»Wir sind die Ersten, die auf die Baustelle kommen, und die Letzten, die gehen«
- Written by Mag. Bernd Affenzeller
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Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report erklärt Gernot Kunz, Geschäftsführer von SiteLog Austria, welche neuen Geschäftsfelder sich für Baulogistiker durch Corona aufgetan haben, was die Baulogistik zur Produktivitätssteigerung beitragen kann und warum er im Gegensatz zu früher nicht mehr die Feuerwehr ist.
Report: Ist das Bewusstsein für den Stellenwert der Baulogistik durch die Coronakrise und die damit verbundenen Engpässe auf Baustellen gestiegen?
Gernot Kunz: Bei der Baustellenversorgung geht es darum, Engpässe zu überwinden und für Just-in-Time-Lieferungen zu sorgen. Dafür müssen Wege geschaffen und Flächen freigehalten werden. Das hat es immer gegeben. Was durch Corona erschwerend hinzugekommen ist, war das auf vielen Baustellen fehlende Personal. Das hat dazu geführt, dass auf vielen Baustellen zwar das Material vorhanden war, es aber mangels Arbeitskräften nicht weiter verarbeitet werden konnte.
Deshalb sind einige Werkunternehmer an uns herangetreten, ob wir nicht bei der Disposition des Materials auf der Baustelle selbst helfen können. Dazu kam das große Thema der Hygiene und der Reinigung. Da hat es schon eine deutliche Veränderung und Aufwertung unserer Tätigkeit gegeben, der wir mit Personalaufstockungen oder Verschiebung der Tagesfrequenzen begegnet sind.
Report: Die Bauwirtschaft ist aus einer Hochphase mitten in der Coronakrise gelandet. Kann die Branche und mit ihr die Baulogistik daraus etwas lernen?
Kunz: Auf jeden Fall. Wenn Systeme und Abläufe über einen längeren Zeitraum Bestand haben, kommt es immer wieder zu Leerläufen. Da gibt es natürlich Optimierungspotenzial. Man hat aber auch gesehen, dass der Druck nach den teilweisen Stilllegungen der Baustellen enorm war. Die Bauherren wollten die verlorene Zeit so rasch wie möglich wieder einholen, vor allem dort, wo die Baufirmen freiwillig die Baustellen ruhend gestellt haben.
Wir haben Baustellen, die kurz stillgelegt wurden, auf denen heute 200 Leute mehr arbeiten als vor Corona, um die verlorene Zeit aufzuholen. Das stellt die Logistik vor große Herausforderungen. Wir müssen Produktionsstraßen splitten und die Anzahl der Anlieferungswege erhöhen.
Report: Wie schnell kann die Baulogistik reagieren, wenn plötzlich 200 Leute mehr auf einer Baustelle sind?
Kunz: Das ist nicht ganz einfach. Das beginnt ja schon bei der Zugangskontrolle. In Summe muss man die gesamte Bauphasenplanung umstellen und an die neuen Rahmenbedingungen anpassen. Das muss in wenigen Tagen passieren, damit die Firmen produktiv arbeiten können. Das geht nur, wenn man auch Personal vor Ort hat, das sich mit den Bau- und Montageleitern abstimmen kann.
Report: Je früher ein externer Baulogistiker in ein Projekt einbezogen wird, desto mehr kann er bewirken. Ist das heute der Regelfall oder werden Sie als Feuerwehr geholt?
Kunz: Da hat sich in den letzten Jahren einiges geändert. Als ich vor zehn Jahren in die Branche gekommen bin, waren wir tatsächlich meist die Feuerwehr. Heute sind wir in der Regel von Beginn an dabei, oft schon in der Einreichphase. Gerade bei innerstädtischen Projekten ist das enorm wichtig, weil die Logistik hier einen ungleich höheren Stellenwert hat und die Auswirkungen auf das Umfeld enorm sind. Deshalb kümmern wir uns auch um die Anrainerkommunikation. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht, es ist aber nicht immer einfach. Im Idealfall sind wir die Ersten, die auf eine Baustelle kommen, und die Letzten, die gehen.
