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Smart Home

\"EinUnsere Ahnen hatten nur zwei Anforderungen an ihr Zuhause: Es musste Schutz und Sicherheit bieten. Im modernen Leben werden höhere Ansprüche gestellt. Das Haus sollte im Idealfall möglichst alles selbstständig erledigen. Ist das eine Illusion? Nein – intelligentes Wohnen macht das möglich.

Von Karin Legat


Smart Grid, Smart Meter, Smart Home – eine der Grund­ideen ist dieselbe: Energieeffizienz. Smart Home geht einen Schritt weiter. Darunter werden Lösungen im privaten Wohnbereich verstanden, bei denen Geräte, Systeme und Technologien eingesetzt werden, die mehr Komfort, Wirtschaftlichkeit, Flexibilität und Sicherheit schaffen. Gibt es dafür Grenzen? Nein. Diese Meinung vertritt die überwiegende Zahl der Haustechniker. So auch Friedrich Hiermayer, Vorstandssprecher bei BEKO. Er sieht im Smart Home gewaltiges Potenzial. »Intelligenz lässt sich unbegrenzt ins Haus packen. Es liegt nur am Anwender.« Martin Karall, Geschäftsführer von Karall & Matausch, einem Spezialisten für Multimedia und Haustechnik, ortet dagegen Probleme im endlosen Erweitern. »Intelligenz muss in einem Aufwand betrieben werden, der sinnvoll ist. Sonst können sich Funktionen aufheben.«

Smart Komfort

»Oft wird Smart Home mit dem Auto verglichen«, erzählt Karall. »Wenn der Fahrer den Zündschlüssel ins Schloss steckt, erfolgen im Hintergrund Hunderte automatisierte Funktionen, an die der Benutzer nicht denken muss und will. Dasselbe Prinzip läuft in der intelligenten Gebäudetechnik ab. Wenn die Wohnungstür über den Fingerprintreader oder ein anderes Zutrittssystem geöffnet wird, erkennt das Haus automatisch, wer eintritt, schaltet die Alarmanlage aus, bei Bedarf Licht und Heizung ein und spielt die vorausgewählte Lieblingsmusik.« Wie wird ein Gebäude nun zum eHome, Smart House bzw. zum »intelligenten Haus«? Zahlreiche Funktionen im Haushalt sind vernetzt, von der Eingangstüre über die Lichtsteuerung bis hin zum Home-Entertainment. »Wie auch wir Menschen hat das intelligente Haus Sensoren, die bei Bewegung, Hitze oder einem anderen Signal aktiv werden«, informiert Karall. »Bei Einbruch der Dämmerung schaltet sich die Gartenbeleuchtung ein, die Waschmaschine wird per Fernbedienung gestartet. Jalousien können automatisch heruntergefahren und die Kaffeemaschine sowie das Licht bedient werden«, ergänzt Roman Rappel-de Haan, Produktmanager Hausautomation bei Eaton. Sonne, Regen, Wind und Helligkeit werden selbsttätig gemessen, beim Überschreiten der Grenzwerte erfolgt ein Befehl für Kühlung oder Heizung. Das Smart Home ist auch Entertainer. Verborgene Kabel und unsichtbare Lautsprecher versorgen ausgewählte Räume gleichzeitig mit unterschiedlicher Musik. Spezielle Prozessoren schaffen den perfekten Klang, selbst wenn die Lautsprecher hinter Fliesen eingebaut sind. Vernetzte Bewegungsmelder an Türen und Fenstern sichern die effiziente Überwachung.

Smart Sicherheit

Sicherheit stellt im modernen Wohnen eine Hauptkomponente dar. »Es muss ersichtlich sein, wer die Wohnung betritt«, betont Thomas Kozak, Obmann des Vereines Intelligentes Wohnen. Elektronische Zutrittssysteme informieren per SMS über Wohnungszutritte von Familienmitgliedern, aber auch über ungebetene und gefährliche Gäste. Alarmanlagen erleuchten automatisch Haus und Garten. Über Tür- und Fensterkontakte wird ein telefonischer Notruf aktiviert. Die Zutrittsberechtigung läuft über Fingerprint oder Handysoftware. Bluetooth ermög­licht den schlüsselfreien Zutritt in die Wohnung, ein Vorteil nicht nur nach einer Einkaufstour. Alarmanlagen informieren darüber hinaus über Brand und Wassereinbruch, per Videoüberwachung wird die Stimmung in der Wohnung festgehalten. Die Aufzeichnungen können jederzeit von jedem beliebigen Ort abgerufen werden. Sind die Bewohner außer Haus, vermittelt wechselnde Beleuchtung den Eindruck, sie wären noch immer anwesend.

