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»Wir schaffen nicht künstlich einen Markt, sondern stillen ein Bedürfnis«

Foto: »Wenn den mineralischen Baustoffen in Österreich Steine in den Weg gelegt werden, dann kommen die Baustoffe aus dem Ausland. Denn der Bedarf ändert sich ja nicht«, ist Andreas Pfeiler überzeugt. Foto: »Wenn den mineralischen Baustoffen in Österreich Steine in den Weg gelegt werden, dann kommen die Baustoffe aus dem Ausland. Denn der Bedarf ändert sich ja nicht«, ist Andreas Pfeiler überzeugt.

Im Interview mit Report(+)PLUS spricht Andreas Pfeiler, Geschäftsführer Fachverband Steine-Keramik, über notwendige konjunkturbelebende Maßnahmen, die Aufgaben der Interessenvertretung in Zeiten der Krise und den Beitrag der Baustoffindustrie zum Klimaschutz.

(+) plus: 2020 hat bei uns allen tiefe Spuren hinterlassen. Wie ist das abgelaufene Jahr für die Mitglieder des Fachverbands Steine-Keramik gelaufen?

Andreas Pfeiler: Die Bauzulieferindustrie ist wie die Bauwirtschaft im Vergleich zu anderen Branchen verhältnismäßig gut durch das Jahr gekommen. Es hat natürlich Rückgänge gegeben, aber im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen. Der Bau hat sich einmal mehr als Fundament unserer Wirtschaft herauskristallisiert. Einzelne Branchen  aus dem Industriezulieferbereich, die stark an der Automobil- und anderen Industrien hängen, hat es aber schon sehr hart getroffen.

(+) plus: Ist mit einer steigenden Zahl an Insolvenzen zu rechnen?

Pfeiler: Das glaube ich nicht, weil die Unternehmen großteils noch gut aufgestellt sind. Aber um einen Mitarbeiterabbau werden manche leider nicht herumkommen. Im Gegensatz zu den Bauzulieferern sind viele Industriezulieferer  sehr lange in Kurzarbeit gewesen -die haben wirklich ein Problem. Im Baubereich hingegen gab es zu Beginn der Krise eine kurze Phase der Unsicherheit, die von den Sozialpartnern gemeinsam entschärft wurde. Danach haben viele kleine Projekte die Auftragslücke der ausbleibenden größeren Neubauprojekte gefüllt - viele Häuslbauer haben die Zeit genutzt.

Die Frage wird sein, was 2021 bringt. Sorge bereitet vor allem die Lage der Kommunen. Sie schreiben Verluste in Millionenhöhe, wie sollen da Investitionen in die Infrastruktur getätigt werden. Deshalb glaube ich auch, dass 2021 die deutlich größere Herausforderung sein wird. Auch wenn die Generalverkehrspläne eine gewisse Grundversorgung absichern, davon profitieren aber vor allem die großen, überregional tätigen Unternehmen.

(+) plus: Wann rechnen Sie mit einer Erholung?

Pfeiler: Wir sind grundsätzlich Optimisten. Beim Wohnbau sieht es auch derzeit nicht schlecht aus. Was uns ebenfalls einen Auftrieb geben könnte, ist der Siegeszug des Homeoffice. Auch nach Corona wird das Homeoffice Teil unseres Alltags bleiben. Wenn ich nur mehr zwei oder drei Tage ins Büro muss, könnte das zu einer Belebung der etwas entlegeneren Regionen abseits des Speckgürtels führen. In den letzten Jahren hat sich der Wohnbau komplett auf die urbanen Zentren konzentriert. Das könnte sich jetzt ändern.  

(+) plus: Sie haben schon im April konjunkturbelebende Maßnahmen gefordert. Was genau schwebt Ihnen vor? Wo muss die Politik den Hebel ansetzen?

Pfeiler: Das Wichtigste ist, dass die Kommunen und alle Gebietskörperschaften mit den entsprechenden Finanzmitteln ausgestattet werden, damit sie dem Erhalt und Bau von Infrastruktur nachkommen und Bauaufträge vergeben können. Im letzten Jahr hat man deutlich gesehen, wie wichtig die Baubranche für die Volkswirtschaft ist. Solange der Bau läuft, kann sich eine Gesellschaft über Wasser halten.

Man stelle sich vor, der Bau wäre im letzten Jahr auch zum Erliegen gekommen. Wer hätte dann die weiteren über 300.000 Arbeitslosen finanziert? In jeder Krise  muss in den Bau und den Erhalt der Infrastruktur investiert werden. Das ist eine win-win-Situation, denn es wird nicht nur die Infrastruktur verbessert, es sichert Beschäftigung und Steuereinnahmen.

(+) plus: Wenn Sie Anfang 2020 mit Anfang 2021 vergleichen: Inwieweit hat sich die Arbeit des Fachverbands geändert?

