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Hoffnungsträger mit Anlaufschwierigkeiten

Hoffnungsträger mit Anlaufschwierigkeiten Foto: Thinkstock

Groß waren die Hoffnungen, die die heimische Bauwirtschaft in das verpflichtende Bestbieterprinzip für öffentliche Bauaufträge setzte. Endlich sollte nicht mehr der Preis das allein selig machende Entscheidungskriterium sein. Etwas mehr als zwei Jahre nach der Einführung zeigt sich, dass die Erwartungen zumindest teilweise überzogen waren. Zu Umreihungen kommt es nur in den seltensten Fällen (siehe Kästen), positive Aspekte gibt es dennoch.

Am 1. März 2016 ist in Österreich das verpflichtende Bestbieterprinzip für öffentliche Aufträge ab einem geschätzten Auftragswert von einer Million Euro in Kraft getreten. Eine Zwischenbilanz der mit vielen Hoffnungen und Vorschusslorbeeren gestarteten Maßnahme fällt zumindest zwiespältig aus.

»Auf die anfängliche Euphorie seitens der Baubranche folgte nach den ersten Erfahrungen Ernüchterung«, erklärt Reinhard Kerschner, Unternehmensbereichsleiter für Österreich bei Strabag.  Zum einen erhalten qualitative Kriterien nicht den erhofften Stellenwert, der Preis ist – natürlich abhängig vom jeweiligen Auftraggeber, aber in der Regel doch – durchschnittlich immer noch mit rund 90 Prozent gewichtet. Zum anderen werden diese Kriterien auch nicht so formuliert, wie ursprünglich erhofft. »Anstelle von sozialen, ökologischen oder technologischen Kriterien holt sich die Auftraggeberseite auf diesem Weg Gewährleistungsverlängerungen, kürzere Bauzeiten und über den Normen liegende Qualitätsanforderungen«, kritisiert Kerschner.

Tatsächlich zählt die Verlängerung der Gewährleistung zum beliebtesten Zuschlagskriterium. Das verbessert aber weder die Qualität eines Projekts, weil es sich ja nicht um eine Garantie handelt, noch bietet es den Auftragnehmern echte Differenzierungsmöglichkeiten. Mehrere namentlich nicht genannt werden wollende Auftraggeber bestätigen gegenüber dem Bau & Immobilien Report auch, dass so auch trotz geltendem Bestbieterprinzip durch die hohe Gewichtung des Preises und die Wahl von Zuschlagskriterien, die praktisch jeder Auftragnehmer erfüllen kann, durch die Hintertür immer noch de facto Billigstbieterverfahren durchgeführt werden. Das deckt sich auch mit den Erfahrungen von Karl-Heinz-Strauss, CEO der Porr: »Die Zuschlagskriterien sind in der Regel so gewählt, dass sie alle Bieter, zumindest anteilig, erfüllen können. Ein Bietersturz kommt nur in den seltensten Fällen zustande, meiner Erfahrung nach bei weniger als fünf Prozent der Fälle.«

Kaum Umreihungen

Diese Einschätzung deckt sich auch mit den Recherchen des Bau & Immobilien Report. Rund 20 öffentliche Auftraggeber wurden kontaktiert und danach befragt, wie viele Vergaben seit 2016 nach dem Bestbieterprinzip durchgeführt worden sind und in wie vielen Fällen es durch dessen Anwendung zu einem Bietersturz gekommen ist, also nicht der billigste Anbieter den Zuschlag erhalten hat. Nicht alle lassen sich gerne in die Karten blicken oder können auf entsprechendes Statistikmaterial zurückgreifen, dort, wo die Zahlen verfügbar sind, zeigt sich aber ein deutliches Bild (siehe Kästen).

Die eigentliche Intention des Gesetzes, die Umreihung aufgrund von qualitativen Zuschlagskriterien, findet kaum statt. Bei der Asfinag kam es nur in acht von 302 Fällen zu einem Bietersturz (2,6 %), bei der für Straßenbau und -verwaltung in Wien zuständigen MA 28 nur in einem von 19 Fällen (5,2 %). Bei der Holding Graz Kommunale Dienstleistungen GmbH gab es bei 18 Ausschreibungen nach dem Bestbieterprinzip keine einzige Umreihung, Gleiches gilt für die Stadt Linz im Bereich Tiefbau und mehrere weitere öffentliche Auftraggeber, die anonym bleiben wollen. Fast schon Vorzugsschülerstatus haben Tiroler Landesstraßenverwaltung mit 14 Bieterstürzen bei 194 Fällen (7,2 %) und öffentliche Auftraggeber aus Kärnten. Im südlichsten Bundesland kommt die Abteilung Straßen, Brücken und Tunnel auf eine Umreihungsquote von 7 % und die Landesimmobiliengesellschaft sogar auf 10 %.

Eine relativ hohe Umreihungsquote erreicht auch das Land Niederösterreich bei besonders komplexen Projekten oder hohem Zeitdruck. »Dann verlangen wir etwa von den Anbietern Logistikkonzepte zur Abwicklung des Bauvorhabens oder führen Fachgespräche mit den vorgesehenen Projektleitern. Die Qualität der Angebot gewichten wir dann mit bis zu 30 %. Zu Bieterstürzen kommt es dann bei solchen Verfahren in rund 10 % der Fälle«, erklärt Gerhard Tretzmüller, Abteilungsleiter Gebäudeverwaltung im Amt der NÖ Landesregierung.

