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Tiefbau auf der Warteschiene

Tiefbau auf der Warteschiene

Geht es um das Thema Building Information Modeling, ist der Tiefbau gegenüber dem Hochbau noch deutlich im Hintertreffen. Zu Unrecht, denn schon alleine die Auftraggeberstruktur bietet die Chance, das Potenzial von BIM voll auszuschöpfen.

Building Information Modeling (BIM) ist im Moment zweifellos eines der zentralen Zukunftsthemen der Bauwirtschaft. In der Praxis hat es aber speziell in Österreich noch nicht den Stellenwert, den viele gerne hätten. Dazu kommt, dass BIM fast ausschließlich mit dem Hochbau in Verbindung gebracht wird, im Tiefbau fris­tet BIM nur ein Schattendasein. »Die Gründe für diesen Rückstand liegen sowohl darin, dass die Tiefbauleistungen oftmals nur temporäre Bauwerke oder Bauwerksteile wie etwa Baugruben umfassen, welche für die spätere Betriebsphase, wenn überhaupt, von geringer Relevanz sind, als auch in der vergleichsweise geringen Nachfrage der Auftraggeberseite«, erklärt Jens Hoffmann, Zentrale Technik bei der Strabag.

Auf Auftraggeberseite sieht man das allerdings genau andersrum. »Viele Auftragnehmer sind noch nicht so weit«, ist Arno Piko, Leiter Bau Ost bei der Asfinag, überzeugt. Deshalb wird sogar ein BIM-Pilotprojekt wie der Karawankentunnel konventionell ausgeschrieben. »Würden wir BIM verpflichtend in die Ausschreibung aufnehmen, befürchten wir eine Markteinengung. Deshalb stellen wir das BIM-Modell zur Verfügung, um gemeinsam mit den Auftragnehmern BIM in der Abwicklung zu testen«, erklärt Piko. 

Hürden & Herausforderungen

Neben dem Karawankentunnel laufen bei der Asfinag aktuell mit dem Neubau der Autobahnmeisterei Bruck an der Leitha und einer Brückensanierung auf der Semmeringer Schnellstraße zwei weitere BIM-Pilotprojekte. Für die Asfinag geht es bei diesen Pilotprojekten vor allem darum, zu sehen, was BIM wirklich kann. »BIM wird sehr gut verkauft, aber es funktioniert bei weitem noch nicht alles«, sagt Piko. Das gilt vor allem auch für den Einsatz im Tiefbau. Während der Hochbau stark ebenenorientiert ist, geht es im Tiefbau verstärkt um Krümmungen und Kurven. »Die Trassierungslogik und die Einbettung in ein Koordinatensystem stellen eine deutlich größere Herausforderung als im Hochbau dar«, erklärt der für BIM zuständige Geschäftsführer von FCP Fritsch, Chiari & Partner ZT, Robert Schedler. Auch die Werkzeuge und Methoden kommen hauptsächlich aus dem Hochbau. Dazu fehlen in vielen Bereichen immer noch die gemeinsamen Standards.

Für die Einbindung von Abläufen in der Bauvorbereitung und -abwicklung in die BIM-Prozesse bräuchte es Standardisierungen, die nicht nur die Eigenleistungen der Unternehmen, sondern insbesondere auch die Leistungen der Nachunternehmen einschließen. »Da fehlt es derzeit noch an allgemeingültigen und verbreiteten Standards«, sagt Hoffmann. Selbst der Austausch der Modelle in den Planungsphasen macht noch Schwierigkeiten. »Herstellerneutrale Datenaustauschformate wie IFC werden gerade mit Hochdruck erarbeitet«, sagt auch Dirk Schaper, Geschäftsführer der für BIM zuständigen Hochtief-Tochter ViCon. 

