Die Fed vollzog auf ihrer jüngsten FOMC-Sitzung einen scharfen Schwenk. Noch im Dezember ging die Mehrheit der Mitglieder von bis zu drei Zinsschritten in 2019 aus, jetzt erwartet die Mehrheit keine Zinsanhebung im laufenden Jahr mehr. Der Leitzins (federal funds rate) bleibt damit in einer Spanne zwischen 2,25 und 2,50%. In 2020 könnte es vielleicht einen Zinsschritt geben. Oder auch nicht…
Außerdem wird das Vorhaben der Bilanzverkürzung, von dem es noch im Dezember hieß, es sei auf „Autopilot“, nun ab Mai bei den Staatsanleihen auf monatlich 15 Mrd. Dollar reduziert und soll im September beendet werden. Damit gibt die Fed ihren Plan auf, die Geldpolitik wieder zu normalisieren. Die Bilanz der Fed war in einer von 2008 bis 2016 anhaltenden gigantischen Misallokation von Kapital durch Anleihekäufe bis auf rund 4,5 Bill. Dollar angewachsen. Mittlerweile liegt der Wert unter vier Bill. Dollar und wird ab Oktober bei gut 3,5 Bill. Dollar seine Schrumpfkur beenden. (Wenn nichts dazwischen kommt)
Im Dezember war bei der Fed noch von einer US-Wirtschaft in einer soliden Verfassung die Rede, jetzt senkten die Währungshüter ihre BIP-Prognose für 2019 von 2,3% auf 2,1% Wachstum, in 2010 soll der Zuwachs dann nur noch 1,9% (zuvor 2,0%) betragen. Die Inflationserwartungen wurden ebenfalls leicht nach unten revidiert. Auch bei der Arbeitslosenquote zeigt man sich nun weniger optimistisch.
Die am zurückliegenden Freitag veröffentlichten Einkaufsmanagerindizes bestätigen die Sichtweise einer sich deutlich abschwächenden Weltkonjunktur. Diese „Flash-PMIs“ für März sind für die USA, aber auch für die Eurozone und erst recht für Deutschland deutlich gesunken.
Der Einkaufsmanagerindex für die deutsche Industrie kommt mit 44,7 Punkten auf ein 79-Monats-Tief gesunken und fällt gegenüber Februar um nochmals 2,9 Punkte. Damit befindet sich die deutsche Industrie in einer ausgewachsenen Rezession. Der Einkaufsmanagerindex für die gesamte deutsche Wirtschaft kommt im März, hoch gehalten durch einen soliden Servicesektor, auf 51,5 Punkte. Ein Wert oberhalb von 50 Punkten signalisiert Expansion, aber das Wachstum war im März so gering wie seit Anfang 2014 nicht mehr. Da das Neugeschäft in der Industrie im März so stark kontrahierte wie seit April 2009 nicht, ist davon auszugehen, dass diese Entwicklung noch anhält. Damit ist es nur eine Frage der Zeit, wann dieser Indikator für die wirtschaftliche Gesamtentwicklung in den kontraktiven Bereich sinkt.
Die Eurozone insgesamt präsentiert sich nicht ganz so finster. Das Wirtschaftswachstum ging im März wieder etwas zurück. Auch hier das gleiche Bild, der Dienstleistungssektor zeigt sich relativ stabil. Insgesamt sieht es hier eher nach einer milden Kontraktion bis Stabilisierung aus.
In den USA ging der Flash-PMI im März um 1,2 auf 54,3 Punkte zurück und erreicht ein sechs-Monats-Tief. Der Index für die Industrie kommt aktuell mit 52,5 Punkten auf den niedrigsten Wert seit Juni 2017. Die Niveaus der Indices liegen klar über den Pendants in Europa. Die Tendenz zeigt jedoch abwärts, was die Ausrichtung der Fed untermauert.
Wenn also die Aussichten für die dargestellten Wirtschaftsräume unisono nach unten weisen – wie lange können sich Aktien dann noch oben halten? Am Donnerstag hatte man noch mit dem Rückenwind einzelner, besser als erwartet ausgefallener Makrodaten und der Aussicht auf ein Ende der geldpolitischen Restriktionen versucht, die Kurse weiter hoch zu treiben. Der S&P 500 kam per Schlusskurs auf weniger als drei Prozent an sein Allzeithoch heran.
Einen Tag später, am zurückliegenden Fraitag jedoch kam die Ernüchterung, der S&P 500 verlor 1,9%. Der VIX, der Angstmesser im S&P 500, schoss um fast 21% in die Höhe und schloss über seiner EMA50. Ein Teil der Zinsstruktur, die Differenz zwischen den zehnjährigen TNotes und den 13-wöchigen TBills kam intraday nahe an Null heran, eine ernste Warnung vor einer Inversion, die im allgemeinen mit einer Rezession einhergeht.