Die Richtung stimmt

Ob das Ziel des Gesetzgebers, bei öffentlichen Aufträgen den Preis als Entscheidungskriterium zugunsten von qualitativen Zuschlagskriterien zurückzudrängen, schon jetzt gelungen ist, darf angezweifelt werden. Aber auch wenn noch nicht alles Gold ist, was glänzt, so gibt es auch eindeutige positive Aspekte. »Überall dort, wo Auftraggeber qualitative Aspekte mit in die Ausschreibung nehmen, setzen sich die Bieter auch intensiver mit der Angebotserstellung auseinander«, ist Vergaberechtsexperte Stephan Heid, Heid Schiefer Rechtsanwälte, überzeugt. Die Unternehmen würden sich nicht nur bei den Zusatzkriterien mehr anstrengen, sondern auch beim Preis. Das bestätigt auch Alexander Walcher, Geschäftsführer Bau bei der Asfinag. »Unser Katalog umfasst mittlerweile ja bereits 30 unterschiedliche Qualitätskriterien, der Preis alleine gibt nicht den Ausschlag, sondern Qualität zahlt sich aus. Und unsere Erfahrung zeigt, dass das Bestbieterprinzip eine Steigerung der Qualität bei den angebotenen Leistungen generell gebracht hat.«

Zur weiterer Verbesserung und Effiziensteigerung sind laut Stephan Heid jetzt vor allem die Auftraggeber in der Pflicht. Der Gesetzgeber hat vorerst seine Schuldigkeit getan, die Rahmenbedingungen stimmen. »Es dürfen nicht immer nur dieselben Standardkritieren zur Anwendung kommen. Da braucht es Know-how.« Das sei aktuell aber auch noch ein Lernprozess. Immer mehr Auftraggeber justieren etwa auch nach, wenn sie feststellen, dass der Markt das eine oder andere Qualitätskriterium annähernd flächendeckend erfüllt. So werden etwa vom Land Niederösterreich aktuell praktikable ökologische Zuschlagskriterien geprüft, die künftig regelmäßig vorgeschrieben werden sollen. »Wir stehen vielleicht am Anfang der Reise, aber die Richtig stimmt auf jeden Fall«, ist Heid überzeugt.  Etwas kritischer die abschließende Einschätzung von Porr-Chef Strauss: »Die gängige Praxis zeigt, dass der Preis für Auftraggeber weiterhin das ausschlaggebende Kriterium zur Auftragsvergabe ist und die übrigen Zuschlagskriterien zu wenig Gewichtung erfahren. Eine Verbesserung der Situation ist aktuell nicht in Sicht.«


Kärnten: UA Landesimmobiliengesellschaft

Ausschreibungen nach dem Bestbieterprinzip seit 2016: 30

Eingesetzte Zuschlagskriterien:
❒ Referenzen des eingesetzten Personals
❒ Sozialpolitische Aspekte (Lehrlinge, ältere Arbeitnehmer)
❒ Ökologische Kriterien (Entfernung der Betriebsstätte zur Baustelle)

Umreihungen: 3

Anmerkung: Bei den drei Umreihungen waren einmal »sozialpolitische Aspekte« und zweimal sowohl »sozialpolitische Aspekte« als auch »Referenzen des Personals« ausschlaggebend.


Kärnten: Abteilung Straßen, Brücken, Tunnel

Ausschreibungen nach dem Bestbieterprinzip seit 2016: ca. 10

Häufigste Zuschlagskriterien:
❒ Qualitätssicherung
❒ Recycling/Ökologie
❒ Beschäftigung älterer Mitarbeiter
❒ Beschäftigung Lehrlinge

Umreihungen: 7

Anmerkung: Der Preis wird mit 85 % gewichtet. Gründe für die Umreihungen waren zweimal »Recycling/Ökologie« und »Beschäftigung älterer Mitarbeiter«, zweimal »Recycling/Asphalt«, zweimal »Beschäftigung älterer Mitarbeiter und Lehrlinge« und einmal »Beschäftigung älterer Mitarbeiter«.


Steiermark: Holding Graz Kommunale Dienstleistungen

Ausschreibungen nach dem Bestbieterprinzip seit 2016: 18

Häufigste Zuschlagskriterien:
❒ Verlängerung der Gewährleistungsfristen
❒ Verkürzung der Reaktionszeiten
❒ Qualifikation des Schlüsselpersonals
❒ sozialpolitische Kriterien
❒ ökologische Kriterien
❒ Referenzen
❒ Projektbezogene Erfahrung

Umreihungen: 0


Wien: MA 28 - Straßenbau und Straßenverwaltung

Ausschreibungen nach dem Bestbieterprinzip seit 2016: 19

Umreihungen: 1

Anmerkung: Das ausschlaggebende Zuschlagskriterium waren die sogenannten Tonnenkilometer, also etwa die Wegstrecke von einem Betonmischwerk zur Baustelle.


Tirol: Landesstraßenverwaltung

Ausschreibungen nach dem Bestbieterprinzip seit 2016: 194

Häufigste Zuschlagskriterien:
❒ Verlängerung der Gewährleistung
❒ Erhöhung der Pönale
❒ Ökologie/Transport
❒ Ökologie /Recycling

Umreihungen: 14


Asfinag

Ausschreibungen nach dem Bestbieterprinzip seit September 2015: 302

Umreihungen: 8

Anmerkung: Verantwortlich für die Umreihung waren in diesen Fällen die »Verlängerung der Gewährleistung« sowie »technische Qualitätskriterien«. Durch die Umreihungen erhöhte sich die Vergabesumme von insgesamt ca. 2,17 Mrd. € um ca. 1,1 Mio. € oder 0,051 %. 

Last modified onDonnerstag, 04 Oktober 2018 13:00
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