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Verschärfung der Entsenderichtlinie

Verschärfung der Entsenderichtlinie Foto: Thinkstock

Über eine mögliche Verschärfung der Entsenderichtlinie wurde auf nationaler und europäischer Ebene in letzter Zeit viel diskutiert. Mit seinem Vorstoß im Rahmen der Bilanz-PK der Porr zeigte CEO Karl-Heinz Strauss, dass die Gräben auch innerhalb der Baubranche groß sind. Der Bau & Immobilien Report hat ihn und GBH-Chef Josef Muchitsch zum verbalen Schlagabtausch gebeten.

PRO: Instrument für unfairen Wettbewerb

Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender Gewerkschaft Bau-Holz

Es ist wohl kaum realistisch, die Entsenderichtlinie mit Zustimmung aller EU-Mitgliedsstaaten zu verschärfen bzw. zu verkürzen. Warum auch – die EU-Ostländer profitieren ja davon, wenn sie Arbeitnehmer nach Öster­reich entsenden. Österreich muss trotzdem jede Gelegenheit nutzen, darauf aufmerksam zu machen, dass es sich hier um ein legales Instrument für einen unfairen Wettbewerb handelt. Die Grundfreiheiten der EU sollten es nicht ermöglichen, dass in Herkunftsländern günstigere Lohnnebenkosten und Sozialabgaben abgeliefert werden und parallel dazu legal billigere entsandte Arbeitskräfte in Österreich angeboten werden. Die Zahl der Entsendungen steigt, Österreich ist bereits unter den Top-3-Ländern in der EU mit den meisten Entsendungen.

Das vernichtet in Österreich Arbeitsplätze und regionale Wertschöpfung. Die Entsenderichtlinie sollte kurze Entsendungen ermöglichen, aber nicht ein Dauerinstrument für einen unfairen Wettbewerb werden. Es sind ja bekanntlich die österreichischen Firmen, welche sich dieser billigen und unfairen Praktiken bedienen. Generell sollte man die Sozialabgaben bei entsandten Arbeitnehmern nach dem jeweiligen Beschäftigerland vorschreiben. Das wäre eine Win-win-Situaton für den ausländischen Arbeitnehmer und die Sozialversicherung in seinem Heimatland, weil durch höhere Beiträge auch höhere Ansprüche erworben werden und somit auch die Kaufkraft im Herkunftsland gestärkt wird. Abgesehen davon hätten wir dann endlich den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit am gleichen Ort mit gleichen Lohnnebenkosten.


CONTRA: Nachhaltiger Schaden für Österreichs Wirtschaft

Karl-Heinz Strauss, CEO der PORR AG

Eine Verschärfung der Entsenderichtlinie scheint aus heutiger Sicht nicht zielführend. Im Gegenteil: Sie droht der österreichischen Wirtschaft nachhaltig zu schaden. Österreich ist ohnehin Musterschüler und hat innerstaatlich bereits mehr Maßnahmen realisiert, als es die derzeit gültige Entsenderichtlinie verlangt. Aus europäischer Sicht wären mit einer Verschärfung zwei Grundfreiheiten in Gefahr: die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die Freizügigkeit der Dienstleistungserbringung. Ob dies rechtlich hält, ist meines Erachtens fraglich. Volkswirtschaftlich würde die Verschärfung eine Abschottung der Märkte bedeuten und die Bewegungen am Arbeitsmarkt noch stärker hemmen.

Nicht zu unterschätzen ist auch die sozialversicherungsrechtliche Komponente. Heute ist es so, dass der Entsendete maximal fünf Jahre in seinem Heimatland sozialversichert bleibt. Danach muss er im Entsendeland angemeldet werden. Damit haben wir bei der PORR beispielsweise in Polen und neuerdings auch in Deutschland zu tun. Bevor wir über neue Regelungen nachdenken, müssen die Probleme an der Wurzel angepackt werden. Ich halte Kontrollen zur Unterentlohnung der Entsendeten in den jeweiligen Herkunftsländern für unverzichtbar. Hier ist die Politik EU-weit gefordert. Solange Länder wie beispielsweise Bulgarien gar keinen Anreiz zur Kontrolle und Unterbindung von gesetzeswidrigen Praktiken haben, wird sich nicht viel ändern.

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