Das US-BIP ist im dritten Quartal nach erster (“vorläufiger“) Schätzung um annualisiert real 3,5% gestiegen. Im Vorquartal betrug der Zuwachs 4,2%. Das „fühlt“ sich gut an, zumal die Erwartungen mit 3,3% niedriger lagen. Aber der Teufel steckt im Detail.
Der Beitrag des Konsumsektors legte um 0,11% gegenüber dem Vorquartal zu. Die verfügbaren Haushaltseinkommen wuchsen um annualisiert 180 Dollar, die Sparquote liegt kaum verändert bei 6,4%. Die Verbraucherausgaben (Güter und Dienstleistungen) trugen 2,69% zum BIP-Ergebnis bei.
Der Beitrag der staatlichen Verbrauchsausgaben zum BIP stieg um 0,13% gegenüber dem Vorquartal und macht jetzt 0,56% aus. Der Trend ist hier seit dem Schlussquartal 2017 aufwärts gerichtet.
Der BIP-Beitrag der Exporte schrumpfte, und zwar um 1,57% gegenüber dem Vorquartal. Ebenso sank der Beitrag der Importe im Quartalsvergleich um 1,44%. Die Einfuhrzölle zeigten (scheinbar noch) wenig Wirkung – die Importe stiegen aufs Jahr gesehen um 9,1%. Umgekehrt schrumpften die Exporte zum ersten Mal in 30 Monaten (-3,5%). Das Defizit der Netto-Exporte hat sich im Quartal um fast 100 Mrd. Dollar ausgeweitet und leistete damit einen Beitrag zum BIP-Ergebnis von -1,79%.
Der Beitrag der Geschäftsinvestitionen fiel mit -0.04% knapp in den negativen Bereich, zuletzt war das im vierten Quartal 2015 der Fall. Im zweiten Quartal lag der Beitrag noch 1,14% höher, bei 1,10%. Im ersten kam er auf 1,34%, im Schlussquartal 2017 auf 1,04%. Es scheint, als habe sich damit die Wirkung der Steuerreform bereits erschöpft.
Die BIP-Veranstaltung wurde gerettet durch seine volatilste Komponente. Die Lagerbestände erhöhten sich um mehr als 76 Mrd. Dollar gegenüber dem Vorquartal und leisteten damit einen Beitrag von 2,07% zum BIP, 3,24% mehr als im Vorquartal. Die Erhöhung der Lagerbestände macht damit mehr als die Hälfte der BIP-Entwicklung aus (Chartquelle).
Auch wenn unter dem Strich also eine positive BIP-Entwicklung steht – der starke Aufbau der Lagerbestände ist kein tragfähiges Fundament für eine positive BIP-Entwicklung, leistet doch die spätere Reduktion der Lagerbestände dann einen negativen Beitrag. Wird der Lagereffekt aus der BIP-Entwicklung herausgerechnet, kommt der BIP-Zuwachs in Q3 auf annualisiert real 1,42%, im Vorquartal lag er demnach bei 5,33% – macht eine Differenz von 3,91%.
Noch ein Punkt auf der Negativ-Liste: Das Statistikamt nimmt für das dritte Quartal einen Deflator von annualisiert 1,65% an. Der CPI-U-Index lag im gleichen Zeitraum jedoch bei 1,83% (der CPI (CPIAUCSL) kam im September auf 2,3%, der von der Fed besonders beachtete PCE-Preis-Indikator (PCEPILFE) kam im August auf 2,0%). Eine Unterbewertung der Inflation führt zu höheren realen Wachstumsraten. Wendet man die CPI-U-Inflation auf die nominalen BIP-Daten an, läge die reale BIP-Steigerung lediglich bei annualisiert 3,11%.
Positiv zu vermerken ist die Entwicklung der Konsumausgaben, insbesondere die bei langlebigen Gütern. Sie übertrafen die Erwartungen und lagen mit einem jährlichen Zuwachs von 4% auch über dem schon starken Wert des Vorquartals (+3,8%). Die Investitionen in Wohngebäude dehnten allerdings ihren negativen Trend aus und kontrahierten mit –4% das fünfte Quartal innerhalb der zurückliegenden sechs.
