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Die jungen Wilden

\"WährendSie sind Mitte 30 und bereits ganz oben: Top-Manager mit ­Blitzkarriere. Mut, Überzeugungskraft, eine zündende Idee, ein glückliches Händchen oder von allem etwas – ihre Erfolgsrezepte sind unterschiedlich. An Zielstrebigkeit mangelt es keinem von ihnen.

Als Kind wollte er Daniel Düsentrieb werden. Heute träumt Daniel Mattes davon, mit seinem Zahlungssystem Jumio jegliches Bargeld überflüssig zu machen. Eigentlich könnte der 39-jährige Informatiker aus Wels auch einfach die Beine hochlegen und dem Luxus frönen. 2009 hatte Mattes sein vier Jahre zuvor gemeinsam mit Roman Scharf gegründetes Unternehmen Jajah verkauft. Dem spanischen Kommunikationskonzern Telefonica war der Spezialist für Internet-Telefonie mit rund 25 Millionen Kunden 207 Millionen Dollar wert. Auch Microsoft und Yahoo hatten Dienstleistungen an Jajah ausgelagert.

»Arbeit ist mein Hobby«, befand Mattes und begann unverzüglich an seinem nächsten »Baby« zu tüfteln. Jumio soll das Bezahlen im Internet und auf mobilen Geräten revolutionieren und vor allem sicherer machen: Allein in den USA beläuft sich der Schaden aus Kreditkartenbetrug jährlich auf rund 200 Milliarden Dollar. Die nötige Technologie kaufte Mattes von zwei israelischen Ingenieuren. Wie schon bei Jajah ist die Firmenzentrale in Kalifornien angesiedelt, das Entwicklungsbüro liegt diesmal in Linz.

Zum Netzwerken eigne sich Silicon Valley, wo in jedem Café Investoren und Entrepreneurs Geschäfte anbahnen, ideal. »Geldgeber setzen erstens auf die Idee bzw. das Produkt und zweitens auf das Führungsteam. Die Mischung muss passen: Wenn die Gründer keine Managementqualitäten besitzen,  kann die Idee noch so gut sein, es wird niemals etwas daraus werden«, meint der leidenschaftliche Unternehmer. Für Jumio konnte Mattes Facebook-Mitbegründer Eduardo Saverin als Investor gewinnen – nach dem Durchbruch mit Jajah fiel die Suche nach Kapitalgebern auch deutlich leichter. »Um jemanden von seinem Produkt zu überzeugen, muss man selbst uneingeschränkt daran glauben«, so Mattes, »wenn es Zweifel gibt, heißt es: zurück ins stille Kämmerchen und weiter daran feilen.«

>> Glücksritter unterwegs <<

Den letzten spektakulären Deal in der IT-Branche brachte erst kürzlich Oskar Obereder, Gründer des Internetanbieters SilverServer, über die Bühne. »Nach 17 erfolgreichen und spannenden Jahren habe ich mich zum Verkauf des Unternehmens entschlossen. Mit Tele2 habe ich den idealen Partner gefunden, um die Zukunft des Unternehmens und die professionelle Betreuung unserer Kunden langfristig zu sichern«, ließ Obereder noch mitteilen und zog sich unmittelbar darauf aus dem Geschäft zurück. Zuletzt betreute SilverServer 8.000 Kunden und erwirtschaftete rund 11,5 Millionen Euro Umsatz. Doch Tele2 dürften vor allem die Goodies reizen: In Wien verfügt SilverServer über ein Glasfasernetz von 300 Kilometern Länge. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart, die Branche spricht von 18 Millionen Euro.

Wie Mattes und Obereder jagten im Sog des New-Economy-Booms rund um die Jahrtausendwende unzählige Glücksritter nach dem großen Erfolg. Als die Internetblase platzte, verschwanden fast alle im Nirwana. Jene Gründer, die durchhielten, sind heute meist Millionäre. Dabei ist Reichtum für sie bestenfalls eine angenehme Nebenerscheinung, Hauptmotivation war der kurze Weg zum schnellen Geld keinesfalls. Denn so ungewöhnlich ihre Karrierewege verliefen, so beeindruckend sind sie als Unternehmerpersönlichkeit.

