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»Tageslichtplanung bedeutet nicht, Glashäuser zu bauen«

Foto: »Mit der Verfügbarkeit. von Kunstlicht hat sich unser Lebensrhythmus komplett geändert. Die Notwendigkeit mit Tageslicht zu planen, erkennen nur jene, die Licht auch qualitativ betrachten«, weiß Christina Brunner. Foto: »Mit der Verfügbarkeit. von Kunstlicht hat sich unser Lebensrhythmus komplett geändert. Die Notwendigkeit mit Tageslicht zu planen, erkennen nur jene, die Licht auch qualitativ betrachten«, weiß Christina Brunner.

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Christina Brunner, Tageslichtplanerin bei Velux, über den unterschätzten Stellenwert der Tageslichtplanung, ausbaufähiges Know-how bei den Planern und erklärt, warum die Kunstlichtindustrie ein großer Treiber in Sachen Tageslichtplanung ist.

Hintergrund: EN17037

Im Oktober 2016 wurde die EN17037 mit 80 Prozent der Teilnehmer beschlossen. Darin wird auf das unterschiedliche Tageslichtangebot in den verschiedenen Regionen Europas eingegangen. Um europaweit das Ziel von 300 Lux zu erreichen, braucht es unterschiedliche Tageslichtquotienten, in Finnland andere als in Sizilien. Ebenfalls berücksichtigt wurde das direkte Licht sowie der Ausblick. Die Auswirkungen sind laut Velux-Experten Heinz Hackl, dass »in Zukunft sicher mehr über Tageslichtplanung nachgedacht werden muss«. Das reicht laut Hackl von Fensterflächen und -positionen bis zu Trakttiefen und Raumhöhen.


Report: Welche Rolle spielt die Tageslichtplanung heute in der Architektur?

Christina Brunner: Die Tageslichtplanung sollte eine große Rolle spielen. Wenn man aber selbst in einem Architekturbüro tätig ist, weiß man, dass die Evaluierung und Vorabberechnung von Tageslicht nicht oder nur sehr selten Teil der Planung ist. Wird über Lichtplanung allgemein gesprochen, ist meist Kunstlicht gemeint. Die Zeit und Ressourcen, die Tageslicht-evaluierung selbst zu machen, sind in den meisten Architekturbüros nicht vorhanden. Natürlich plant jeder Architekt mit Tageslicht, aber die exakten Berechnungen fehlen meist.

Report: Was sind die größten Vorteile von Tageslicht gegenüber Kunstlicht?

Brunner: Tageslicht ist kostenfrei verfügbar. Was auch oft unterschätzt wird: Tageslicht ist dynamisch und verändert sich über den Tag ständig. Je mehr uns davon im Innenraum zur Verfügung steht, desto besser ist unser Bezug nach Draußen.

Report: Ist die Konstanz von Kunstlicht nicht auch ein Vorteil?

Brunner: Wenn es nur um die Beleuchtungsstärke geht, um die gewisse Anzahl an Lux, die erreicht werden muss, dann ja. Aber Tageslicht kann so viel mehr. Es hat Einfluss auf das Gemüt, auf den Gesundheitszustand und das Wohlbefinden. Es gibt außerdem die Empfehlung aus der DIN, dass man mindestens eine Stunde pro Tag direktes Sonnenlicht im Raum haben soll.  Wichtig ist es auch, Freiräume zu schaffen. Denn durch das Glas bekommen wir Tageslicht ohnehin nur noch optisch mit, die gesundheitlichen Aspekte wie etwa die Vitamin D-Produktion fallen weg.

Report: Seit wann spielt die Tageslichtplanung in der Architektur eine Rolle?

Brunner: Das geht zurück bis in die Antike. Schon damals wusste man um die positiven gesundheitlichen Auswirkungen von Tageslicht. Mit der Verfügbarkeit von Kunstlicht hat sich unser Lebensrhythmus komplett geändert und das Thema Tageslichtplanung ist in Vergessenheit geraten. Deshalb stehen wir aktuell wieder ziemlich am Anfang.

Report: Wer sind aktuell die Treiber hinter dem Thema Tageslichtplanung?