Vorteile von BIM im Projektgeschäft

  • Erhöhung der Planungssicherheit und der Prozesstransparenz
  • Komplexe Projekte mit wachsenden Anforderungen werden mit BIM beherrschbar.
  • Verbesserung der Projektkommunikation und des Projektmarketings
  • Unmittelbare und kontinuierliche Verfügbarkeit aller aktuellen und relevanten Daten
  • Gleichbleibende hohe Qualität durch Standardisierung der Arbeitsweisen
  • Verkürzung von Ausführungszeiten
  • Minimierung von Risiken in der Bauausführung und Reduktion von Baukosten
  • Erhöhung des Vorfertigungsgrades
  • Weiterverwendung von Informationen für den Betrieb

Mit der ÖBB hat ein weiterer wichtiger Auftraggeber aktuell ein Pilotprojekt für den Einsatz von BIM im Tiefbau am Laufen. Die Tunnelkette Granitztal, ein Teil der Koralmbahn, wird mit BIM geplant und gebaut. Davon erhofft sich die ÖBB eine höhere Planungsqualität sowie eine Steigerung der Transparenz im Planungs- und Bauprozess. Allerdings hat auch die ÖBB mit den fehlenden Standards zu kämpfen. »Eine große Herausforderung liegt darin, dass für den Eisenbahnbereich aktuell noch nicht die entsprechenden Grundlagen und Werkzeuge verfügbar sind, die Daten standardisiert produzieren und verwalten können«, heißt es seitens der ÖBB. Deshalb arbeitet die ÖBB-Infrastruktur auf internationaler Ebene an der Standardisierung der Datenstrukturen mit.

Auf nationaler Ebene ist man in Sachen Standards eng mit der Asfinag und dem Austrian Standards Institute (ASI) abgestimmt. Ein wichtiger Meilenstein, auf den die Branche derzeit wartet, ist der sogenannte Merkmalserver, der vom ASI gemeinsam mit der Uni Inns­bruck entwickelt wird. Damit können Sachdaten-Strukturen bei Bauwerkskomponenten, etwa Definitionen für Weichen oder Tunnelwände, webbasierend konfiguriert, dargestellt und als downloadbare Datenstruktur zur Verfügung gestellt werden. »Dieser Merkmalserver wäre enorm wichtig, um BIM weiter voranzutreiben«, ist Piko überzeugt.

Neben ÖBB und Asfinag haben auch zahlreiche Unternehmen eigene Projekte zum Thema BIM im Tiefbau laufen. »Integrierte Planung von Straßenbauprojekten« der Firma hiQ Solutions aus Wien etwa beschäftigt sich mit der digitalen Bestandsaufnahme, der integrierten BIM-Planung, der Umfeld-Verkehrssimulation vor, während und nach der Bauphase und der vollständigen IST-Daten Erfassung und Verarbeitung der Ausführung bis hin zur Dokumentation und Betrieb.

Vorteil Auftraggeberstruktur

Die Vorteile von BIM unterscheiden sich im Tiefbau nicht grundlegend vom Hochbau. »Wie im Hochbau können durch die Einführung von BIM die Planungs-, Bau- und Bewirtschaftungsprozesse hinsichtlich Kosten, Terminen, Qualität und Planungssicherheit verbessert und somit die Effizienz erhöht und Risiken verringert werden«, erklärt ViCon-Chef Schaper. Auch für Hoffmann von der Strabag zählen die »Möglichkeiten eines früheren Klärens von Planungs- bzw. Gewerkeschnittstellen sowie das Erkennen von technischen, terminlichen und finanziellen Risiken« zu den größten Vorteilen. 

Ein weiterer Vorteil, den der Einsatz von BIM im Tiefbau mit sich bringt, ergibt sich aus der Auftraggeberstruktur. »Während Hochbauprojekte von der Planung bis zum Betrieb oftmals schon mehrfach den Eigentümer gewechselt haben, haben große Tiefbauprojekte den Vorteil, dass der Eigentümer gleich bleibt«, erklärt Schedler. Eine Autobahn hat über den gesamten Lebenszyklus hinweg denselben Eigentümer, sie wird von der Asfinag entwickelt, gebaut, betrieben und bemautet. »Auch wenn der Fokus heute oft noch in der Planung und dem Bau liegt, zielt BIM eigentlich auf den Lebenszyklus ab«, ist auch Piko überzeugt. Zudem sollte es aufgrund der überschaubaren Zahl von Playern einfacher sein, gemeinsame Standards zu definieren.