Die Geschichte der beiden Inode-Gründer Peter Augustin und Michael Gredenberg erinnert frappant an Bill Gates’ Garagenstory – mit dem Unterschied, dass für die ersten Computerbasteleien Gredenbergs Kinderzimmer herhalten musste. Die beiden 20-jährigen Internetfreaks wollten bloß ungestört surfen und dabei die Telefonrechnung und die Geduld von Mama Gredenberg nicht länger strapazieren. Eine private Standleitung sollte die Lösung sein, finanziert als selbstständiger Internetprovider. Einen PC und vier Modems umfasste das bescheidene Anfangsequipment anno 1996, bald war das 15 Quadratmeter große Zimmer mit 28 Rechnern und hunderten Modems vollgerammelt. Innerhalb von zehn Jahren entwickelte sich Inode (Slogan: »Wir sind die Guten«) mit über 100.000 Kunden, fast 300 Mitarbeitern und mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz zu Österreichs größtem privaten Internetprovider. Gredenberg und Augustin hatten es dann plötzlich satt, verkauften das Unternehmen an UPC und gingen erst einmal auf Weltreise. Die 40 Millionen Euro aus dem Verkauf parkten sie in Immobilien. Über ihre Tigris Beteiligungsgesellschaft investieren die beiden Privatiers außerdem in kleine IT-Unternehmen und geben auf diese Weise ihr Know-how weiter.

>> Auffallen und überzeugen <<

Auch Daniel Mattes liegen Jungentrepreneurs am Herzen. Wie Markus Wagner, der mit 3united ebenfalls Managementqualität bewies, hilft er als Business Angel interessanten Geschäftsideen auf die Beine. »In der Startup-Szene gibt es viele gute Ideen, aber wenn man nebenbei noch seinen Brotjob erfüllen muss, dann geht sich das rein zeitlich nicht aus«, meint Mattes. »So gesehen ist wahrscheinlich eine der wichtigsten Eigenschaften die Risikobereitschaft. Man muss schon ein wenig verrückt sein, im positiven Sinne.« Wer im Rahmen der Startup-Week, dem Fixpunkt der europäischen Technologie­szene, innerhalb von fünf Minuten sein Projekt vor der Jury überzeugend präsentieren kann, muss sich zumindest um die finanzielle Starthilfe keine Sorgen mehr machen.

Weniger leicht ist es, innerhalb eines Unternehmens die vielversprechendsten Talente finden. Internationale Konzerne wie Henkel, Allianz, Audi oder SAP setzen auf professionelle Personalmanagementsysteme, die talentierte Mitarbeiter identifizieren und gezielt fördern. Das Fischen nach den Besten be­ginnt schon an den Universitäten. In »Talent Pools« werden potenzielle Praktikanten ausgesiebt, die im Unternehmen ein mehrmonatiges Trainee-Programm durchlaufen. Absolventen, die hier durch Kreativität und überdurchschnittlichen Einsatz auffallen, haben gute Chancen auf eine steile Karriere.

Begabte Mitarbeiter, die auf den Hinterbänken eines Unternehmens dahinschlummern, sind dagegen schon schwerer herauszufiltern. Die einen ahnen kaum, was in ihnen steckt, den anderen fehlt oftmals die Unterstützung der Vorgesetzten, um ihr Potenzial entfalten zu können. Unternehmen sind deshalb gut beraten, alles daran zu setzen, Top-Leute zu gewinnen, zu fördern und zu halten: Sie sind die Führungskräfte von morgen.

Publicityaktionen wie »CEO of the Future« – Europas größtem Förderwettbewerb für Nachwuchsführungskräfte, initiiert von der Unternehmensberatung McKinsey – dienen den teilnehmenden Konzernen eher dazu, sich vor interessierten Berufseinsteigern möglichst attraktiv zu präsentieren, als tatsächlich künftige CEOs zu rekrutieren. Einen möglichst hohen Turm aus Papier und Klebeband bauen oder ein neues Haarpflegeprodukt kreieren und promoten: Aufgaben wie diese müssen die rund 2.000 Kandidaten bewältigen und die Jury möglichst nachhaltig beeindrucken. Das Finale in Kitzbühel konnte heuer Anfang November ein 24-jähriger Medienassistent aus Norddeutschland für sich entscheiden. Ihren Weg werden zweifellos auch alle anderen Teilnehmer machen: Mit ausgezeichnetem Abitur, Doppelstudium, MBA, mehreren Fremdsprachen, diversen Stipendien und Auslandspraktika zählen sie schon jetzt zur Elite der angehenden Manager.

