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Der entscheidende Faktor

\"WilfriedWilfried Pruschak ist kein Spieler und trotzdem überzeugt, auf das richtige Pferd gesetzt zu haben. Der Raiffeisen Informatik-Geschäftsführer spricht im Interview über neue Rohstoffe und einen Dienst, der bald so einfach wie Zähneputzen sein wird.

(+) plus: Herr Pruschak, wenn wir auf das vergangene Jahr zurückblicken: Ist die Krise eine große Chance für die IT-Branche geworden? Oder wurden nun Investitionen in die Unternehmens-EDV auf die lange Bank geschoben?
Wilfried Pruschak: 2009 gab es sehr viele kleinvolumige Projekte am Markt, die einen schnellen Gewinn bei den Kunden einforderten. In vielen Unternehmen spielte der Gedanke mit, durch die Auslagerung von IT gebundenes Kapital frei zu bekommen. Projekte, in denen IT-Dienstleistungen an einen Partner abgegeben werden, sind vielfach von Kosteneinsparungen getrieben – das ist keine Frage. Ein großes Argument für Outsourcing ist aber auch, anstehende Investitionsschübe sanfter gestalten zu können. Werden Investitionsprojekte an einen IT-Partner abgegeben, sind sie mit den laufenden Kosten quasi im Schongang refinanzierbar.

(+) plus: Waren Investitionsvorleistungen nicht immer schon Teil des Spiels im Auslagerungsgeschäft?
Pruschak:
Natürlich – auf der grünen Wiese in dieses Geschäft hineinzugehen, würde keinen Sinn machen. Hätte auch Raiffeisen Informatik nicht irgendwann einmal in ein eigenes Rechenzentrum investiert, könnten wir IT-Dienstleistungen heute nicht in dieser Form anbieten. Der Stellenwert der Vorfinanzierung und Finanzkraft ist aber gerade in der Krise zu einem entscheidenden Faktor geworden. Hier stellt sich die Frage, wie stark dem Kunden auch in schweren Zeiten die vorfinanzierten Leistungen auf Dauer gestreckt werden können. Natürlich wird bei solchen Projekten auch eine Verzinsung eingepreist – Zinsen waren aber in der Wirtschafts- und Finanzkrise nie das Thema. Ein Problem für viele ist schlichtweg die Liquidität und fehlende Risikobereitschaft bei den Kapitalgebern.

(+) plus: Wenn wir von schweren Zeiten sprechen: Auch das Softwaregeschäft hat schon bessere Zeiten erlebt. Wurde der Zeitpunkt mit Ende 2008 rückblickend gesehen unglücklich für die Expansion und den Einstieg bei PC-WARE gewählt?
Pruschak:
Wir sind der Meinung, gut investiert zu haben. Unsere Tochter hat 2009 Marktanteilsgewinne verbuchen können und ist mittlerweile zum großen Microsoft Large Account Reseller in Europa gewachsen. Wir gehen davon aus, das derzeitige Geschäftsvolumen auch im laufenden Geschäftsjahr wieder zu erreichen. Auch von ihrem zweiten Standbein her schreibt die PC-WARE ein gesundes Geschäftsjahr. Die Geschäftssparte Comparex fokussiert auf die Errichtung, Ausstattung und Bereitstellung von Rechenzentrumsinfrastruktur-Know-how und hat zuletzt sogar ein starkes Wachstum verzeichnen können. Dies aufgrund von zwei Tatsachen: dem Trend zu Zentralisierung und der Marktentwicklung, zunehmend Anwendungen flexibel als Service bereitzustellen. In Deutschland wurde eine eigene Niederlassung der Comparex gegründet, die nun knapp 100 Mitarbeiter hat. Sie ist seit September aktiv und kann bereits erste große Erfolge feiern. Jüngst wurde der Kunde Peek & Cloppenburg gewonnen, dessen eigene IT-Tochter nun mit neuer Infrastruktur ausgestattet wird. Comparex hat einen guten Namen in der Branche und wird als Marke auf jeden Fall erhalten bleiben. Mit unseren unterschiedlichen Standbeinen können wir krisenbedingte Schwankungen im Investitionsverhalten der Kunden gut ausbalancieren.
Im Softwarelizenzgeschäft sind wir mit PC-WARE von Nordafrika bis Kasachstan tätig, werden uns aber à la longue noch globaler aufstellen müssen. Software wird zunehmend zu einem Rohstoff, auf dem IT-Dienstleistungen aufbauen. Als IT-Dienstleister und Rechenzentrumsbetreiber stellt sich immer die Frage, wie gut man an wirtschaftlich vernünftige Softwareprodukte herankommt. Sie sind ein fixer Teil jeder Kalkulation und bilden nach den Personalkosten sicherlich den größten Kostenanteil. Im Outsourcing ist auch klarerweise ein Trend zu standardisierten Betriebssystemen und Anwendungen zu beobachten. Diese Standardisierung ist ein Motor für die Internationalisierung von Unternehmen und die Verbreitung von Wirtschaftsmodellen – das haben schon SAP, Microsoft und Oracle erfolgreich vorgemacht. Wir glauben, hier auf das richtige Pferd gesetzt zu haben. Wenn wir den Rohstoff Software gut beherrschen, dann können wir auch unsere IT-Services wirtschaftlich optimal umsetzen.

