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»Suchen Sie nicht die besten, sondern die richtigen Mitarbeiter!«

Foto: »Mitarbeiter müssen zu einem Unternehmen passen, die fachliche Qualifikation kann man auch intern vermitteln«, erklärt Nicole Rimser. Foto: »Mitarbeiter müssen zu einem Unternehmen passen, die fachliche Qualifikation kann man auch intern vermitteln«, erklärt Nicole Rimser.

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report erklärt Nicole Rimser, Expertin für Brand Centric Leadership und Employer Branding bei BrandTrust, was gutes Employer Branding ausmacht, warum Stakeholderanalysen wichtig sind und welche Rolle Werte, Versprechen und das richtige Wording spielen. Und sie verrät, worauf fast alle Unternehmen aus der Baubranche in Stellenausschreibungen vergessen.

Report: Inwieweit hat sich der Stellenwert des Employer Brandings in der Bauwirtschaft durch den allgegenwärtigen Facharbeitermangel verändert?

Nicole Rimser: Studien und Untersuchungen zeigen, dass der Leidensdruck in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Der Markt reagiert darauf aber auch sehr gut, wie die Aktivitäten von Strabag, Porr oder auch Leyrer+Graf zeigen, und bewegt sich da auch branchenübergreifend auf einem sehr hohen Niveau.

Report: Was genau machen die Firmen gut?

Rimser: Es ist eine solide Basis geschaffen. Die so genannten Muss-Faktoren, wie Vision, Mission, Unternehmenswerte und ganz konkrete Job- und Karrierechancen, sind gelistet.
Es gibt aber natürlich auch noch Luft nach oben, hier sprechen wir von AHA-Faktoren. Was uns explizit vom Wettbewerb unterscheidet und für Millennials und Generation Z attraktiv und glaubwürdig zur Marke passt. Gerade diese jungen Menschen kommunizieren sehr interaktiv und wollen auch hinter die Kulissen blicken. Da bewegen sich viele Unternehmen eher auf der Oberfläche. Da könnte man noch viel mehr mit Bildern und Bewegtbildern arbeiten.

Diese so genannten Ichlinge, wie Millennails und Generation Z auch gerne  genannt werden, sagen auch, was ihnen nicht passt. Die brauchen eine ganz andere Ansprache, und die muss man auch erst einmal finden. Da stellt sich für das Employer Branding auch die Frage, wo erreiche ich diese Zielgruppe, an welche Schulen gehe ich und welche Kanäle nutze ich. Employer Branding hat nach der Positionierungsarbeit auch viel mit Stakeholderanalyse zu tun. 

Report: Eine Strabag oder Porr kennt praktisch jeder. Aber wie gelingt es auch kleineren Unternehmen, junge Menschen oder auch High Potentials auf sich aufmerksam zu machen?

Rimser: Ein ganz entscheidender Punkt sind die bestehenden Mitarbeiter. Wenn es einem Unternehmen gelingt, Mitarbeiter zu Fans zu machen, hat man die beste Visitenkarte nach außen. Marken ziehen Menschen über Werte an. Gelingt es die passenden Mitarbeiter zu finden, diese durch spezifische, gelebte Kultur zu halten, schafft man meist zufriedene Mitarbeiter, die das höchste Gut der Weiterempfehlung sind. Deshalb ist es auch sinnvoll, regelmäßig die Mitarbeiterzufriedenheit abzufragen. Denn das sind die wichtigsten Markenbotschafter und Multiplikatoren.

Unternehmen sind da auch blauäugig und zu optimistisch, was die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter angeht. Tatsächliche Mitarbeiterbefragungen liefern dann aber oft ein ganz anderes Bild. Und die Weiterempfehlungsrate als Arbeitgeber ist bei vielen Unternehmen unterdurchschnittlich. Mitarbeiter schätzen das, was ein Unternehmen verkauft, oft mehr als das Unternehmen als Arbeitgeber. Das ist eine gefährliche Entwicklung. Deshalb geht es im Employer Branding auch ganz stark darum, dass das Versprechen, das nach außen gegeben wird, auch nach innen gelebt wird. Da geht es um Positionierung und Differenzierung, um Werte und Sinnvermittlung. Damit können Bewerber attraktiviert werden, das muss dann aber auch gehalten werden. Eine hohe Fluktuationsrate ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass diese Versprechen nicht gehalten werden.

