Schlechtes Image, guter Werkstoff
- Written by Redaktion
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Dem Werkstoff Beton eilt in der breiten Öffentlichkeit nicht der beste Ruf voraus. „Wir haben mit einem Imageproblem zu kämpfen“, gibt auch Gernot Brandweiner, Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Beton- und Fertigteilwerke, offen zu. Und betrachtet man die Geschoßbauten der 60er- und 70er-Jahre, dann sei das schlechte Image nicht einmal unverdient. „Es wurde sehr billig, ohne Architektur und sogar fehlerhaft gebaut. Die Folge sind schrecklich anzusehende, hellhörige und schlecht gedämmte Wohnbunker“, so Brandweiner. In der Zwischenzeit hat die Branche viel dazugelernt, heute wird der Werkstoff ganz anders eingesetzt. Dank der hohen Innovationsbereitschaft der Interessensverbände und ihrer Mitgliedsunternehmen hat sich Beton zu einem Hightechprodukt mit großem Zukunftspotenzial entwickelt. Dabei stehen vor allem die Themen Energie und Bauteilaktivierung im Vordergrund. „Gerade beim Heizen und Kühlen bietet Beton aufgrund der Speichermasse enorme Vorteile“, berichtet Robert Holzer, Leiter der Fachgruppe Fertigteile beim VÖB. Am Department für Bauen und Wohnen an der Donau-Universität Krems hat der VÖB gemeinsam mit dem Austrian Institute of Technology AIT das Forschungsprojekt „Aktivierung thermischer Speichermassen in Gebäudestrukturen aus Beton“. Ziel ist die „Erforschung der Potenziale aktiver Speichermassenbewirtschaftung in Betonbauteilen kleinvolumiger Wohngebäude zum Zweck der Steigerung von Behaglichkeit und Energieeffizienz“, heißt es etwas sperrig. Das Forscherteam um Peter Holzer und Renate Hammer untersucht dabei speziell die energetische Nutzung der thermischen Speichermassen des Kellers und seiner Wechselwirkung mit ebenfalls aktivierten Massen des darüber liegenden Gebäudes.
Auch die Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie VÖZ ist in Sachen Bauteilaktivierung nicht untätig. In Salzburg soll der erste bauteilaktivierte Simulationsraum Österreichs verlässliche Daten über diese neue Form des Heizens und Kühlens liefern (siehe Kasten). „Mit Projekten wie diesen bestätigt Österreich seine internationale Vorreiterrolle in der Beton- und Zementforschung“, sagt VÖZ-Geschäftsführer Felix Friembichler und berichtet von einem aktuellen VÖZ-Projekt zur CO2-Reduktion bei der Zementherstellung. „Es ist uns gelungen, im Labor einen Zement zu entwickeln, der bei gleicher Qualität um 10 % weniger CO2-Emissionen verursacht“, erzählt Friembichler. Bei der Entwicklung waren alle Mitgliedsunternehmen eingebunden. Derzeit werden Werksversuche durchgeführt, um herauszufinden, ob die Produktion auch in allen Unternehmen möglich ist.
Auch der VÖB ist abseits der Bauteilaktivierung in der Forschung aktiv. Am Institut für Tragkonstruktionen der TU Wien ist derzeit das Folgeprojekt zur berühmten „Beton-Klappbrücke“ am Laufen. Dabei geht es um die Verwendung von für den Hochbau entwickelten Betonfertigteilen im Brücken- und Ingenieurbau. Ebenfalls am Institut für Tragkonstruktion hat der VÖB gemeinsam mit BASF und dem Forschungsinstitut der Zementindustrie ein Projekt zur Entwicklung und Erprobung von Fertigteil-Verbundplatten ohne konventionelle schlaffe Bewehrung und mit minimierter Plattendicke ins Leben gerufen. Und an der Boku Wien arbeitet man an einer „Optimierung des urbanen Klimas und Wasserhaushaltes“ durch einen Innovationsschub im Bereich „versickerungsfähiger Wegebau“.
>> Forschungsprojekt:
Simulationsraum für Bauteilaktivierung. An der Bauakademie in Salzburg werden in den nächsten zwei Jahren in einem Simulationsraum wissenschaftliche Daten zur Bauteilaktivierung gesucht. Ziel ist es, durch die Aktivierung von Betonbauteilen wie Böden, Decken oder Wänden sowohl im Winter als auch im Sommer eine gleichmäßige Wohlfühltemperatur von 22° C zu schaffen. Die große Fläche ermöglicht einen Betrieb des Systems mit relativ niedrigen Temperaturen, wofür sich ideal alternative und nachhaltige Energiequellen wie vollsolare Anlagen oder Erdwärmekollektoren eignen. „Der Simulationsraum ermöglicht zukünftig die praktische Überprüfung der theoretischen Rechenmodelle\", ist Felix Friembichler, Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie (VÖZ), überzeugt. Die Kosten für die Umsetzung einer Bauteilaktivierung sind nur geringfügig höher als etwa der Einbau einer Fußbodenheizung. Zudem ist die Lösung nicht nur im Neubau, sondern auch bei der Sanierung anwendbar.
>> NACHGEFRAGT <<
Die Österreich-Töchter internationaler Branchengrößen im Kurz-Interview: 3 Fragen, 3 Unternehmen, 9 Antworten
1. Wie viel investiert Ihr Unternehmen pro Jahr in Forschung & Entwicklung?
2. Welche Schwerpunkte werden gesetzt?
3. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen der nächsten Jahre?