Brunner: Eine große Rolle spielt die Kunstlichtindustrie, die im Bereich der Forschung und Know-How einiges vorlegt. Als ich in Architekturbüros zu arbeiten begonnen habe, durfte ich kostenfrei Tools aus der Kunstlichtindustrie nutzen, um Tageslichtplanungen durchzuführen. Die Industrie hat schon früh erkannt, dass es immer um das perfekte Zusammenspiel von Tages- und Kunstlicht geht. Wenn sich das Tageslicht irgendwann dem Ende neigt, kommt ein perfektes Kunstlichtkonzept zum Einsatz. Wichtig ist nur, dass man die Tageslichtplanung frühzeitig berücksichtigt. Oft sind es nur kleine Veränderungen, Positionen von Fenster oder Leibungsöffnungen, die große Auswirkungen haben und einen Raum heller erscheinen lassen.

Report: Welche Kenngrößen gibt es? Welche Menge an Tageslicht benötigt ein Raum, um ausreichend belichtet zu sein?

Brunner: Die Bauordnung schreibt 12% der Nutzfläche als Architekturlichte vor. Dann gibt es noch eine bestimmte Anzahl von Lux, die am Arbeitsplatz oder in Aufenthaltsräumen erreicht werden muss. Dann hört es mit der Kenntnis aber auch schon auf. Bei unseren Schulungen und Trainings sehen wir auch, wie schwer es ist, durch Tageslicht bis zu 500 Lux am Arbeitsplatz zu erreichen. Das geht sich über die Fassade einfach nicht aus und kann nur durch ergänzendem Licht von oben - auch tief in den Raum - sichergestellt werden. Ende letzten Jahres wurde eine europäische Norm beschlossen, bei der der Tageslichtquotient, der den prozentuellen Anteil von Tageslicht in einem Raum misst, eine große Rolle spielt (siehe Kasten). Das ist ein Wert, den Planer in Österreich so gut wie gar nicht kennen.   

Report: Ist das fehlende Know-how die größte Hürde, wenn es um Tageslichtplanung geht?

Brunner: Es ist auf jeden Fall eine Hürde, wenn es zur Evaluierung kommt. Deshalb bietet Velux auch Kurse an, um das Tool Daylight-Visualizer zu erlernen. Das Bewusstsein ist, denke ich, bei allen da, bei Planern ebenso wie beim Endkunden. Aber natürlich ist es oft auch eine Kostenfrage. Dabei darf man eines nicht vergessen: Tageslichtplanung heißt nicht, Glashäuser zu bauen, sondern Glasflächen gezielt und optimiert einzusetzen. Da spielt natürlich das Dachfenster eine Rolle.

Denn das Zenitlicht von oben ist dreimal so intensiv wie das Licht, das vom Horizont kommt. Habe ich eine Tageslichtquelle oben, kann ich mir einiges an Fassadenverglasung sparen. Wir arbeiten auch viel mit planenden Baumeistern zusammen und versuchen hier, das nötige Know-how zu schaffen. Gerade für die Baumeister ist die Tageslichtplanung mit unserem Daylight Visualizer eine interessante Möglichkeit, um sich vom Mitbewerb abzuheben.  Unser Ziel ist es, die Evaluierung von Tageslichtqualitäten im Raum als fixen Bestandteil der Konzeptplanung zu etablieren. Denn mit Tageslicht kann man so viel mehr machen, als nur Licht in einen Raum zu bringen – man kann Stimmungen erzeugen sowie Wohlbefinden und Wohngesundheit erhöhen.


Daylight Visualizer

Der Velux Daylight Visualizer ist ein planungsunterstützendes, kostenloses Werkzeug zur Animation und Analyse verschiedener Tageslichtsituationen innerhalb von Gebäuden. Es wurde konzipiert, um Architekten bei der Planung mit dem Tageslicht zu unterstützen und dessen Nutzung in Räumen zu fördern. Mithilfe der Vorausberechnung und Dokumentation verschiedener Tageslichtwerte und deren Umsetzung innerhalb des Raumgefüges kann noch vor Gebäuderealisation die Wirkung des Tageslichts dokumentiert werden.

Info: http://www.velux.com/article/2016/daylight-visualizer

 

Last modified onFreitag, 19 Mai 2017 12:33
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