Pfeiler: Die Arbeit hat sich auf jeden Fall geändert. Unsere Aufgabe ist es, die Rahmenbedingungen für unsere Mitgliedsunternehmen mitzugestalten, damit diese gut wirtschaften können. Ein wesentlicher Aspekt dieser Arbeit ist das Netzwerken. Das geht digital und im Homeoffice nur bedingt. Wenn man keine persönlichen Beziehungen aufbauen kann, kann man auch nicht entsprechend interagieren und die Lobbyarbeit wird erschwert.

Aber natürlich sind wir im letzten Jahr digital-affiner geworden. Videokonferenzen haben natürlich auch Vorteile. Es spart Ressourcen aller Art. Nicht für ein 4-stündiges Meeting nach Brüssel zu fliegen, ist ein Gewinn. Trotzdem wünsche ich mir für die  Zukunft nicht nur Videokonferenzen. Das ist eine ausgezeichnete Alternative für formale Meetings, wenn es aber um den Ausgleich oder Vertreten von Interessenslagen geht, ist der persönliche Kontakt unersetzbar.

(+) plus: Was hat sich thematisch geändert?

Pfeiler: Wir sind zwar an den Computer gefesselt, aber die Themen sind nicht weniger geworden. Es ist auch zu einer deutlichen Aufwertung unserer Arbeit gekommen. Den Mitgliedsunternehmen ist noch einmal deutlich vor Augen geführt worden, was unser Haus leistet, speziell auch in der Beratungstätigkeit. Wenn es etwa um das Arbeitsrecht geht, stehen wir vielleicht nicht in der ersten Reihe, sind aber ein wichtiges Puzzlestück wenn es darum geht, die Informationen dorthin zu leiten, wo sie hin müssen. Das hat uns im letzten Jahr massiv beschäftigt und wird uns auch heuer noch beschäftigen.

Dazu kommen Themen wie der Facharbeitermangel, die schon vor der Krise akut waren. Das wird uns in Zukunft noch viel mehr beschäftigen. Denn auch wenn es aktuell eine Rekordarbeitslosigkeit gibt, wird aus einem Fleischhauer über Nacht kein Schalungsspezialist.

Ein ganz zentrales Thema für uns wird weiterhin der Klimawandel bleiben. Ich bin sehr froh, dass wir hier schon eine deutlich breitere Diskussion führen und nicht mehr über vermeintlich gute oder böse Baustoffe sprechen.

(+) plus: In welche Richtung gehen diese Diskussionen?

Pfeiler: Es wird heute viel mehr in Richtung eines Gesamtkonzepts gedacht. Und das ist auch nötig, denn die Herausforderungen werden nicht einfacher, wenn man sich die Ziele bis 2030 oder 2040 vor Augen führt. Wenn heute ein Zementwerk eine Investition tätigt, um den CO2-Ausstoß um 60 Prozent zu reduzieren, dann braucht man auch eine gewisse Rechtssicherheit, dass sich die Rahmenbedingungen nicht wieder kurzfristig ändern.  

(+) plus: Sie haben mehrfach kritisiert, dass die Unternehmen der Stein- und keramischen Industrie ihren Beitrag leisten wollen, die Politik aber Steine in den Weg legt. Welche Steine genau?

Pfeiler: Ich glaube, dass weder der Politik noch der Gesellschaft bewusst ist, welche Rolle die Stein- und keramische Industrie als Nahversorger spielt – da haben wir deutlichen Kommunikationsbedarf. Gerade die Pandemie zeigt eindrucksvoll, wie wichtig es ist, nicht von Importen abhängig zu sein. Mit Beton, Gips oder Ziegeln kann man auch arbeiten, wenn die Grenzen dicht sind. Greift man auf andere Alternativen zurück, ist diese Versorgungssicherheit nicht überall gegeben. Was wir anbieten, sind die Grundnahrungsmittel für den Bau. Wir schaffen nicht künstlich einen Markt, sondern stillen ein Grundbedürfnis.

Wir haben anders als andere Baustoffe unsere Stärken auch im Recycling. Denn unsere mineralischen Baustoffe mögen nicht nachwachsen, aber sie werden unendlich lange verwendet, also vielmehr gebraucht als verbraucht. Was ich damit sagen will: Jeder Baustoff hat seine Stärken und Schwächen, deshalb fordern wir seitens  der Politik auch gleiche Rahmenbedingungen . Warum darf etwa ein Holztransporter mit 44 Tonnen fahren, ein Ziegel- oder Betontransport aber nicht? Es ist zwar nicht so, dass wir mit unseren Anliegen in der Politik auf Unverständnis treffen, es fühlt sich aber auch keiner zuständig und wir werden im Kreis geschickt.

Last modified onMontag, 08 Februar 2021 10:10
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