Gernot Tritthart, Direktor Marketing & Innovation Lafarge Zementwerke GmbH
1. Die Lafarge-Gruppe wendet jährlich knapp 170 Millionen Euro für Forschung, Produktentwicklung sowie Prozessoptimierung auf. Die Lafarge Zementwerke GmbH in Österreich investiert jährlich rund 1,7 Millionen Euro in F&E.
2. Im Forschungszentrum in Lyon betreiben 200 Fachleute Grundlagenforschung. Hier bündeln sich Kompetenzen in hochmodernen Bereichen wie zum Beispiel Hydratationschemie, Rheologie oder Mikromechanik. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Lafarge-Gruppe arbeitet an nachhaltigen Produkten. Die Zielsetzungen sind eine Verringerung der CO2-Emissionen im Produktionsprozess, der Erhalt natürlicher Ressourcen, die Schaffung von Produkten mit Mehrwert für das nachhaltige Bauen und eine Optimierung der Produktleistung und Produktanwendung.
3. Wir nehmen das, was Beton kann, als selbstverständlich hin und übersehen dabei viel zu oft, was Beton wirklich alles zu bieten hat. Diese Vorzüge gilt es aufzuzeigen, mit Vorurteilen aufzuräumen und die Forschungsergebnisse auch nachhaltig unters Volk zu bringen. Beton ist ein hochintelligenter, moderner Baustoff. Beton ist dauerhaft, bietet Sicherheit und brennt nicht. Beton wirkt im Sommer kühlend und im Winter wärmend – und das ohne Klimaanlage.
Peter Gissinger, Geschäftsführer Mapei Österreich
1. Forschung und Entwicklung ist der Bereich bei Mapei, in dem die meisten Mitarbeiter aufgenommen werden. Wir investieren jährlich 5 % des Umsatzes (also rund 100 Mio Euro; Anm.d.Red.) in F&E. Aktuell beschäftigt Mapei 900 Personen in den 18 größten F&E Zentren weltweit.
2. Die Hauptaufgaben bestehen in der Entwicklung von nachhaltig umweltschonenden Produkten, bei denen auch recycelte Rohstoffe eingesetzt werden und die auch auf die Gesundheit der Verarbeiter und Endverbraucher Rücksicht nehmen.
3. Eine große Herausforderung sehe ich in der Tatsache, dass die Wege weiter werden. Es gilt, Regionen zu finden und aufzubauen, die das weitere gesunde Wachstum sichern können. Weitere große Herausforderungen sind auch die schwierigen Situationen und Rahmenbedingungen in den derzeit stark unter Druck stehenden Ländern.
Markus Stumvoll, Vorstandsvorsitzender Cemex Austria
1. Neue Produkte im Beton-, Zement- und Zusatzmittelbereich werden im Zentrallabor in der Schweiz entwickelt. Der Cemex-Konzern gibt jährlich in etwa 25 bis 30 Millionen Euro für F&E aus. In Österreich liegen unsere Hauptaufgaben in der ständigen Weiterentwicklung von Betonrezepturen für unsere lokalen Anwendungen sowie in der Entwicklung von Beton-Spezialbaustoffen im Zusammenspiel mit der laufenden Weiterentwicklung unserer hauseigenen Betonzusatzmittel.
2. Die Schwerpunkte in der Forschungsarbeit liegen darin, Produkte zu entwickeln, die unseren Kunden das Leben erleichtern und ihnen einen klaren Nutzen bringen. Produkte, die schneller zu verarbeiten sind, weniger Handgriffe erfordern oder die Tagesleistung erhöhen, werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen.
3. Die größte Herausforderung sehe ich nicht im Zusammenhang mit uns als Unternehmen, sondern im Zusammenhang mit der Positionierung unseres Produktes Beton im ökologischen Wettlauf mit anderen Baustoffen. Wir dürfen nicht den Anschluss verlieren gegenüber der finanziell sehr gut ausgestatteten Lobbymaschine des – weil nachwachsend – angeblich so ökologischen Baustoffs Holz, die aber aus gutem Grund viel zu einseitig lobbyiert. Eine ausgewogene, ökologische Betrachtung muss meines Erachtens den gesamten Produktlebenszyklus umfassen. Und diese spricht eindeutig für Beton, denn Beton ist einer der ganz wenigen Baustoffe, der zu 100 % recycliert wieder im Beton eingesetzt werden kann.
>> Tipp: C³-Atelier
Die Österreich-Tochter des weltweit größten Zementherstellers Holcim hat gemeinsam mit vielen anderen Unternehmen aus der Branche unter dem Namen C³-Atelier eine Plattform für alle geschaffen, die sich für die Themen Zement und Beton interessieren. Das Atelier soll auf 300 m² Raum zum Austausch von Erfahrungen und Wissen bieten und die breite Akzeptanz von Zement und Beton fördern. Dazu finden regelmäßig Fachveranstaltungen und Seminare statt, in denen etwa die Grundlagen der Betontechnologie erklärt oder Normen und Richtlinien erläutert werden.
Kontakt: C³-Atelier
Franzosengraben 7; 1030 Wien
01 889 03 03
www.c3atelier.at
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