(+) plus: Die Post AG ist in die Raif­feisen-Informatik-Beteiligung EBPP eingestiegen, einem Anbieter für die elektronische Rechnung und Zustellung. Was sind die Erwartungen hier?
Pruschak:
Der Einschätzung der österreichischen Post AG zufolge werden künftig jährlich fünf Prozent des gesamten Briefaufkommens durch elektronische Zustellservices substituiert. Wir bieten nun gemeinsam mit der Post mit dem Service meinbrief.at die elektronische und postalische Briefzustellung an – die sogenannte duale Zustellung. Es wird uns wahrscheinlich nicht gelingen, den gesamten Markt auf uns zu versammeln. Doch ist Raiffeisen Informatik hier Vorreiter und es gibt nur wenige in Österreich, die eine ähnlich große Lernkurve dazu bereits hinter sich haben. So ist die elektronische Zustellung ein interdisziplinäres Thema hinsichtlich Rechtskunde, Organisation, Kundenverhalten und Akzeptanz. Jede Dienstleistung wird schließlich von den Nutzern nur angenommen, wenn sie so einfach wie möglich gestaltet ist. Die elektronische Zustellung muss irgendwann dem Nutzer so einfach vorkommen wie beispielsweise Zähneputzen. Mit der Einführung der mobilen Signatur wurde ein weiterer Schritt dazu gesetzt.

(+) plus: Wie sind Ihre Erwartungen für das Geschäftsjahr 2010? Wird die Wirtschaftskrise andauern?
Pruschak:
Abhängig vom Geschäftsmodell werden einige in der IT-Branche die Krise erst jetzt zu spüren bekommen, für andere ist sie heuer bereits vorbei. Ich denke, dass es vereinzelt wieder mehr Mittel für offensive IT-Projekte geben wird. Langfristige Maßnahmen, die von vielen Unternehmen 2009 gesetzt wurden, um Technologiesprünge in ihrer EDV hinauszuzögern, werden aber weiter anhalten. Der laufende Betrieb von IT-Infrastruktur wird auch 2010 unter laufendem Druck stehen, da in diesem Bereich Einsparungsmaßnahmen langfristiger wirken. Nichtsdestotrotz war 2009 das erfolgreichste Jahr unserer Unternehmensgeschichte in den Ergebnissen. Für 2010 erwarten wir noch eine leichte Steigerung.

Das Unternehmen
>>  Die Raiffeisen Informatik ist der größte österreichische IT-Anbieter und seit 40 Jahren am Markt. Der IT-Konzern erwirtschaftete 2009 mit Tochterunternehmen und rund 3.000 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 1,2 Mrd. Euro und verfügt über 27 Standorte weltweit.

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