen verbessern, zu neuen Aufgaben befähigen oder Klarheit in Entscheidungen und Veränderungsprozessen bringen. Der Coach öffnet dabei den Blick für neue Möglichkeiten.
6. Bilanz: Ob die neuen Erkenntnisse im Berufsalltag Bestand haben, zeigt sich meist erst nach einiger Zeit. Bei einer späteren Sitzung nach Abschluss des eigentlichen Coachings kann der Prozess evaluiert bzw. nachjustiert werden.
7. Grenzen: Im Coaching stehen der berufliche Kontext und damit verbundene persönliche und zwischenmenschliche Belange im Mittelpunkt. Coaching ist aber kein Ersatz für Führungsarbeit und keine Trainingsmaßnahme. Bei Depressionen, Sucht oder Traumata ist psychotherapeutische oder medizinische Hilfe angezeigt.

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