»Kunden haben Lehren gezogen«
- Written by Mag. Angela Heissenberger
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Helmut Praniess im Interview.
Infolge der Finanzkrise zogen weltweit rund 25 Prozent der Anleger zumindest teilweise ihr von Privatbanken verwaltetes Vermögen ab. Mehr Beratung, Transparenz und Sicherheit sollen helfen, das Vertrauen der betuchten Klientel wieder zu gewinnen.
(+) plus: Die Konjunktur entwickelt sich überraschend positiv. Merken Sie auch bei Ihren Kunden, dass sich wieder mehr Optimismus breitmacht?
Helmut Praniess: Als die Marktzinsen Anfang 2009 schlagartig wie ein Stein abstürzten, sind die Anleger aus Risikopapieren ausgestiegen und haben sehr viel in Cash geparkt, später gab es einen starken Drang zu festverzinslichen Wertpapieren. Das hält nach wie vor relativ stark an. Wir spüren zwar die Konjunktur, aber die Risikoaversion ist ähnlich geblieben. Es werden zwar wieder mehr Aktien gekauft, aber durchaus mit Zurückhaltung. Man wartet erst einmal ab, ob sich die Entwicklung tatsächlich stabilisiert. Dazu kommt relativ wenig Nachfrage nach Finanzierungen. Wenn investiert wird, dann aufgrund des niedrigen Zinsniveaus mit vorhandenen Einlagen. Der Optimismus ist schon deutlich größer, aber die Kurssteigerungen sind bisher von wenig Liquidität getrieben – da sind noch lange nicht alle im Markt, die früher dabei waren.
(+) plus: Was hat sich durch die Finanzkrise verändert?
Praniess: Die globale Marktkapitalisierung hat sich Ende 2008 halbiert. Bei Kurswertverlusten von 50 Prozent hat natürlich schon manche der Schlag getroffen. Die Kunden haben daraus ihre Lehren gezogen. Nahezu alle Mitbewerber haben Vermögensverwaltung so angeboten, dass mit dem Kunden eine sogenannte Allokation der Assetklassen vereinbart wurde, z.B. aufgrund des Risikoprofils 50 Prozent Aktien und 50 Prozent Anleihen. Und der Fondsmanager ist stur nach dieser rigiden Formel durchgetaucht – egal, woher der Wind geblasen hat und wie stürmisch es war. In einer modernen Vermögensverwaltung reichen diese klassischen Bewertungsmethoden nicht mehr. Die Märkte werden nicht unbeträchtlich von Stimmungen getrieben – das zeigt das Beispiel Japan. Anfang März sind die Börsenkurse abgestürzt, aber eigentlich ohne fundamentale Begründung. So tragisch Fukushima ist, die Weltwirtschaft wird dadurch nicht aus den Angeln gehoben.
(+) plus: Entsprechend dem wissenschaftlichen Ansatz »Behavioral Finance« lassen Sie diese psychologischen Faktoren inzwischen in die Bewertung einfließen. Hat sich die Methode in der Praxis bewährt?
Praniess: Behavioral Finance versucht zu messen, wie sich beispielsweise Medienberichte auf Kurse auswirken oder den Markt in eine Richtung treiben. Es liegt auf der Hand, dass es neben fundamentalen Daten auch andere Einflussfaktoren gibt. Je nach Risikoprofil des Kunden haben wir unterschiedliche Bandbreiten, innerhalb derer ein Fondsmanager agieren kann: Er kann zum Beispiel im Geldmarkt zwischen null und 70 Prozent investiert sein, 30 bis 80 Prozent Aktien oder bis zu 70 Prozent Anleihen halten. Als an diesem Freitag im März das Erdbeben in Japan passierte, waren wir in diesem Beispielsportfolio mit 67,5 Prozent in Aktien investiert, nutzten also die Bandbreite fast zur Gänze aus. Innerhalb von Stunden rief das Investmentkomitee eine
Telefonkonferenz ein und verständigte sich darauf, die Aktienquote herunterzusetzen und in den Geldmarkt umzuschichten – im Wissen, dass es sich um keine nachhaltige Entwicklung handelt, und um bei positiveren Aussichten sofort in die anderen Assetklassen investieren zu können. Wenn es in der Welt einmal
rumpelt, dann rührt sich auch im Portfolio etwas.
(+) plus: Für diese Entscheidung muss ich aber nicht unbedingt Psychologin sein. Dass die Kurse fallen, wenn etwas derart Dramatisches passiert, liegt doch auf der Hand?
Praniess: Nehmen Sie einmal Ihr eigenes Portfolio: Was machen Sie, wenn schlechte Nachrichten kommen? Steigen Sie mit Panik sofort aus und sperren Ihr Bargeld in den
Safe? Die meisten reagieren gar nicht und warten ab, leider oft bis es schon zu spät ist. 2008 gab es schon einige, die die Nerven weggeschmissen haben und die Verluste tatsächlich realisiert haben.
