»Prozesse werden zunehmend von der Baustelle in die Fabrik verlagert.«
- Written by Mag. Bernd Affenzeller
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Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Peter Giffinger über seine Rolle als CEO von fünf Unternehmen der Saint-Gobain Gruppe und erklärt, was Ludwig XIV. mit der Glaskompetenz von Saint-Gobain zu tun hat. Außerdem verrät er, wie er die Kreislaufwirtschaft in Schwung bringen will und welches Ziel er vor seiner Pensionierung unbedingt noch erreichen möchte
Report: Sie haben seit Anfang des Jahres die Leitung der gesamten Saint-Gobain Gruppe in Österreich inne. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in der Leitung dieser doch unterschiedlichen Unternehmen?
Peter Giffinger: Die größte Herausforderung ist, die Vielfältigkeit von Saint-Gobain sichtbar zu machen. Es gibt auch in Österreich kaum ein Gebäude ohne ein Produkt von Saint-Gobain. Es war unser Ziel, mit dieser Strukturänderung näher am Markt zu sein.
Report: Wie wollen Sie diese Vielfalt zeigen? Inwieweit hilft dabei die Strukturänderung?
Giffinger: Wir sind jetzt nicht mehr eine Vielzahl an mittleren Unternehmen, sondern ein großes. Saint-Gobain war bislang keine Marke, die wir am österreichischen Markt beworben haben. Man kennt Rigips oder Isover, aber nicht unbedingt Saint-Gobain.
Report: Das soll sich jetzt ändern?
Giffinger: Zumindest dort, wo es für die Zielgruppe interessant ist, etwa bei den Architekten. Denn mit unseren Produkten sind wir in allen Planungsphasen dabei. Das reicht von der Glasfassade bis zur verputzten Fassade, von der Bodenbeschichtung über den Trockenbau bis zur Dämmung. Damit können wir viele Themen wie etwa Raumakustik viel ganzheitlicher mit den Architekten diskutieren.
Die Kehrseite ist, dass internationale Konzerne oft sehr kritisch gesehen werden. Dem können wir als Saint-Gobain aber einiges entgegenstellen.
Report: Und zwar?
Giffinger: Zum einen können wir auf eine 354-jährige durchgängige Firmengeschichte zurückblicken. Saint-Gobain wurde unter Ludwig XIV. gegründet, um Versailles mit Glas auszustatten. Seitdem beschäftigen wir uns mit dem Thema. Und zum anderen sind die größten Aktionäre die eigenen Mitarbeiter.
Report: Wo sehen Sie durch die Neustrukturierung die größten Synergiepotenziale?
Giffinger: Es gibt ganz spezifische Bereiche mit klar definierten Zielgruppen. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Synergien sehe ich dort, wo wir für den Kunden Mehrwert schaffen können. Wir haben die Pulverproduktion von Rigips und Weber in Puchberg zusammengelegt. Jetzt können wir sowohl mit Rigips- als auch Weber-Produkten von Puchberg zum Baustoffhandel fahren. Das hat für uns und den Kunden Vorteile.
Synergien gibt es, wie bereits erwähnt, in Bereichen wie Raumakustik, aber auch Planung, Bauphysik oder Holzbau. Da machen wir gemeinsame Informationsveranstaltungen und Schulungen.
Report: Ein viel diskutiertes Thema der Branche ist die Verbesserung der Baustellenlogistik. Was kann Saint-Gobain zur Optimierung der Abläufe beitragen?
Giffinger: Das ist ein Thema, mit dem wir uns intensiv beschäftigen. Rigips setzt hier schon seit vielen Jahren auf digitale Unterstützung. Die Kunden werden über Geo-Tracking und mit SMS auf dem Laufenden gehalten, wann die Produkte eintreffen. Auf der anderen Seite, wissen wir auch ganz genau, wann die LKW zurück ins Werk kommen. Damit haben wir kaum Standzeiten.
Report: Welche Trends sehen Sie auf Produkt- und Dienstleistungsebene? Was wollen und erwarten die Kunden heute?
Giffinger: Da gibt es eine ganze Reihe an Trends. Auf der negativen Seite muss man da natürlich den Facharbeitermangel nennen. Osteuropa entwickelt sich ganz gut, mit doppelt so hohen Wachstumsraten wie in Österreich. In Tschechien herrscht quasi Vollbeschäftigung. Viele Verarbeiter, die früher in Österreich tätig waren, kommen nicht mehr. Dieser Facharbeitermangel wiederum verstärkt den Trend zur Vorfertigung. Wir werden zunehmend Prozesse von der Baustelle in die Fabrikshalle verlagern. Da erwarte ich aber keine Revolution, sondern eine langsame und schrittweise Entwicklung. Ein weiterer Trend geht in Richtung Ressourcenschonung.
