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Hat Gold fertig?

Der Goldpreis ist zuletzt stark eingebrochen. Einige Beobachter sehen als Ursache hierfür einen möglichen Zinsschritt der Fed im Dezember, sowie das Gerücht, die EZB könnte ihr bis März 2017 laufendes QE-Programm mit geringeren Monatsraten als bisher fortsetzen. Wieder andere sehen einen Zusammenhang zu anhaltend dis-inflationärer Entwicklung.

Zu Jahresbeginn hatte der Preis des „Krisenmetalls“ in Dollar eine Rallye gestartet, die ihn von der Unterseite eines aus Mitte 2013 stammenden, abwärts gerichteten Kanals (dicke, dunkelblaue Linien) über dessen Oberseite bis auf über 1350 führte. Anfang Juli begann jedoch eine zunächst zögerliche Abwärtsbewegung. Vor einigen Tagen wurde der Support-Pegel bei rund 1310 mit hoher Dynamik gebrochen. Bei diesem Pegel liegt zugleich das 50er Retracement des Ende 2008 gestarteten Aufwärtsimpulses, der im August 2011 beim Rekordhoch bei 1900 endete (Chartquelle). Aktuell steht der Preis mit 1257 knapp über der Oberseite des Abwärtskanals.

 

 

Sollte die Oberseite des erwähnten Abwärtskanals nicht halten (gegenwärtig bei rund 1243), dürfte zunächst der Pegel bei 1200 ins Visier genommen werden. Darunter liegt bei rund 1170 das 62er Retracement des Aufwärtsimpulses. Hält auch dieser wichtige Punkt den Kursverfall nicht auf, dürfte die Unterseite des Abwärtskanals bei gegenwärtig 1020 relevant werden.

 

Bietet im positiven Fall die Oberseite des erwähnten Abwärtskanals Support, sollte zügig auch wieder das 50er Retracement genommen werden. Ansonsten dürfte die eingeleitete Abwärtsbewegung weiter gehen. Tom McClellan zeigt in seinem aktuellen Newsletter, dass starke, über wenige Tage gehende Einbrüche bei Gold in der Regel noch keinen Preisboden anzeigen. Das endgültige Tief dürfte noch auf sich warten lassen, schreibt er.

 

Der Goldpreis zeigt seit Jahresbeginn gegenüber der realen Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen relative Stärke, ebenso wie auch gegenüber den Inflationserwartungen, die aus der Differenz der beiden Renditen gebildet wird. Nach statistischem Bestimmtheitsmaß besteht zwischen diesen Zeitreihen lediglich ein mäßig signifikanter Zusammenhang. Preiserwartungen spielen bei der Goldpreisentwicklung aktuell eine eher untergeordnete Rolle.

 

Die Veränderungen des Goldpreises lassen sich durch die nominale Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen (TNX) nur sehr unzureichend erklären: Das Bestimmtheitsmaß R² zwischen beiden Zeitreihen weist seit dem Peak bei Gold im August 2011 einen Wert von lediglich 12% auf.

 

 

Zwischen dem Topp des Goldpreises und August 2007 kam R² auf 28% – das zeigt zwar einen engeren, aber immer noch keinen wirklich engen Zusammenhang. In diese Zeit fielen deutlich markantere Bewegungen bei beiden Basiswerten als in den zurückliegenden Jahren seit dem Peak bei Gold. Ich glaube nicht, dass die Bewegungen an der Zinsfront, und hierzu zählen auch Veränderungen im QE-Programm der EZB, Bewegungen beim Goldpreis aktuell gut erklären können. Bei den früher, erst recht vor 2009, höheren Zinsen mag das noch anders gewesen sein.

 

Von Jahresbeginn an zeigte der Goldpreis bis vor einigen Tagen noch relative Stärke gegenüber dem Verlauf des S&P 500, aktuell verhalten sich beide zueinander neutral. Dem vorausgegangen war eine seit April 2012 mit kurzer Unterbrechung um den Jahreswechsel 2012/2013 anhaltende Phase relativer Schwäche des Goldpreises.

 

 

Von Oktober 2007 bis April 2012 wies der Goldpreis im wesentlichen relative Stärke auf, diesen gut vier Jahren folgte eine nicht ganz so lange Zeit relativer Schwäche (Ausschlag der türkisen Zeitreihe im oberen Chart nach unten). Der Zusammenhang beider Zeitreihen ist nach Bestimmheitmaß mit R²=79% signifikant. Weil dieser Zusammenhang so ausgeprägt ist, vermute ich, dass die relative Stärke des Goldpreises noch weiter bestehen bleibt. (Die Betonung liegt dabei auf „relativ“, der Bedingung wäre im Prinzip schon Genüge getan, wenn der Aktienindex stärker fällt als der Goldpreis.)

 

Der Goldpreis dürfte eine gewisse Unterstützung durch saisonale Effekte erhalten, die Nachfrage nach Goldschmuck steigt gewöhnlich zum Jahresende hin an. Ich halte das allerdings für wenig bedeutend.

 

Nach wie vor glaube ich, dass die stärkste Unterstützung für Gold in seiner Eigenschaft als Krisensicherung liegt. Dabei kann es durchaus sein, dass der Goldpreis eine zeitlang vor Ausbruch einer Krise sinkt. Das war z.B. seit April 2008 der Fall, als Gold und Aktienindex zusammen sanken. Der Bankrott von Lehman Bros war Mitte September. Zunächst fielen beide Basiswerte noch weiter. Gold fand allerdings alsbald danach einen Boden, der S&P 500 stabilisierte sich erst rund vier Monate später.