Report: Noch vor wenigen Jahren hat es geheißen, dass die Baulogistik hierzulande noch in den Kinderschuhen steckt. Wie sind Österreichs Baustellen aus Ihrer Sicht aufgestellt?
Kunz: Es gibt ein massives Ost-West-Gefälle. Fast alle Baulogistikprojekte finden in Wien statt. In den letzten zehn Jahren haben etwa wir als SiteLog gerade einmal zwei Projekte außerhalb von Wien begleitet. Damit stehen wir nicht alleine da. Wir sind in den Bundesländern zwar oftmals in der Planung mit dabei, sobald es zur Ausführung kommt, entscheiden die meisten Bauherrn, dass das ausführende Unternehmen auch die Logistik übernimmt. Das liegt natürlich auch an der Projektgröße. Ein klassisches Baulogistikprojekt beginnt bei ca. 20 Millionen Euro.
Report: Unternehmen, die Projekte dieser Größenordnung abwickeln können, haben auch interne Logistikabteilungen. Welchen Mehrwert können Sie als externer Dienstleister liefern?
Kunz: Die großen Bauunternehmen decken vor allem die Transportlogistik ab. Da geht es darum, die Wege zur Baustelle kurz und effizient zu halten. Mit einer echten Baulogistik hat das wenig zu tun, auch wenn es natürlich Überschneidungen gibt.
Wir arbeiten aber sehr eng mit den Logistikabteilungen der Unternehmen zusammen. Gerade wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht. Es gab ein großes Pilotprojekt mit einem renommierten Baustoffhersteller, die großen Materialmengen nachts schienengebunden in die Stadt in ein großes Logistiklager zu bringen und von dort mit einem Elektro-Fahrzeug just-in-time auf die Baustellen zu bringen. Damit kann man auch das Nachtfahrverbot für LKW umgehen. Es gibt viele internationale Beispiele, wo die Baustellenanlieferung ausschließlich nachts stattfindet. Das reduziert auch Stand- und Wartezeiten.
Report: Ein wesentliches Thema der Baubranche ist die Produktivitätssteigerung. Wo sehen Sie den größten Hebel?
Kunz: Da sind auf jeden Fall Methoden wie BIM und Lean Construction zu nennen. Auch da können wir einen großen Beitrag leisten. Aber das funktioniert nur, wenn der Bauherr an Bord ist. Das muss schon bei der Planung beginnen, wo der Architekt alles exakt definiert. Die BIM-Daten gehen dann an die Hersteller, die genau das auf die Baustelle liefern, was gebraucht wird. Noch bevor die Lieferung auf der Baustelle ankommt, bekommen wir den Liefercode, sodass man immer genau weiß, wann was auf der Baustelle ankommt. Zudem wissen wir immer, wer sich zum Zeitpunkt der Lieferung auf der Baustelle befinden wird und können so einschätzen, ob genügend Personal für die anstehenden Arbeiten zur Verfügung steht.
Report: Wie wird die Baustelle der Zukunft aussehen?
Kunz: Gerade bei Großprojekten geht der Trend ganz klar in Richtung Vorfertigung, um die Zeit auf der Baustelle zu verkürzen. Dadurch wird auch die Bedeutung der Baulogistik steigen.
Report: Werden die Bauunternehmen damit zu reinen Monteuren degradiert?
Kunz: Ich würde es nicht degradieren nennen. Aber es wird sicher zu einem Umdenkprozess bei allen Beteiligten kommen. Die Mitarbeiter werden sicher andere, neue Montagetechniken lernen.
Report: Wie digital wird diese Baustelle sein?
Kunz: An der Digitalisierung der Baustelle wird kein Weg vorbeiführen. Aber das ist ein Prozess, der sicher noch zehn Jahre dauern wird. Den klassischen Papierplan wird es auf der Baustelle sicher noch sehr, sehr lange geben. Dafür sind etwa die Mängelprotokolle schon heute voll digitalisiert. Die Papiermenge wird kontinuierlich zurückgehen.