»Ehe wir BIM vorschreiben, muss es weiter verbreitet sein«
- Written by Mag. Bernd Affenzeller
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Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Hans-Peter Weiss, Geschäftsführer der Bundesimmobiliengesellschaft BIG und der Austrian Real Estate ARE, über konkrete Auswirkungen des neuen Vergaberechts, erklärt, warum die BIG bei BIM noch zurückhaltend ist und was es mit dem Holistic Building Program auf sich hat.
Report: Seit 1. März ist die Vergaberechtsnovelle in Kraft. Wie wirkt sich das verpflichtende Bestbieterprinzip auf die BIG aus?
Hans-Peter Weiss: In der BIG wurde auch bisher neben dem Preis eine Reihe an Zuschlagskriterien angewendet. Aktuell sind wir zu diesem Thema mit Vertretern der Bauwirtschaft im Gespräch. Darüber hinaus haben wir in einem internen Leitfaden weitere praktikable Kriterien festgehalten, wobei die genaue Ausformulierung natürlich immer nur anhand des konkreten Projektes erfolgen kann. Wichtig wird aber auch sein, dass die Bieter bei Erstellung ihres Angebotes die Kriterien berücksichtigen und erfüllen.
Report: Viele fürchten durch die höhere Komplexität einen Anstieg der Einsprüche.
Weiss: Gerade in der ersten Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes könnte die Anzahl der Einsprüche steigen, wobei wir derzeit noch nichts davon bemerken. Letztendlich resultieren diese Befürchtungen auch aus einer gewissen Unsicherheit. Sobald die entsprechende Judikatur vorliegt, wird sich das legen. Wir haben abgesehen von der peniblen Ausarbeitung des Kriterienkatalogs massiv darauf Wert gelegt, unsere Mitarbeiter zu schulen. In unzähligen Workshops und Videokonferenzen haben die verantwortlichen Juristen ihren Kollegen aus den Bauabteilungen auch erklärt, wie das theoretische Regelwerk in der Praxis funktionieren kann.
Report: Alle Welt spricht von BIM, in der Praxis angekommen ist das Thema in Österreich aber noch nicht. Welche Rolle spielt BIM bei der BIG heute?
Weiss: Wir sind an dem Thema sehr interessiert. Als öffentlicher Bauauftraggeber unterliegen wir dem Vergaberecht. Ehe wir BIM zwingend vorschreiben, muss es schon weiter verbreitet sein. Das ist es derzeit noch nicht.
Report: Wie bereiten Sie sich auf den zu erwartenden verpflichtenden Einsatz vor?
Weiss: Wir beschäftigen uns laufend mit dem Thema. Die BIG ist bei der Normung im Boot und hat derzeit mit einem Gebäude der Musik-Universität in Wien ein Projekt mit ersten Ansätzen im Laufen.
Report: Wie wirkt sich der Megatrend der Digitalisierung bei der BIG auf den Betrieb von Gebäuden aus?
Weiss: Wir setzen derzeit auf ein computergestütztes Facility Management System. Das ist Stand der Technik und bereits breit in der Anwendung. Kosten können damit reduziert und Bewirtschaftungsprozesse optimiert werden. Zweifelsohne müssen aber die unterschiedlichen Disziplinen wie Architektur, Statik, Haustechnik, Bauphysik und Brandschutz verstärkt miteinander reden und verzahnt arbeiten.
Report: Vor einem Jahr meinten Sie im Hinblick auf das neue Energieeffizienzgesetz, dass sich durch Einsparungen im Betrieb, die dem Energieversorger verkauft werden können, neue Geschäftsmodelle ergeben könnten. Wie ist heute der Stand der Dinge?
Weiss: Wir selbst verfolgen konsequent die Ziele im Sinne des Gesetzes. Da bleibt wenig Raum für den Verkauf potenzieller, zusätzlicher Einsparungen. Darüber hinaus sind Energieversorger vereinzelt an unsere Kunden zu diesem Thema herangetreten, wobei die Reaktionen unseres Wissens sehr zurückhaltend sind.
Report: Warum?
Weiss: In vielen Fällen wäre es aufgrund des Volumens hauptsächlich für den Gebäudeeigentümer sinnvoll, Einsparungen weiter zu verkaufen. Diese Einsparungen werden aber zur Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung benötigt.
Report: Stichwort Nachhaltigkeit: Sie haben in einem ersten Schritt die eigenen, internen Prozesse an dem Thema ausgerichtet. Als nächster Schritt soll das Kerngeschäft hinsichtlich Nachhaltigkeit und Lebenszykluskosten gescreent werden. Wie weit sind Sie und welche konkreten Auswirkungen erwarten Sie?
Weiss: Wir haben zu diesem Thema ein eigenes Programm – das Holistic Building Program (HPB) – aufgesetzt. Damit verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz. Derzeit laufen mehrere Pilotprojekte, insbesondere um rasch Erfahrungen für zukünftige Bauvorhaben zu sammeln. Insgesamt erwarten wir uns langfristig einen qualitätssteigernden und ressourcenschonenderen Umgang über den gesamten Lebenszyklus der Gebäude.
Report: Die Tochtergesellschaft ARE startete zu Jahresbeginn 2015 ihre Wohnbauinitiative, in deren Rahmen bis 2020 rund 2 Mrd. Euro in die Errichtung von bis zu 10.000 Wohnungen investiert werden. Wie weit sind die Projekte fortgeschritten?
Weiss: Die Schaffung von Wohnraum ist aktuell eines der dringendsten Themen in der Immobilienwirtschaft. Bei einigen großen Projektentwicklungen in Wien konnten im vergangenen Jahr wesentliche Meilensteine erreicht werden. So wurde etwa im »Wildgarten« die Widmung beschlossen. In der Erdberger Lände ist der Abbruch der ehemaligen Postbusgaragen fast abgeschlossen. Beim Triiiple stehen wir vor Realisierung der ersten Bauphase. Alleine diese drei Bauvorhaben stehen für die Errichtung von weit mehr als 2000 Wohnungen. Insgesamt sind im Rahmen der Initiative bereits 1200 Wohnungen in Bau.
Report: Welche kurz-, mittel- und langfristigen Investitionen seitens BIG und ARE können Sie der Bauwirtschaft in Aussicht stellen?
Weiss: Wir erwarten nach einem Rückgang der Gesamtinvestitionen in den beiden vergangenen Jahren aufgrund neuer Projekte und auch der Wohnbauinitiative wieder eine Steigerung.
Report: Was sind aktuell die größten Herausforderungen für die BIG?
Weiss: Die europäische Flüchtlingskrise bleibt für uns ein großes Thema. Vor allem gilt es jetzt rasch Wohnmöglichkeiten zu schaffen, die den Integrationsprozess beschleunigen. Es gibt dazu ein eigenes Projektteam, das sich diesen Herausforderungen widmet. Darüber hinaus haben wir sehr große Projekte wie die Medizinische Universität Graz in Fertigstellung, aber auch zahlreiche andere, die demnächst starten. So werden beispielsweise die Universität für Angewandte Kunst oder die Medizinische Universität Innsbruck saniert. Auch im Bereich der Schulen gibt es viele Bauvorhaben, darunter die Neuerrichtung der AHS Wien West. Das größte Projekt in der Pipeline ist aber wieder eine Universität. Für die Medizinuni in Wien haben wir 2015 mehrere Liegenschaften in der Wiener Mariannengasse angekauft, um damit den Grundstein für die neue Vorklinik zu legen. Zusätzlich erreichen wir auch eine sehr spannende Zeit bei der Umsetzung der Wohnbauinitiative.