Kreislauf am Bau
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Ein Drittel der Errichtungskosten von Gebäuden ist über Logistik beeinflussbar. Inbegriffen sind nicht nur Transport, sondern auch Umschlag, Flächenmanagement, Lagerung, Diebstahlschutz und Bauzeitverkürzung.
Zwei Drittel des Schwerlastverkehrs sind baustellenbedingt«, weiß Thomas Romm, Geschäftsführer von »forschen planen bauen« und sieht in der Reduktion des Baustellenverkehrs eine vordringliche Aufgabe der Baulogistik. Auf jede Wohnung in Wien entfallen etwa 2.500 bis 3.000 Fahr-Kilometer. Die durchschnittliche jährliche Bauleistung von 5.000 Wohnungen verursacht damit etwa 15 Millionen LKW-Kilometer.
Dass sich an diesem LKW-Verkehrsaufkommen so bald nichts ändern wird, davon ist Andreas Van-Hametner, Projektkoordinator beim Ressourcen Forum Austria, überzeugt. Bislang sei – mit Ausnahme Covid-19 bedingter Rückgänge – keine strukturelle Trendwende zu erkennen, was eine starke Zunahme von transportbedingten CO2-Emissionen mit sich bringt. Das steht den Forderungen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen entgegen, die zuletzt eine deutliche Verschärfung des Klimaziels gefordert hat.
Bild oben: Definierte Gipsabfälle dürfen künftig nicht mehr deponiert werden. »Hier wird ein komplett neues Logistikkonzept vonnöten sein«, kündigt Martin Car, Geschäftsführer des BRV, an.
Bis 2030 sollen die Treibhausgase nicht statt wie bisher geplant um 40, sondern um 55 Prozent unter dem Wert von 1990 liegen. Dass Baustellenverkehr anders ablaufen kann, hat bereits vor mehr als zehn Jahren der Stadtteil Thürnlhof in Wien Simmering bewiesen. Thomas Romm erinnert an das erfolgreiche Pilotprojekt von Rumba, bei dem eine Entfernungsbeschränkung das Kilometeraufkommen um ca. 66 Prozent reduzierte und über 70 Prozent Schadstoffe, Straßenabnutzung und Lärmbelästigung vermieden werden konnten. Für LKW-Fahrten, die während der Aushub- und Rohbauphase eine Maximaldistanz von 15 bzw. 10 km überschritten, musste Entgelt geleistet werden.
Abfallsortierinseln zur Trennung der Baurestmassen auf der Baustelle wurden angelegt, Zwischenlager für den Bodenaushub errichtet, sofern er nicht z.B. für die Geländemodellierung und die Grünraumgestaltung wiederverwendet wurde. »Maßnahmen wie Zwischenlagerung von Wiederverfüllmaterial, die Aufbereitung und Verwertung von Aushubmaterial sowie z.B. die Errichtung einer Ortsbetonanlage für eine Just-in-time-Logistik müssen proaktiv vom Baulogistiker betrieben werden, um Logistikaufwände so gering als möglich zu halten und Kosteneinsparungen zu ermöglichen«, fordert Thomas Romm.
Bild oben: Beton vor Ort auf der Baustelle situationsbezogen herzustellen, spart wesentlich an Zeit und Kosten. Wopfinger Transportbeton setzt auf mobile Mischanlagen bei Infrastrukturprojekten wie der S7 Fürstenfelder Schnellstraße oder dem Koralmtunnel.
Sogar Rohbaubögen können genutzt werden, etwa für Außenbereiche zur Grünraumgestaltung. Der Wohnungsbau in der Seestadt Aspern verwertet eine Million Tonnen Material aus dem eigenen Baugeschehen, die Logistik zwischen den Bauplätzen sorgt für die direkte Verwertung beinahe des gesamten Erdaushubs vor Ort. Mit dieser umweltfreundlichen Bauabwicklung werden über 100.000 Schwerlast-LKW-Fahrten im Stadtgebiet eingespart. »Das Ziel ist es, in der Bauwirtschaft und auch in allen anderen Branchen inner- und zwischenbetriebliche Materialkreisläufe zu schließen«, betont Andreas Van-Hametner. Das bedarf einer abgestimmten Logistik, Stichwort Circular Supply Chains.
