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Paradigmenwechsel

\"DerKeine fünf Prozent beträgt der Frauenanteil in der Fachgruppe Baugewerbe. Aber eine Trendumkehr hat eingesetzt: Immer mehr Frauen erobern Planungsbüros und Baustellen.

Von Karin Legat

 

Diversity ist für Waagner-Biro am Bau erfolgsentscheidend. »Ein Team mit unterschiedlichen Zugängen erreicht aus unserer Sicht immer die besseren Lösungen«, betont Karina Breitwieser, Leiterin des Projektmanagements beim Stahlprofi. »Die Rolle der Frau am Bau wird immer wichtiger. In dem dringend notwendigen Paradigmenwechsel weg vom Egoismus zu mehr Partnerschaftlichkeit in der Baubranche können Frauen wesentliche Impulse liefern«, bestätigt auch Wolfgang Kradischnig, Geschäftsführer bei Delta, deren Schwerpunkte Architektur, Generalplanung und Baumanagement sind. »Es wird immer selbstverständlicher, dass Frauen mit am Planungstisch sitzen, die Projektsteuerung in der Hand haben oder die Bauarbeiten überwachen.« Bei Waagner-Biro bilden Frauen schon seit langem Teile der Projektleitung. »Frauen, die in der Technik erfolgreich sind, haben zumeist eine harte Schule hinter sich, in der sie immer wieder unter Beweis stellen mussten, dass sie mindestens so qualifiziert sind wie ihre männlichen Kollegen. Dieser Werdegang kann aus Frauen starke Persönlichkeiten machen, die sich am Bau gut durchsetzen«, so Breitwieser.


Frauen-Männer-Welt

Überdurchschnittliches technisches Wissen, eine offene Herangehensweise an Problemlösungen, Neugierde und Bereitschaft zur Teamarbeit – damit kann frau am Bau punkten. Bisher waren Frauen zumeist in der Rolle der Architektin, der Tragwerksplanerin oder der Fachingenieurin zu finden. Das hat sich gewandelt, heute verlangt der Bau nach der Projektmanagerin, Bauleiterin und Führungsmanagerin. Waagner-Biro setzt Technikerinnen zunehmend im Fassadenbau und in der Statik ein. Dabei muss frau sich etwas anpassen. »Frauen in Führungspositionen müssen nicht männlich agieren, sie können durchaus weiblich sein. High Heels sind aber kein Thema auf einer Baustelle«, lacht Margit Iwantscheff, Inhaberin des Planungsbüros baubar. »Und frau muss sich laufend profilieren. Generell fällt aber auf, dass Frauen ernster genommen werden. Das hängt natürlich mit Alter und Erfahrung zusammen.« Auch die Männer am Bau haben sich geändert. »Der Umgangston ist ein anderer, wenn Frauen die Baustelle leiten. Es hängen vielleicht auch keine Pin-ups in den Baucontainern«, ergänzt Univ.-Prof. Sabine Pollak, Leiterin des Bereichs Architektur|Urbanistik an der Kunstuniversität Linz und Partnerin des Büros Köb&Pollak Architektur.

Diversity am Bau

»Wenn man stereotyp antwortet, könnte man sagen, Frauen eignen sich besser für Typologien wie betreutes Wohnen, da sie schon seit Jahrhunderten die alten Menschen betreuen. Das stimmt aber nicht. Es gibt viele Gegenbeispiele, bei denen Männer ganz sensibel an solche Aufgaben herangehen«, zeigt Pollak auf. »Natürlich sind eigene Erfahrungen entscheidend«, ergänzt Margit Iwantscheff. »Ich habe aber  auch schon einen Gewerbebetrieb für Kreissägenhersteller geplant, was überhaupt nicht weiblich ist.« Die klassische Aufgabenzuteilung ist also nicht mehr aktuell, Unterschiede kann es jedoch in der Herangehensweise geben. »Wir erleben es bei unseren Mitarbeiterinnen im Planungs- und Baumanagementbereich. Sie haben keinen rein technischen Zugang, sondern auch oder vor allem einen künstlerischen und beziehungsbetonten. Vielleicht blühen Frauen dadurch besonders in Hochbauprojekten auf, was an der ästhetischen Komponente liegen mag, die etwa im Tunnelbau fehlt«, betont Kradischnig, lehnt eine vorschnelle Klassifizierung jedoch ab. »Es gibt bestimmt auch Frauen, die sich bei Tiefbauprojekten wohler fühlen.«