Smart Energie

Mit Blick auf die Energiebilanz wird oft das Passivhaus zuerst genannt. Für Kozak ist dieses aber zu komplex. »Niedrigstenergiehäuser sind die Lösung. Über Smart Grid und Smart Metering lässt sich analysieren, wie viel Energie wo verbraucht wird – das ermöglicht die optimale Steuerung. Wenn in der warmen Jahreszeit die Klimaanlage versehentlich nicht ausgeschaltet wurde oder in der kühlen die Heizung, übernimmt das Smart Home die Ausbalancierung der Temperatur und senkt damit den Energieverbrauch.« Auch Roman Rappel-de Haan sieht im Energiebereich gewaltiges Potenzial für intelligente Gebäude. Durch die Problematik der Energieversorgung bekomme die Hausautomation einen starken Schub. Ziel der EU sei es, Kunden beim Energiesparen zu helfen. Einerseits geschieht dies durch Beratung, andererseits durch technische Maßnahmen. Dem Wohnungsnutzer wird ein Heizungssteuerungspaket verkauft, wodurch der Energieversorger nach Absprache mit dem Kunden in Zukunft die Möglichkeit hat, ausgewählte Verbraucher zu kontrollieren. Für den Kunden entstehen dabei keine Nachteile. Bei punktuell zu viel Stromproduktion beispielsweise durch Photovoltaikanlagen greift der Energieversorger auf die Haustechnik zu und erteilt den Auftrag, den selbst produzierten eigenen Strom auch selbst zu verbrauchen. Hintergrund ist die dringend notwendige Entlastung der Stromnetze. »Mit dem wachsenden Stromverbrauch und mit chaotisch entstehenden Stromerzeugern im Netz ist die Notwendigkeit nach intelligentem Bauen und Wohnen und nach einem Smart Grid unerlässlich geworden.« Einen weiteren Vorteil von Smart Homes sieht der Eaton-Manager hinsichtlich Energie- und Betriebskosten. »In Zukunft werden nur mehr jene Geräte laufen, die der Bewohner unmittelbar benötigt, also zum Beispiel Waschmaschine oder Eiskasten. TV in Standby oder gedimmtes Licht in allen Räumen sind Geschichte.« Auch Heizung und Kühlung werden nur mehr dort eingesetzt, wo Bedarf besteht. Intelligente Gebäude erkennen, ob ein Fenster offen ist und sinnlos geheizt bzw. gekühlt wird. Dementsprechend werden Heizung oder Klimaanlage abgeschaltet. Bewegungssensoren melden, in welchen Räumen sich Menschen aufhalten. In leeren Räumen wird nach einer vordefinierten Zeit das Licht abgeschaltet. Temperaturveränderungen können nicht nur lokal vorgenommen werden, sondern auch via Fernsteuerung, etwa im Wochenendhaus. Über intelligente Gebäudetechnik ist der Energieverbrauch des Hauses stets sichtbar, Energieverbraucher lassen sich damit optimal abstimmen.

\"Crestron-TouchpanelsSmart Agent

Statt einer Komplettversion des intelligenten Wohnens können Interessierte heute schon auf Systeme wie den Energyagent von BEKO zurückgreifen. »Dieser überwacht, misst und steuert den Einsatz von Strom und Gas, aber auch Wasser, Druckluft und anderer Medien. Vermeidbarer Verbrauch wird aufgezeigt und automatisch verhindert. Leitungsschäden und andere Defekte, die zu einem Mehrverbrauch führen, werden frühzeitig entdeckt«, erklärt Hiermayer und berichtet von österreichweiten Rollouts des Programms. Ein anderes BEKO-Produkt, der Homebutler, ist der »Facility-Roboter«. Er bietet Lichtsteuerung, Leckagesensoren sowie u.a. eine Herdplattenüberwachung. Bei einer Fehlfunktion informiert er den Bewohner via Handy und schaltet den Strom ab bzw. sperrt den Wasserzulauf.

Smart Bus

Grundlage der intelligenten Gebäudetechnik ist die Bus-Technologie. Mithilfe von Kabeln, Powerline oder Funk werden Haustechnik (u.a. Energiezähler, Alarmanlagen, Heizungs- und Lichtsteuerung), Elektrohaushaltsgeräte (u.a. Herd, Kühlschrank), Multimediageräte (u.a. Fernseher, Videorekorder, Tuner) und Internet verbunden. Kabel und WLAN sind für den Verein Intelligentes Wohnen dabei gleichwertig, jedoch mit unterschiedlichen Einsatzgebieten. »Eine Verkabelung stellt eine sinnvolle Variante für den Neubau dar, da sie stabil und sicher ist. Funksysteme eignen sich für Sanierungen, da nachträgliche Mauerarbeiten entfallen.« Die Ideallösung sind sternförmige Leerverrohrungen im Rahmen des Grundbaus.