Logistik vor Ort
Heute kann Digitalisierung zu einer Effizienz der Fahrten beitragen. Über Sensorik und Chips können Leerfahrten vermieden werden, betragen diese laut VCÖ derzeit doch etwa ein Drittel aller LKW-Bewegungen. »Das ermöglicht eine effiziente Baustellenorganisation und bessere Kooperationen mit Bau- und Projektpartnern«, ergänzt Hildegund Figl, Vorstand im IBO. In Zeiten stark steigender Wohnungspreise stehen betriebswirtschaftliche Errichtungskosten auf dem Prüfstand. Thomas Romm spricht den finanziellen Vorteil an.
Bild oben: Im Berichtsjahr 2019 wurde von österreichischen Unternehmen im Straßengüterverkehr mit 30,1 Millionen beladenen Fahrten (2018: 29,4 Mio.) ein Transportaufkommen von 402,2 Mio. Tonnen erbracht, was einer Zunahme um 2,3 % entspricht.
»Für die Bauwirtschaft bedeutete die Nass- und Trockenaufbereitung von Kies auf der Baustelle, Bahntransport bei Zement und die Miete für Zwischenlagerung eine Minderung von 4,5 Prozent beim Betonpreis.« Bereits ab einer Projektgröße von 400 Wohnungen rechnen sich mobile Baustellenbetonanlagen. Natürlich setzt das voraus, dass auf der Baustelle genügend Platz für die Zwischenlagerung von Aushubmaterial zur Verfügung steht. Können Baurestmassen auf der Baustelle nicht wiederverwendet werden oder stehen sie am Ende des Lifecycles, ist effiziente Entsorgung gefragt – in Zusammenhang mit sortenreiner Gewinnung ein entscheidendes Thema.
»Nachdem auch definierte Gipsabfälle künftig nicht mehr deponiert werden dürfen, wird hier ein komplett neues Logistikkonzept vonnöten sein«, zeigt Martin Car, Geschäftsführer des Österreichischen Baustoff-Recycling Verbandes, auf. Bei jeder Hochbau-Baustelle fallen diese Abfälle an, auch wenn sie im Vergleich zu Beton oder Mauerwerk massenmäßig geringer sind.«Sammelzentren werden interessant, vielleicht auch Bahntransporte, sollte die Behandlungsanlage für Gips an den bestehenden Standorten der Produktionsstätten im Herzen Österreichs verbleiben und größere Anfahrtswege notwendig werden«, meint Car. Für ihn ist es eine Frage der Zeit, dass Kreislaufwirtschaft zur Normalität wird. Als Werkzeug bietet sich der europäische Green Deal an, dessen Vision u.a. die Kreislaufwirtschaft als Standard im Jahr 2050 ist.
Kriterienkatalog erweitert
Mit Oktober 2020 gibt es eine Neuauflage des klima:aktiv Kriterienkatalogs für alle Gebäudekategorien Neubau und Sanierung, erweitert u.a. um die Themen Klimawandelanpassung, Netzdienlichkeit und Speicherfähigkeit, Re-Use sowie Kreislauffähigkeit von Baustoffen. Kreislauffähigkeit: Mit der Vorlage eines Rückbaukonzeptes werden die eingesetzten Materialressourcen eines Gebäudes schon in der Planung auf ihre Wiederverwendung und Verwertung geprüft.
Ressourcencheck
Im Rahmen des Projekts Materialeffizienzlabor wurde von Ressourcen Forum Austria und Stenum im Auftrag des BMK ein Ressourcencheck entwickelt, um produzierende Unternehmen bei der Identifikation von Potenzialen zur Steigerung der Ressourceneffizienz entlang des Produktlebenszyklus in sechs Bereichen zu unterstützen: Strategie, Managementsystem, Produktionsprozesse allgemein und branchenspezifisch sowie Lebenszyklus und Ökodesign.