Aktuell bauen wir noch sehr schwer. Gleichzeitig wissen wir heute aber nicht mehr, wie die Nutzung eines Gebäudes in 30 oder 40 Jahren aussieht. Wir können nicht davon ausgehen, dass ein Gebäude, das heute als Bürogebäude errichtet wird, in 30 Jahren auch noch als Bürogebäude genutzt wird. Gerade im städtischen Bereich sehen wir viele Nutzungsänderungen, da wird aus einem Bürogebäude ein Hotel oder ein Gewerbegebäude oder ein Wohnbau. Deshalb brauchen wir eine flexiblere Raumgestaltung, die der Leichtbau ermöglicht.
Report: Also ist ein zentrales Argument der Massivbauer, die Langlebigkeit, aus Ihrer Sicht eigentlich ein Nachteil?
Giffinger: Ich bin heute morgen am Wohnpark Alt-Erlaa vorbeigefahren. Niemand käme auf die Idee, den abzureißen. Die Frage ist, was bedeutet Langlebigkeit. Im Wohnbau haben wir Zyklen von 50 oder 100 Jahren. Im Büro- oder Hotelbereich sind die Zyklen deutlich kürzer und es ändern sich die Anforderungen. Da hat der Leichtbau deutlich Vorteile. Die Trockenbauelemente lassen sich leicht ausbauen und voll recyclen.
Report: Stichwort Recycling: Was kann ein Konzern wie Saint-Gobain zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft beitragen?
Giffinger: Wir tun da sehr viel. Wir haben seit mehr als zehn Jahren ein Rücknahmekonzept für Baustellenabfälle. Dazu haben wir im letzten Jahr fast alle unsere Industriekunden dazu gebracht, ihren Verschnitt zurückgeben. Daraus machen wir wieder neue Gipskartonplatten.
Report: Welche Recyclingquote halten Sie für realistisch?
Giffinger: Die europäische Gipsindustrie nennt 30 Prozent. Das können wir ohne große Technologieumstellung realisieren. Aktuell sind wir in Österreich bei sieben Prozent. Die 30 Prozent sind auch mein persönliches Ziel.
Report: Bis wann?
Giffinger: Bevor ich in Pension gehe (lacht).
Report: Als CEO von Unternehmen aus verschiedenen Bereichen der Baubranche können Sie den Markt vermutlich besser einschätzen als viele anderen. Wie würden Sie aktuell die Stimmung in der Branche beschreiben, welche Entwicklung erwarten Sie?
Giffinger: Das Wachstum wird sich verlangsamen, aber die Entwicklung ist stabil. Wir hatten schon deutlich schlechtere Jahre. Problematisch sehe ich die aktuelle Sanierungsquote. Damit werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen. Dafür bräuchten wir eine doppelt so hohe Sanierungsrate.
Report: Wie soll man das erreichen?
Giffinger: Indem man die Rahmenbedingungen ändert. In Deutschland wird aktuell darüber nachgedacht, wirklich große Summen zu investieren.
Report: Das ändert aber nicht an den Kapazitäten der Bauunternehmen. Die sind schon jetzt bis oben hin ausgelastet.
Giffinger: Das ist das momentane Bild. Ich denke aber, dass sich eine Sanierungsoffensive in ein oder zwei Jahren sehr positiv auswirken könnte. Dafür müssen jetzt die Weichen gestellt werden.
Aber da muss man sich auch Gedanken um das Mietrecht machen und sich die Frage stellen, wie man Kosten und Nutzen der Sanierung in Einklang bringen kann. Da muss die CO2-Reduktion auch für den abrechenbar sein, der die Sanierung finanziert. In Frankreich gibt es Modelle, wo die Energieversorger die Sanierung übernehmen, um sich die CO2-Einsparungen im Rahmen von Energieeffizienzgesetzen anrechnen lassen zu können.
Report: Welche Wünsche haben Sie an eine zukünftige Regierung?
Giffinger: Ich denke, dass Ökologie und Klimaschutz ganz zentrale Themen für eine neue Regierung sein werden. Was ich mir wünsche, ist eine langfristige, vorausschauende und verlässliche Politik. Unsere Investitionszyklen liegen bei 20 Jahren. Da muss ich mich auf die Rahmenbedingungen verlassen können. Unsere Klimaziele sind für 2030 formuliert. Da hilft es nichts, wenn die entsprechenden Gesetze im Jahr 2028 kommen. Außerdem brauchen wir entsprechende Förderung der Kreislaufwirtschaft. Dazu braucht es auch mehr Dialog mit der Industrie. Es gibt auch viele Unternehmen, die hier gerne eine Vorreiterrolle übernehmen würden. Dafür braucht es aber auch Anreize.