»Der Kampf um den besten Preis bleibt«
- Written by Mag. Bernd Affenzeller
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Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht István Magyar, technischer Geschäftsleiter bei Hochtief Infrastructure Austria, über BIM im Tiefbau, kritisiert, dass das Bestbieterprinzip nur in den seltensten Fällen zu einem Bietersturz führt und erklärt, wie dank Digitalisierung technische und logistische Abläufe simuliert und Alternativen durchgespielt werden können.
Report: Laut Statistik Austria musste der Tiefbau 2016 in allen Teilbereichen außer dem Tunnelbau teilweise empfindliche Umsatzeinbußen hinnehmen. Wird zu wenig gebaut oder ist die Schuld eher in einer Niedrigpreispolitik zu suchen, die in der Vergangenheit auch schon einige Opfer gefordert hat?
István Magyar: Aus unserer Sicht kommen die wichtigen, großen Infrastrukturprojekte, wie die S7, die S8 oder der Tunnel Lobau zu schleppend auf den Markt. Die Umweltverträglichkeitsverfahren für große Infrastrukturprojekte verzögern diese teilweise über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Hier könnte die Politik mit einer Gesetzesänderung für eine schnellere Projektumsetzung sorgen.
Letzten Endes möchten wir gemeinsam mit unseren Kunden für ein modernes leistungsfähiges Verkehrsnetz in Österreich sorgen. Für uns ist es dabei selbstverständlich, dass wir Projekte mit hoher Qualität und Ausführungskompetenz nachhaltig realisieren. Wir möchten andererseits aber auch in einem fairen Wettbewerb Geld verdienen.
Report: Wie hart ist der Preiskampf aktuell in Österreich?
Magyar: Aus meiner Sicht hat sich die Preisgestaltung in den letzten Jahren bei öffentlichen Ausschreibungen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur nicht nennenswert verändert. Der Kampf um den besten Preis, der im Regelfall mit mindestens 90 % gewichtet wird, ist nach wie vor ein großes Thema.
Report: Sind Auswirkungen des neuen Vergaberechts mit verpflichtendem Bestbieterprinzip spürbar? Kann das neue Vergaberecht helfen, den Preisverfall zu stoppen?
Magyar: Wir begrüßen grundsätzlich das Bestbieterprinzip. Der Preis allein reicht oft nicht als einziges Entscheidungskriterium für die Vergabe aus. Gerade bei den großen öffentlichen Vergaben, an denen wir uns beteiligen, kann durch technische oder logistische Sonderlösungen ein zusätzlicher Nutzen für den Auftraggeber erzielt werden. In diesen Bereichen verfügen wir über große Erfahrung und Know-how. Aus unserer Sicht sind aber die Qualitätskriterien nicht ausreichend gewichtet und führen daher in den seltensten Fällen zu einem Bietersturz.
Report: Wie hat sich dieses Umfeld auf das Ergebnis von Hochtief 2016 ausgewirkt?
Magyar: Hochtief hat 2016 sowohl operativ als auch strategisch weitere große Fortschritte dabei erzielt, nachhaltige, cash-gestützte Gewinne zu erwirtschaften. Der Konzern konnte seine Ergebnisse 2016 signifikant steigern. Der nominale Konzerngewinn hat im Jahresvergleich um 54 % zugelegt und 321 Millionen Euro erreicht. Auch in der Division Hochtief Europe, zu der unsere Niederlassung gehört, hat sich der Aufwärtstrend, der sich schon im Vorjahr abgezeichnet hat, fortgesetzt. Mit den Umsätzen unserer beiden Niederlassungen in Österreich – in Wien und in Innsbruck – sind wir sehr zufrieden. Wir haben bei guter Auslastung schöne Erfolge erzielt und unsere ambitionierten Ziele erreicht. Durch unsere Beteiligung am Bau des Semmering-Basistunnels und der Koralmbahn konnten wir unsere Position auch im Tunnelbau weiter stärken.
Report: Viele Branchenvertreter erwarten ein gutes Jahr 2017, vor allem im Hochbau. Was erwarten Sie im Tiefbau?