Politik in der Kritik

Für die hierzulande noch geringe BIM-Durchdringung bekommt auch die Politik ihr Fett ab. Kritisiert wird, dass es etwa im Vergleich zu Deutschland (siehe Kas­ten) kaum Initiativen gibt, das Thema voranzutreiben. »Das deutsche Verkehrsminis­terium hat etwa gemeinsam mit der Deutschen Bahn zahlreiche Aktivitäten für den Einsatz von BIM im Tiefbau gesetzt. Da gibt es Fortschrittsberichte und Leitfäden. Das alles fehlt in Österreich«, sagt FCP-Geschäftsführer Schedler. Dabei könnte BIM dazu beitragen, die Qualität öffentlicher Bauprojekte zu verbessern. »Wenn die öffentliche Hand Interesse an einem besseren Infrastrukturmanagement und einer effizienten Verwendung von Steuergeldern hat, muss mehr in Sachen BIM passieren.«

Ganz so will man das im BMVIT allerdings nicht stehen lassen. Mit der Kritik konfrontiert, verweist man etwa darauf, dass in der Austrian Construction Technology Platform (ACTP), einem Zusammenschluss von Stakeholdern wie Wirtschaftskammer, Bauindustrie, Baustoffherstellern, aber auch Infrastrukturbetreibern wie ÖBB und Asfinag, ein eigener Arbeitskreis »Digitales Planen und Bauen« eingerichtet wurde. Außerdem hätte man im Bereich BIM über die Programme »Haus der Zukunft« und »Stadt der Zukunft« bereits mehr als 30 Projekte mit etwa sechs Millionen Euro gefördert. Und schließlich arbeite das BMVIT gemeinsam mit der ACTP, der Wirtschaftskammer, der Plattform Planen.Bauen.Betreiben 4.0 und der TU Wien seit vergangenem Oktober an einer Roadmap »Potenziale der Digitalisierung im Bauwesen«.


Vorbild Deutschland

Ende 2015 hat der deutsche Infrastrukturminister Alexander Dobrindt seinen dreiteiligen Stufenplan zur Einführung von Building Information Modeling vorgestellt.  Nach einer Vorbereitungsphase befindet man sich aktuell in der Pilotphase. Ab 2020 schließlich soll bei der Planung und Realisierung von infrastrukturellen Großprojekten verpflichtend BIM zum Einsatz kommen. Alleine bei der Deutschen Bahn sind aktuell 13 Tiefbau-Pilotprojekte am Laufen. Absolutes Vorzeigeprojekt ist dabei der Tunnel Rastatt.

Die Planungsphase mit BIM wurde bereits im April 2016 abgeschlossen. Damit stehen der Deutschen Bahn erstmals hochwertige Teilmodelle mit verknüpften Terminen und Leistungsverzeichnissen für den Rohbau eines komplexen Tunnelprojekts zur Verfügung. In diesen Modellen werden derzeit insgesamt ca. 35.000 Modellelemente, welche mit ca. 3.000 Aktivitäten des Terminprogramms und ca. 3.500 Positionen des Leistungsverzeichnisses verknüpft sind, verwaltet. Hiermit wurde u. a. der Nachweis erbracht, dass das Abbilden dieser komplexen Modellstruktur möglich ist. Jetzt geht es darum, die anvisierten Ziele für die Ausführungs- und Betriebsphase zu erreichen. Mit den erstellten 5D-Modellen soll die Bauausführung effektiv gesteuert und abgerechnet werden.

Last modified onDonnerstag, 31 August 2017 11:29
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