Wer den starken Kursrutsch bei Aktien im vierten Quartal 2018 hauptsächlich mit den Unsicherheiten hinsichtlich des Handelsstreits USA-China und der „unverbesserlich“ auf steigende Zinsen und ingesamt eine Normalisierung der Geldpolitik ausgerichtete Fed in Verbindung bringt, kann zu dem Schluss kommen, dass das Umfeld für Aktien intakt ist. Schließlich wurden mit dem auf dem FOMC-Treffen im Januar zart angedeuteten und jetzt vollzogenen Schwenk der Fed, wie auch mit den optimistischeren Tönen hinsichtlich Fortgang der Verhandlungen im Handelsstreit zwei wichtige Stolpersteine aus dem Weg geräumt.
Diese Sicht ist aber zu kurz gegriffen. Nachdem das US-BIP im zweiten Quartal 2018 mit +4,2% Zuwachs ein lokales Maximum erreicht hatte, gingen die Steigerungsraten in den beiden folgenden Quartalen auf 3,4%, bzw. 2,6% zurück. Für das erste Quartal 2019 liegen die Schätzungen bei deutlich unter zwei Prozent. Eine solche Tendenz zeigt auch der „Echtzeit-Indikator“ für das BIP, das Produkt aus Zahl der Arbeitsplätze und wöchentlichen Arbeitsstunden, wie er zuletzt hier dargestellt wurde. Gleichzeitig wurde im September 2018 beim jährlichen Gewinnwachstum (gemittelt über die 12 zurückliegenden Monate) mit knapp 22% ein Topp erreicht. Aktuell liegt das Gewinnwachstum fast sechs Prozent tiefer.
Neben den PMI-Indikatoren von Markit IHS (s.o.) gibt es einige andere Signale, die darauf hindeuten, dass die US-Wirtschaft nicht in bester Verfassung ist, gleichzeitig aber auch noch kein Boden in Sicht ist. Einige wurden bereits hier diskutiert. Die Einzelhandelsumsätze zeigen deutlichen Tempoverlust, sie kommen aufs Jahr gesehen per Januar noch auf einen Zuwachs von 2,28%, im August betrug er noch fast 6,4%. Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe stellen einen Frühindikator für die Entwicklung am Arbeitsmarkt dar – hier zeichnet sich eine Bodenbildung (der Indikator wird wöchentlich auf der Startseite aktualisiert), die sich verschlechternde Bedingungen am Arbeitsmarkt anzeigt. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze zeigte zuletzt ebenfalls Schwäche, die nächsten Monate werden zeigen, ob der schlechte Wert für Februar ein Ausreißer war (siehe hier).
Die Rahmenbedingungen für einen weiteren Aufwärtskurs bei Aktien sind damit einigermaßen ungünstig. Das heißt nicht zwangsläufig, dass diese hier und jetzt ins Bodenlose abstürzen müssen. Eine Einigung im Handelsstreit würde mit Sicherheit von bullischen Akteuren zum Anlass genommen, eine neue Wachstumsphantasie auszurufen.
Alles in allem dürfte aber die gegenwärtige lange konjunkturelle Aufwärtsphase zügig ihrem Ende entgegenlaufen. Angesichts der seit der Finanzkrise fröhlich weiter gestiegenen Verschuldung ist damit die Gefahr eines Betriebsunfalls mit Kaskadeneffekten deutlich gestiegen und dementsprechend fragil ist das gesamte Wirtschaftsgebäude.
Das Prädikat „fragil“ ist auch auf das jüngste Geschehen bei Aktien anwendbar. Auffallend ist im S&P 500, dass es vom Boden zur Jahreswende bei 2353 nicht einmal ansatzweise einen erneuten Test dieses Bereichs gab. Das ist meiner Meinung nach kein Zeichen bullischer Stärke, das Gegenteil ist der Fall. Auch das legt nahe, dass auf kürzere Sicht zumindest eine deutliche Korrektur ansteht. In diesem Sinne sind auf der Unterseite des aktuellen Standes des S&P 500 folgende Pegel von Belang: 2788 liegt bereits in Reichweite des freitäglichen Schlusskurses von 2800,71. Dann kommt das 62er Retracement des Abstiegs zwischen Anfang Oktober und Jahreswende bei 2710 ins Visier. Bedeutsamer ist die Zone um 2640, hier liegt einerseits das 50er Retracement, andererseits gibt es hier weitere statische Support-Pegel. Im Bereich des 38er Retracements bei 2575 schließlich liegen Tiefs aus den ersten vier Monaten 2018. Unterhalb dieser Zone ist die Kellertüre offen.
Die Widersprüche zwischen den Aussagen vieler Makroindikatoren und dem Stand der Aktienkurse werden immer größer. Die nachlassende wirtschaftliche Dynamik wird immer deutlicher. Dementsprechend nimmt die Wahrscheinlichkeit einer Korrektur bei Aktien immer mehr zu. Der S&P 500 sieht fragil aus, nennenswerte Rücksetzer, die die jüngste Aufwärtsbewegung solider machen würde, hat es seit dem Boden zu Jahresbeginn nicht gegeben.