Aus der festen Entwicklung der Konsumausgaben und des weiterhin expandierenden Arbeitsmarktes kann man zwar die Hoffnung schöpfen, dass ein starkes Weihnachtsgeschäft nicht nur zum Abverkauf von Lagerbeständen, sondern eventuell sogar zu einem erneuten Aufbau führt. Aber wie groß ist die Wahrscheinlichkeit eines solchermaßen positiv beeinflussten BIP-Verlaufs angesichts der bereits sehr niedrigen Arbeitslosenquote? Zudem ist das Verbrauchervertrauen anhaltend gut, seit Anfang 2017 besser als in der meisten Zeit zwischen 2001 und 2007 und nahe an den Hochpunkten aus 2000. Wo kommt da noch Potenzial für eine weitere deutliche Verbesserung her?
Hinzu kommt: Die Erwartungen der Unternehmen an den positiven Verlauf des Weihnachtsgeschäfts müssen sehr hoch sein. Zum Vergleich: Im dritten Quartal 2017 lag der Beitrag der Lagerbestände zum BIP mit 1,04% nur halb so hoch wie jetzt und gegenüber dem Vorquartal nur 0,81% höher (jetzt 3,24%). Demzufolge ist das Enttäuschungspotenzial im Einzelhandel erheblich.
Auch der Verlauf der Investitionstätigkeit gibt Anlass für Bedenken. Am zurückliegenden Donnerstag wurden die neuen Aufträge für Kapitalgüter (ex Waffen, ex Flufzeuge) aktualisiert. Sie stiegen im September nur noch um 1,9% gegenüber dem Vorjahr. Im August lag der Wert noch bei 7,8%. Im Dezember 2016, nach der Wahl von Trump zum US-Präsidenten, waren sie zum ersten Mal seit Oktober 2014 wieder in positives Terrain vorgedrungen und hatten in der Spitze im September 2017 um 13,3% zugelegt (Chartquelle).
Nicht besser sieht es mit den Equipment-Investitionen in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung aus. Hier betrug der jährliche Zuwachs im dritten Quartal zwar noch 5,8%, er ist auch seit dem ersten Quartal 2017 positiv. Aber der Wert hatte im vierten Quartal 2017 mit +9,6% bereits seine jüngste Spitze erreicht. Die Bestandsgröße verläuft seit dem zweiten Quartal flach auf dem höchsten Niveau seit 2008 (Chartquelle).
Damit lautet die Botschaft der aktuellen BIP-Entwicklung trotz des guten Zuwachses in der Schlagzeile: Aufpassen, hier bahnt sich eine negative Entwicklung an. Vielleicht ist es noch etwas früh, die eingeschlagene Richtung einfach fortzuschreiben, aber die von manchen erhoffte Wirkung der Steuerreform scheint sich nicht nachhaltig in der Investitionstätigkeit niederzuschlagen. Stattdessen gibt es offenbar sehr hohe Erwartungen an die anhaltende Stärke des Konsumsektors und das Weihnachtsgeschäft. Ich würde sagen, diese Erwartungen sind unrealistisch hoch.
Ob dieses Enttäuschungspotenzial mit der jüngsten Kursentwicklung auch bei Einzelhändlern schon abgearbeitet ist? Wenn nein, dann könnte das z.B. über Amazon die den Aktienaufschwung in der zurückliegenden Phase maßgeblich tragende FAANG-Gruppe noch weiter drücken und damit die breiten Aktienindices belasten (Facebook, Apple, Amazon, Netflix, Google).
Die Entwicklung von Exporten und Importen im dritten Quartal zeigt zweierlei: Erstens wurde offenbar im Vorgriff auf die Auswirkungen des Zollstreits viel importiert. Das hat sich in der Lagerentwicklung niedergeschlagen, drückt aber das BIP. Wenn wegen der wirksam werdenden Einfuhrzölle nun die Importe deutlich sinken, bringt das einen wieder besser werdenden BIP-Beitrag. Wenn gleichzeitig die Exporte weiter schrumpfen (auch bei festem Dollar), hätte das einen negativen Effekt. Per Saldo dürfte aus dieser Richtung wenig Phantasie für die künftige BIP-Entwicklung kommen.
Somit bleibt: Der Handelsstreit schlägt sich nun in der Entwicklung der US-Wirtschaft negativ nieder. Die Erwartungen an die anhaltende Stärke des Konsumsektors sind (sehr) hoch. Die Investitionstätigkeit ist anemisch. Eine giftige Mischung…