 

Auch wenn sich dieses Schema nicht eins zu eins auf heute übertragen lässt, zeitweilige Schwäche beim Goldpreis gehört dazu. Und die wirtschaftlichen Perspektiven haben sich keineswegs so verbessert, dass eine Krise in weite Ferne rückt. Im Gegenteil – Blasen werden an allen Ecken und Enden gezüchtet.

 

So auch bei Aktien. Deren Bewertung ist gemessen am „Buffet-Indikator“, dem Verhältnis der Marktkapitalisierung aller Aktien zum BIP, extrem angestiegen. Auch wenn er noch unter dem Peak der Dotcom-Blase liegt, so gibt es zumindest seit den früheren 1950er Jahren keine vergleichsweise hohe Bewertung. Ähnliches gilt für das Verhältnis von Marktkapitalisierung und Unternehmensgewinnen. Auch hier ist das Niveau der Dotcom-Blase nicht erreicht, aber der Wert steht nicht weit unter dem oberen Rand seines historischen Bereichs zwischen 4 und 16. Dem Niveau von 16 folgte 1987 der Oktober-Crash.

 

 

Die Unternehmensgewinne sind eine zeitlang schneller gestiegen als das BIP, weil das Wachstum der Löhne und Gehälter stagnierte. Der Chart zeigt, dass das Verhältnis zwischen Löhnen/Gehältern und Nettowertschöpfung vom Dotcom-Peak bei 77% aus in 2015 auf ein Tief von 67% gesunken ist. Im selben Zeitraum ist das Verhältnis von Unternehmensgewinnen zu Nettowertschöpfung von rund 5% auf rund 14% in 2015 gestiegen.

 

 

Seit 2015 steigen Löhne und Gehälter allerdings an, weil der Arbeitsmarkt allmählich angespannter wird. Gleichzeitig sinken die Unternehmensgewinne als Anteil der Nettowertschöpfung. Üblicherweise steigen die Gewinne nach einer Rezession an, die Arbeitskosten sinken. Wenn sich dann der Arbeitsmarkt seiner Kapazitätsgrenze nähert, sinken die Profite. Dann ist die Zinspolitik gefordert, um die Inflation zu dämpfen – üblicherweise.

 

Geht die 2015 eingeleitete Entwicklung weiter, dürften die Arbeitskosten innerhalb der nächsten 12 bis 18 Monate auf 72% der Nettowertschöpfung kommen – ein Wert, bei dem in der Vergangenheit immer Phasen steigender Zinsen eingeleitet wurden, weil dann das Aufkommen stärkerer lohninduzierter Preissteigerungen vermutet wurde. Wenn sich dann der 2015-er Peak im Verhältnis von Profiten zu Nettowertschöpfung als signifikantes lokales Maximum bestätigt, ist das ein Signal, das die Aktienparty vorbei ist und man sich ins Lager der langfristigen Aktienbären schlagen sollte (h/t Colin Twiggs – auch die zwei letzten Charts; Originalquelle der Charts hier).

 

Die jüngsten Arbeitsmarktdaten für September brachten einen Zuwachs an neuen Stellen unterhalb der Erwartungen. Der Jahreszuwachs von 1,7% liegt deutlich unter der zuletzt im Februar 2015 erreichten Spitze von nahezu 2,3%. Unwahrscheinlich, dass das Jobwachstum vor Beginn der nächsten Rezession wieder auf einen solchen Wert ansteigt, es dürfte im Gegenteil zu weiter anhaltender Verlangsamung kommen. Der jährliche Zuwachs der durchschnittlichen Löhne und Gehälter im privaten Sektor lag im Februar 2015 bei 1,6%. Danach stieg er recht schnell auf 2,6% im Dezember 2015, seither bewegt er sich zwischen 2,3% und diesem Niveau. Die Lohnkosten sind damit gegenüber September 2015 um gut 4,5% gestiegen, im Dezember 2015 lag die Steigerung bei 5,0%. Die Spitze vor der Finanzkrise lag im April 2006 bei 7,5%, vor Platzen der Docom-Blase lag das Topp im Mai 1998 bei 10,8%.

 

Die jetzt anlaufende Saison der Q3-Quartalsberichte wird auch als Prüfstein dafür dienen, wie sehr sich die steigenden Lohnkosten auf die Gewinnentwicklung niederschlagen. Gegenwärtig wird erwartet, dass das Tief der Gewinnentwicklung erreicht ist und im Jahresvergleich ein Zuwachs von unter einem Prozent erreicht wird. Dabei stehen insbesondere die Energieunternehmen im Fokus, die in den zurückliegenden Quartalen die Entwicklung besonders belastet haben.

 

Die Frage ist, ob diese Erwartungen sich erfüllen und eine schnelle Verbesserung bei der Gewinnentwicklung einsetzt, die das erreichte hohe Bewertungsniveau rechtfertigt. Wenn nicht, ist die Aktienblase in Gefahr. Wann auch immer sie dann platzt, der Goldpreis sollte (mit zeitlicher Verschiebung) davon profitieren.

 

Der Goldpreis ist zuletzt eingebrochen, der Boden ist wahrscheinlich noch nicht erreicht. Häufig wird die Zinsentwicklung als wichtiger Beweggrund für die Goldpreis-Entwicklung gesehen. Das trifft auf die Zeit seit Herbst 2011 nicht zu. Der Goldpreis bezieht seine wesentliche Phantasie aus dem Krisenaspekt, bzw. das Platzen relevanter Preisblasen an den Finanzmärkten. Die Aktienmärkte entwickeln eine solche, gleichzeitig kommt der Arbeitsmarkt an seine Kapazitätsgrenze, was die Gewinnentwicklung behindert und die Aktienbewertungen steigen lässt. Auf die Entwicklung dieser Blase muss man achten. Die anlaufende Quartalssaison ist hierfür von besonderer Bedeutung.

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