Stark im Kommen

»Die Baubranche ist immer noch eine Männerwelt. Aber wir Frauen sind stark im Kommen. Wir mischen, bauen und reden mit«, stellt Iwantscheff klar. »Es macht mir sehr viel Spaß, an der Planung und Errichtung eines Gebäudes entscheidend mitzuwirken«, nennt die 29-jährige Baumanagerin Evelyn Parnigoni von Delta stellvertretend für viele ihrer Kolleginnen den Schwerpunkt ihrer Arbeit. Heike Leonhardt, Planerin bei Delta, verweist auf die kommunikative Stärke. »Jeden Tag habe ich mit Menschen aus den verschiedensten Bereichen zu tun, seien es Bauherren, Handwerker oder Behörden. Ich schätze diesen Austausch sehr.« Die bessere Kommunikationsfähigkeit ist eine der Eigenschaften, die auch von Psychologinnen als Frauenstärke genannt wird. »Frauen sind einfühlsamer und hören auf der Beziehungsebene gut zu. Dadurch können wir besser auf Gesprächspartner eingehen als manche Männer«, weiß Bettina Reinisch, Psychotherapeutin und Coach für Frauen in Führungspositionen. »Durch effektiveres Kommunikationsverhalten kommen Frauen oft mit weniger Konflikten zum gewünschten Ziel«, bestätigt Karina Breitwieser von Waagner-Biro. Und Iwantscheff ergänzt: »Mit einer Architektin gestaltet sich auch die Arbeit mit Auftraggeberinnen einfacher. Viele Frauen fühlen sich missverstanden, zu wenig ernst genommen und schlecht informiert. Sie haben eine Idee und wollen diese umsetzen. Hier ist die Zusammenarbeit mit einer Planerin meist leichter als mit dem männlichen Pendant.«

Vorderste Front

Traditionelle Rollenzuschreibungen lassen sich nicht auf Zuruf ändern. Akzeptanz und Anerkennung gegenüber Frauen gewinnen am Bau aber zunehmend an Raum. »Frauen erhalten die Möglichkeit, in der ersten Reihe zu stehen«, weiß Kradischnig aus eigener Erfahrung. Dabei dominieren allerdings noch Partnerschaften. »Eine One-Woman-Show ist selten«, berichtet Iwantscheff, nennt aber doch stellvertretend für viele Planerinnen einige erfolgreiche österreichische Architektinnen. »Elke Delugan-Meissl mit ihrem Projekt K47 am Donaukanal, interessant finde ich auch Francoise-Hélène Jourda von der TU Wien.« Selten zu finden sind Frauennetzwerke. »Vielfach dominiert Konkurrenzdenken«, versucht Iwantscheff eine Erklärung. »Hier kann uns die Schweiz als Vorbild dienen«, schlägt Pollak vor, die sich Gender- und Urbanistiktheorien widmet. In Zürich gibt es etwa das Projekt P,A,F., das sich mit der Gleichstellung von Frauen auf allen Ebenen der Architektur, Planung und Ausführung beschäftigt.

Dagegen halten

Alle Bauprofis sind sich einig: Die Baubranche mit ihren kreativen, technischen und organisatorischen Anforderungen liegt Frauen. Sie dürfen aber nicht zimperlich sein. »Bei Besprechungen sitze ich oft zehn Männern und mehr gegenüber. Frau wird hier scharf geprüft, gediegenes Fachwissen ist gefragt«, sagt etwa Baumeisterin Nadja Wasserlof. Dass die Zukunft am Bau Frauen offen steht, daran besteht wenig Zweifel. »Aus unserer Sicht haben Frauen schon in so vielen Bereichen, die früher nur für Männer typisch waren, ihren Platz verdient erhalten und werden an diesem auch sehr geschätzt. Es ist an der Zeit, dass diese Entwicklung auch in der Baubranche flächendeckend Einzug hält«, blickt Kradischnig in die Bauzukunft. Dazu muss die Baubegeisterung weiter forciert werden. »Und zwar nicht nur für Architektur, wo der Frauenanteil bereits sehr hoch ist, sondern auch für Statik oder auf der Baustelle«, fordert Breitwieser und sieht eine Lösung in »role models«. »Junge Frauen müssen sich an erfolgreichen Frauen in technischen Berufen orientieren können, die gesellschaftliche Anerkennung erhalten und die zeigen, dass Familie und Beruf in Balance gelebt werden können.« Einen entscheidenden Faktor der Karriereplanung von Frauen bildet auch die Umsetzbarkeit der Work-Life-Balance. »Ein modernes Unternehmen muss Flexibilität im Umgang mit Arbeitszeiten bieten sowie gewisse Auszeiten organisatorisch lösen und diese nicht als Verhinderungsgrund für ein Weiterkommen oder eine Führungspositionen sehen.«  

>> Pariser Baufrauen:

Ein erfolgreiches Projekt von Waagner-Biro, bei dem einige der Schlüsselpositionen mit Frauen besetzt waren, wurde zuletzt in Paris abgeschlossen: ein Ausstellungspavillon in einem der Höfe des Musée de Louvre. Frauen haben das Projektmanagement betrieben, die Statik und das Einkaufsmanagement. Selbst die Seniorenrolle des Project Directors war weiblich besetzt. Ausschlaggebend beim Auftragszuschlag waren v.a. die Sprachkenntnisse, denn letztlich entscheiden laut Waagner-Biro immer Kompetenz und Engagement.

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