»Die Kosten dafür sind minimal, nachträglich können jederzeit Kabel gezogen werden«, erzählt Kozak aus persönlicher Erfahrung. Auch Karall empfiehlt Verkabelung für den Neubau. »Damit ist eine stabile, 100-prozentige Verbindung mit höherem Datendurchsatz und besserer Qualität gesichert. Optional kann WLAN verwendet werden. Diese Technik wird ohnedies für tragbare Touchpanels und die Steuerung über das Smartphone benötigt.« Egal ob WLAN oder Kabel – beide führen Geräte über Schnittstellen zusammen, die in jedem Gerät integriert sind. So können Gruppenfunktionen geschaffen und mit einem leicht programmierbaren Touchpanel oder einer Bus-Taste ein- und ausgeschaltet werden. Große Schaltflächen an der Wand und eine unübersehbare Anzahl von Fernbedienungen gehören somit der Vergangenheit an.

Diese Schnittstellen stellen allerdings zurzeit das größte Problem in der intelligenten Haustechnik dar. »Bisher ist jedes Smart Home eine Neuerfindung des Universums«, stellt Karall ironisch fest. Schnittstellen müssen miteinander kommunizieren. Schon mit wenigen Geräten fallen zahlreiche Schnittstellen, sprich Sprachen, also Softwaresysteme an. Benötigt wird daher eine Bedienoberfläche, die alle zusammenführt. »Die Hersteller müssen endlich den Schulterschluss wie etwa in der IT schaffen und eine universelle Kommunikationsschnittstelle kreieren«, fordert der Kommunikationselektroniker. Die Zentrale der Bus-Technologie befindet sich als Blackbox je nach Anforderung im E-Verteiler oder im Technikraum der Wohnung.

Self-Learning?

Wie erkennt die Bus-Technologie mein gewünschtes Wohnungsambiente, ist auch sie intelligent und lernfähig? Standardisierte Programme, die heute am Markt erhältlich sind, werden von Technikern vor Ort in Abstimmung mit dem Kunden eingerichtet. Die Programmierung erfolgt in Baublöcken, der Haustechniker erstellt die Grundkonfiguration. Das Feintuning und die Adaption übernimmt der Kunde selbst. »Es ist so einfach wie das Smartphone. Der Kunde kommt auch nicht auf die Idee, den Provider zu sich nach Hause einzuladen, um das Smartphone zu programmieren. Im selbstständigen Arbeiten liegt die Zukunft. Hausautomation wird so einfach werden wie Mobiltelefonieren«, schätzt Rappel-de Haan. Neben den standardisierten Programmen gibt es Testprojekte, die über die Sensoren, Maus und Bewegungsmelder Wiederholungshandlungen der Nutzer definieren und daraus selbstständig lernen.

Smart Wohnen

»Der Leidensdruck ist noch nicht hoch genug, die Bereitschaft, in notwendige und trendige Systeme zu investieren, gering, der Zugang zu den Technologien noch nicht geschaffen.« So erklärt BEKO Vorstand Hiermayer die Tatsache, dass flächendeckend noch keine Showrooms zu intelligentem Wohnen bestehen. BEKO bietet lediglich Testwohnungen in Oberösterreich und Salzburg an. »Showrooms sind dringend notwendig, intelligente Gebäude muss man erleben. Komfortsteigerung und Komfort­effekte sind nicht beschreibbar«, stellt auch Karall fest. »Wir haben mehrere Initiativen mit Vertriebspartnern und Elektroinstallateuren gestartet und Showräume ausgerüstet. Es war aber kein durchschlagender Erfolg. Wenn der Partner kein Eigeninte­resse aufbringt und den Raum pflegt, sieht er aufgrund der sehr schnelllebigen Technologie rasch alt aus. Wir haben den Showroom nun im Shop. Es gibt einige Businessprojekte, wo man sich Gebäudeintelligenz gegen Terminabsprache ansehen kann. Im Smart-Home-Bereich ist das aber schwierig, weil es sich um Privatbereiche handelt.« Eaton bietet im Waldviertel ein Probewohnen-Dorf mit Niedrigenergiehäusern und intelligenter Gebäudetechnik an. In Großschönau können Interessierte einige Tage probewohnen. Der Verein Intelligentes Wohnen verweist noch auf die iQ-apartments in Wien, die maßgeschneiderte und individuelle Komplettlösungen für intelligentes Wohnen präsentieren. Die Steiermark und Vorarlberg haben ähnliche Musterprojekte. In der Blauen Lagune in der SCS in Niederösterreich soll eine Energiewelt errichtet werden, in der man die Elemente des Smart Homes selbst testen kann.

Smart Future

Alle Experten sehen im smarten, intelligenten Wohnen die Zukunft. »Früher war etwa eine Alarmanlage nur etwas für Betuchte«, erinnert sich Roman Rappel-de Haan. »Heute sind sie die Regel. Die Hausautomation wird sich ebenfalls so entwickeln, vorausgesetzt, der Fachmann arbeitet sorgfältig und der Kunde nimmt sich genug Zeit für die Definition der Grundkonfiguration.«

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