Magyar: Auch im Tiefbau erwarten wir ein gutes Jahr. Wenn die für 2017 und 2018 vorgesehenen Verkehrsinfrastrukturprojekte wie geplant auf den Markt kommen, werden wir sicher gut beschäftigt sein. Hochtief macht in Österreich kein Flächengeschäft, wir sind aber mit unserem breiten Leistungsspektrum, vor allem im Erd- und Straßenbau, im Ingenieur- und Tunnelbau hervorragend aufgestellt. Wir schauen uns die zu unserem Zielsegment passenden öffentlichen Ausschreibungen genau an. Wir sind in der glücklichen Lage, nicht jedes Projekt anbieten zu müssen und können entsprechend selektiv vorgehen.
Report: Welche Projekte und Ausschreibungen haben Sie aktuell im Visier?
Magyar: Generell beobachten wir natürlich alle großen Ausschreibungen der öffentlichen Infrastrukturanbieter, wie Asfinag oder ÖBB. Im Fokus stehen dabei Neubauprojekte von Straßen, Brücken und Tunneln.
Report: BIM ist bislang vor allem im Hochbau Thema. Welche Rolle spielt BIM im Tiefbau, welche Rolle wird es zukünftig spielen? Wie gut ist Hochtief gerüstet?
Magyar: BIM spielt im Tiefbau bisher noch nicht eine so große Rolle wie im Hochbau. In Deutschland hat die Reformkommission »Bau von Großprojekten« empfohlen, künftig BIM sehr intensiv zu nutzen, um Probleme bei Planung und Bau früher zu antizipieren und zu reduzieren. Im Infrastrukturbereich wurden durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in Deutschland erste Pilotprojekte benannt. Dazu zählt auch der Tunnel Rastatt, ein Teil der Ausbau- und Neubaustrecke Karlsruhe-Basel der Deutschen Bahn. Hochtief baut das Projekt in einer Arbeitsgemeinschaft. Das Thema BIM nimmt insofern auch im Tiefbau Fahrt auf.
Hochtief ist im Bereich BIM mit einer eigenen Tochtergesellschaft, der Hochtief ViCon GmbH, auf dem Markt präsent. Das Unternehmen ist seit 2007 ein führender Dienstleister und Berater für virtuelles Bauen bzw. BIM. Im Unternehmensverbund profitieren wir wechselseitig von dem Know-how des jeweils anderen und können somit BIM-Leistungen auch in Österreich anbieten. Wir sind also sehr gut gerüstet.
Report: Welche Rolle spielt die Digitalisierung von internen Prozessen und Abläufen abseits von BIM bei Hochtief?
Magyar: Die Digitalisierung hat einerseits im Rahmen der Planung, an der Schnittstelle zu BIM, andererseits im Zusammenhang der Präqualifikation und Angebotsbearbeitung eine große Bedeutung für unser Geschäft. Zum Beispiel im Zuge der Arbeitsvorbereitung simulieren wir diverse technische und logistische Abläufe und spielen Alternativen digital durch. Unser Management-System stellt uns viele Tools zur Verfügung, mit deren Hilfe wir Daten digital erfassen. Auch im Zuge unseres Berichtswesens, der Baudokumentation und bei internen Audits spielt die Digitalisierung eine wesentliche Rolle. Zudem erfassen wir Daten aus dem Bereich Nachhaltigkeit über ein zentrales IT-Datenerfassungstool.
Report: Sie haben jüngst Andreas Boettcher als technischen Geschäftsführer abgelöst. Welche kurz-, mittel- und langfristigen Ziele verfolgen Sie?
Magyar: Andreas Boettcher ist wieder in seine angestammte Niederlassung nach Frankfurt zurückgekehrt. Es war von Beginn an geplant, dass er die Position des Geschäftsleiters nur interimistisch übernimmt, bis mit Matthias Witt als kaufmännischem Geschäftsleiter und mir als technischem Geschäftsleiter die Nachfolge geregelt wurde. Es gibt eine lange Prioritätenliste, aber kurzfristig ist unser Ziel die erfolgreiche Umsetzung der laufenden Projekte, mittel- und langfristig streben wir eine weitere Stärkung der Positionierung von Hochtief am österreichischen Baumarkt an.