(+) plus: Fordern die Kunden selbst mehr Beratung ein?
Praniess: Absolut. Jeder Kunde hat die Gewähr, dass immer ein zweiter Berater im Detail über seine Situation Bescheid weiß. Ob Urlaub, Krankheit, Seminare – es ist undenkbar, dass ein Kunde zwei Monate im Jahr keinen Ansprechpartner hat. Wir haben mit dem Kunden vier bis sechs Kontakte pro Jahr und gleichen ständig ab, ob die vier Eckpfeiler Vorsorge, Vermögen, Sicherheit und Liquidität noch mit seinen Zielen und der Marktentwicklung übereinstimmen. Oft kommen Kunden mit Kisten – das ist nicht übertrieben – voller Unterlagen, weil sie sich nicht mehr auskennen. Genau für diese Kunden ist eine Vermögensverwaltung das richtige.
(+) plus: Wie erstellen Sie einen Finanzplan?
Praniess: Wie bei einem Erstgespräch müssen wir präzise Informationen vom Kunden bekommen: über seine Ziele, seine Vermögenssituation. Wir machen ein Abbild seiner Vermögensstruktur und zeigen dann, inwieweit diese Struktur die vorher definierten Ziele langfristig unterstützt. Überspitzt formuliert: Der Kunde kommt mit Bananenschachteln zu uns und bekommt ein »Buch« oder eine CD-Rom, die seine gesamte Vermögensstruktur abbildet. Der Financial Planner macht aber keine Produktvorschläge. Das ist Sache des Kundenberaters, der passend zum Kunden das geeignetste Instrument aus dem weltweiten Universum auswählt.
(+) plus: Welche Faktoren werden dabei berücksichtigt?
Praniess: Langfristiger Vermögenserhalt für die Kinder, Sicherheit sowie Liquidität sind wichtige Themen. Wenn ein Kind in zwei Jahren studieren oder heiraten wird und dann Liquidität für einen Wohnungskauf gebraucht wird, müssen wir abreifende Vermögensbestandteile so verpacken, damit wir sie in zwei Jahren abrufbar haben. Denn nichts ist schlimmer, als Wertpapiere zu einem ungünstigen Zeitpunkt verkaufen zu müssen.
(+) plus: Vorsorge ist ein recht tabuisiertes Thema – auch bei Ihren Kunden?
Praniess: Die Menschen machen sich mit 40 oder 50 noch keine Gedanken, wie das einmal sein wird. Aber haben sie dieses Einkommen dann noch, wenn sie es genießen könnten? Manche Kunden kommen mit der Erhaltung von Immobilien, einem Ferienhaus etc. auf einen monatlichen Aufwand von 7.000 Euro, die staatliche Pension beträgt 2.000 Euro – wie soll sich das ausgehen, ohne Substanz anzuknabbern? Je zeitgerechter man das zum Thema macht, umso besser.
(+) plus: Vor ein paar Jahren wurde sehr stark in Immobilien investiert. Hat sich hier das Interesse erschöpft?
Praniess: Immobilien waren insbesondere in den Jahren 2009 und 2010 noch ein großes Thema, wobei man sagen muss, Immobilien sind ja wie Gold kein wirklicher Inflationsschutz. Eine Immobilie macht dann Sinn, wenn ich heute davon ausgehen kann, dass die Wertsteigerung der Immobilie langfristig die Inflationsrate schlagen wird. Gekauft wurde aber auch Grund und Boden, nämlich mit der Einstellung: Wenn es in der Welt ganz schlecht wird, habe ich wenigstens einen Acker, wo ich mein Gemüse und Salat anbauen kann.
(+) plus: Steht die Vermögenserhaltung heute mehr im Vordergrund als die Vermögensvermehrung?
Praniess: Ich glaube, dass unserer Klientel eine sichere Veranlagung heute wichtiger ist als die Rendite. In guten Jahren, etwa 2006/2007, sind schon Kunden gekommen, die sich acht oder zehn Prozent erwartet haben. Dann zeigt man in einer Vergangenheitsanalyse auf, welche Instrumente es gebraucht hätte, um diese Zielrendite zu schaffen. In so einem Portefeuille wäre sehr viel Risiko drinnen. Schläft der Kunde noch gut, wenn er einmal buchwertmäßig 40 Prozent des eingesetzten Kapitals verliert? Meist relativiert sich damit die Frage nach der Rendite.
(+) plus: Haben Sie mit der Erfahrung von 2008 nicht ein gutes Argument in der Hand?
Praniess: Manche vergessen schon wieder. Und wenn man sich den kleinen ATX anschaut, sind wir schon noch weit von früheren Höchstständen entfernt. Aber einige haben bereits aufgeholt und die Gier wieder neu entdeckt. Dennoch hat das Spekulieren grundsätzlich einen anderen Stellenwert bekommen. Das trifft auch unseren Ansatz.