>> Lebenslauf mit Kanten <<

Zeigt ihr Lebenslauf einige Kurven und Brüche oder fehlt ein akademischer Abschluss, ist eine Konzernkarriere eher unwahrscheinlich – wenn auch nicht unmöglich, wie Ausnahmen immer wieder beweisen. Der gelernte Maschinenbauer und passionierte Dirigent Erich Pichorner gab mit 23 sein Musikwissenschaftsstudium auf und verdingte sich sechs Jahre lang als Regionalverkaufsleiter beim Studentenabo-Vertrieb Academia. Im Jahr 2000 wechselte der Kärntner als Kunden- und Personalberater zu Manpower nach Graz und leitete ab 2003 die Niederlassungen in Weiz und Fürstenfeld. Weitere zwei Jahre später wurde der 34-jährige Operation-Director, 2007 übernahm er die Geschäftsführung von Manpower Österreich.
Als Personaldienstleister sieht er seinen untypischen Lebenslauf nicht unbedingt als Nachteil: »In jungen Branchen können Sie mit Einsatz, Leistungswillen und Lernfähigkeit relativ schnell Karriere machen. In Unternehmen, in denen seit 150 Jahren alles einzementiert ist, haben Sie dagegen mit dem falschen Lebenslauf keine Chance.« Man müsse aber »proaktives Handeln zeigen«, meint Pichorner: »Wenn man immer Ja und Amen sagt, fährt der Zug über einen drüber. Man wird nicht wahrgenommen.« Jugendlichkeit sei selten ein Problem, eher die Unerfahrenheit: »Man ist in seinen Entscheidungen zu schnell und sieht sich selbst zu sehr als Mittelpunkt der Welt.«

Auch Immobilieninvestor René Benko machte wegen seines Alters keine negativen Erfahrungen. »Wenn man Erfolg hat, hat man natürlich auch Neider. Aber für meine Geschäftspartner waren meine Erfolge wichtig und nicht mein Alter«, meint Benko rückblickend.

>> Profitable Geschäfte <<

Von Beginn an machte René Benko Nägel mit Köpfen. »Man hat ein Ziel und diesem ist alles unterzuordnen«, sagt der Immobilienprofi. »Risikobereitschaft, Fachwissen, Konsequenz und Kommunikationsfähigkeit sind weitere unabdingbare Faktoren eines erfolgreichen Unternehmers.« Zögern und Zaudern sind ihm völlig fremd. Eine Matura, geschweige denn einen Studienabschluss kann er nicht vorweisen, denn die Handelsakademie schmiss er mit 18 kurz vor dem Finale, um sich mit dem Ausbau von Dachböden eine goldene Nase zu verdienen. Mit 22 überzeugte er den 51-jährigen Karl Kovarik, der soeben die geerbten Stroh-Tankstellen um kolportierte 300 Millionen Euro an die OMV verscherbelt hatte, von einer neuen Geschäftsidee: Die vier Ärztezentren Medicent bilden heute eines von mehr als 50 Unternehmen der Signa Holding, an der Kovarik noch immer rund 48 Prozent hält. »Eine herausragende Idee und ein klares und umsetzbares Geschäftsmodell sind zweifelsohne die besten Argumente für Geschäftspartner oder Banken«, sagt Benko zu diesem Blitzstart, »idealerweise soll darüber hinaus sichergestellt werden, dass auch die Geschäftspartner von diesem Modell profitieren.«

In Innsbruck putzte der aus einfachen Verhältnissen stammende Tiroler das Kaufhaus Tyrol, lange Zeit ein Schandfleck im Stadtbild, wieder neu heraus. In die Elite der Immobilieninvestoren katapultierte sich Benko aber 2007 durch den spektakulären Bawag-Deal. Der damals 30-Jährige machte gegen die als sicherer Sieger gehandelte Immofinanz das Rennen und erwarb die 16 zum Verkauf stehenden Immobilien um 450 Millionen Euro – mitten in der Wiener Innenstadt entsteht nun eine Luxus-Shoppingmeile internationalen Formats. Längst gilt er als »neuer Wlaschek«, denn wie der legendäre Billa-Gründer rührt auch Benko ebenso ungeniert wie erfolgreich im Immobilienmarkt um. An Selbstbewusstsein und Überzeugungskraft mangelt es ihm nicht, mit seiner umgänglichen Art ist er aber sozial weitaus verträglicher als der verschrobene Einzelgänger Wlaschek.

»Benko ist sicher eine Ausnahmeerscheinung«, sagt Marion Weber, Geschäftsführerin der Personalberatung Kienbaum. Der Selfmade-Millionär bewies nicht nur ein gutes Händchen, sondern auch Köpfchen: Von Beginn an umgab er sich mit Investment- und Immobilienprofis und spann ein illustres Netzwerk, zu dem auch so unterschiedliche »Freunde« wie Altkanzler Franz Vranitzky, die frühere Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer, Casinos-Boss Karl Stoss, Ex-Bank Austria-Chef Karl Samstag und Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly zählen. Sein wichtigster Partner, der griechische Reeder George Economou, ist seit 2008 mit an Bord. Gemeinsam peilt das Duo derzeit den bisher größten Coup an: Das Bietergefecht um die deutsche Kaufhauskette Kaufhof geht bereits in die letzte Runde. Bremsen könnte Benko diesmal nur eine Anzeige wegen Verdachts auf Geldwäsche.

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