Report: Auf Produktebene können gebrochene Versprechen weitreichende Konsequenzen mit sinkenden Verkaufszahlen bis hin zu Konsumentenboykott haben. Ist das im Employer Branding ähnlich, wenn man Rahmenbedingungen verspricht, die nicht den Tatsachen entsprechen?

Rimser: Auf jeden Fall. Und im Gegensatz zu früher sind die »Ichlinge« anders aufgewachsen und ziehen auch rascher ihre Konsequenzen, verlassen das Unternehmen und teilen ihren Unmut auf Plattformen wie kununu mit. Das wird durch den Facharbeitermangel noch weiter befeuert.  
In dieser Generationenfrage sind auch die Führungskräfte stark gefragt. Wenn Kollaboration oder Zukunftsfähigkeiten versprochen werden, dann muss man dafür auch die Rahmenbedingungen schaffen und das auch vorleben.

Report: Viele Unternehmen versuchen junge Menschen auch damit für sich zu gewinnen, dass sie versuchen, ein neues Bild von der Arbeit am Bau zu zeichnen. Da spielen auch digitale Lösungen, der Einsatz von Handys, Tablets oder sogar Virtual und Augmented Reality eine Rolle. Ist das der richtige Ansatz?

Rimser: Da gibt es zwei Sichtweisen. Ein Tablet mag für einen Lehrling schon verlockend sein, weil er sich das selbst noch nicht leisten kann. Die Frage ist aber, was längerfristig dahintersteckt. Sehr spannend finde ich aber den starken Modernisierungsschub, den die Baubranche in den letzten Jahren erlebt hat, von Drohnen über Wearables bis zu Wetter-Frühwarnsystemen und neuen Logistiklösungen. Ein Maurer heute hat nichts mehr mit dem Maurer der Elterngeneration zu tun. Das kann schon sehr reizvoll sein, das wird bei den meisten Stellenausschreibungen aber viel zu wenig vermittelt. Im Rahmen des Employer Branding sollte das Berufsbild durch attraktive Lösungen in ein besseres Licht gerückt werden.  Da geht es auch darum, die Sprache der jungen Generation zu sprechen. Warum also nicht aus dem Bauleiter einen Komplexitätsmanager machen?

Report: Immer mehr Unternehmen versuchen, bewusst Frauen anzusprechen. Das führt dazu, dass große Konzerne konsequent von sich in der weiblichen Form sprechen und in allen Schriftstücken durchgehend die männliche und weibliche Form verwenden. Ein richtiger Weg?

Rimser: Diversität ist immer wichtig und ein Erfolgsfaktor. Die Baubranche ist sehr männlich dominiert, da bieten Frauen natürlich ein großer Arbeitskräftepotenzial. Es reicht aber nicht, sich nach außen weiblich zu positionieren, wenn die internen Strukturen weiterhin stark männlich dominiert sind. 

Report: Welche Rolle spielt die Führungskraft eines Unternehmens im Employer Branding?

Rimser: Die Führungskraft ist im Employer Branding die wichtigste Person, um Employer Branding wirksam zu machen. Sie sind Vorbilder für die gesamte Organisation, leben Visionen und Werte glaubwürdig vor und tragen die Innensicht sowohl zum Kunden als auch zum Bewerbermarkt.

Report: Was würden Sie einem Unternehmen empfehlen, das seine Employer-Branding-Aktivitäten verstärken will. Was sind die ersten Schritte?

Rimser: Voraussetzung für eine Employer-Branding-Strategie ist eine Unternehmens- und Markenstrategie. Das muss harmonisch Hand in Hand gehen. Und daraus müssen Differenzierungsmerkmale abgeleitet werden. Dafür braucht es ein starkes Werte-Set mit konkreten Aussagen. Marke ist Bedeutung. Und diese Bedeutung schaffe ich im Employer Branding genauso wie im Unternehmen. Da müssen Innen- und Außensicht das gleiche Bild zeigen. Es geht auch nicht immer darum, die besten Mitarbeiter zu finden, sondern die richtigen, die zum Wertesystem passen. Mitarbeiter müssen zu einem Unternehmen passen, die fachliche Qualifikation kann man auch intern vermitteln.

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