Der Regulator
- Written by Redaktion_Report
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Georg Serentschy, Geschäftsführer der RTR GmbH für den Fachbereich Telekommunikation, im großen Interview über Kundenmigrationen, Regulierungsfragen und Subventionsprobleme.
Report: Der Festnetzmarkt ist anhaltend unter Beschuss durch den Mobilfunk. Wie sieht die Lage derzeit aus, wie sehr ist dieser Markt bereits zurückgegangen?
Georg Serentschy: Die Festnetzpenetration bei den Privatkunden ist relativ stabil. Es gab in den vergangenen Jahren einen leichten Rückgang, die Durchdringung der Haushalte mit Festnetzanschlüssen hat sich nun aber bei 57 Prozent eingependelt. Bei Geschäftskunden sehen wir weiterhin Penetrationszahlen von über 100 Prozent, da viele Firmen mehrere Anschlüsse besitzen.
Report: Welcher Schluss lässt sich daraus für eine künftige Entwicklung ziehen?
Serentschy: Hier gilt das alte Zitat: Prognosen sind immer unsicher – vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Wie sich die Festnetzdurchdringung mittelfristig weiterentwickelt, ist schwer vorherzusehen. Ich würde aber behaupten, dass der Dienst der reinen Festnetztelefonie im Bereich der Privatkunden zurückgehen wird. Bezüglich Voice-over-Broadband werden wir dagegen sehr wohl eine Entwicklung aufwärts sehen. Technisch gesprochen umschreibt dies die dicke Röhre ins Internet, über die verschiedenste Anwendungen laufen. Vorstellbar sind hier TV-Angebote, Securitydienste, Telepresence oder E-Health-Services. Auch ein Sprachdienst wird Teil dieser Palette sein.
Report: Sie untersuchen die Migrationsströme der Anschlüsse in den Haushalten und Unternehmen via Marktforschung. Welche Tendenzen zeichnen sich derzeit ab?
Serentschy: Wir haben uns speziell zum Thema Breitband angesehen, ob mobiles Breitband komplementär oder substitutiv zu Festnetzanschlüssen wirkt und werden im Mai die Ergebnisse dazu vorstellen. Wir beobachten jedenfalls beide Richtungen am Markt. Meinem Gefühl zufolge ist aber gerade im Geschäftskundenbereich mobiles Breitband nur ein Komplementärprodukt. Es gibt heute kein größeres Unternehmen, das seine komplette Kommunikation nur noch mobil abwickelt. Bei den Privatkunden gibt es sicherlich bestimmte Zielgruppen, die auch ohne Festnetzverbindung auskommen. Doch ist Festnetz stets dort »King«, wo es um große Datenmengen geht. Viele Applikationen machen heute auf einem mobilen Anschluss doch keinen Spaß.
Report: Nach einem Jahrzehnt Marktliberalisierung stehen wir vor einer offensichtlich geglückten Regulierung im Mobilfunk. Dieser ist heute ein befruchteter, belebter Markt. Beim Festnetz könnte man den Eindruck gewinnen, dass etwas schief gegangen ist. Sind hier Wettbewerbspolitik und Regulierung schuld?
Serentschy: Natürlich ist immer die Regulierung schuld – doch Spaß beiseite. Im Mobilfunk ist es gelungen, einen starken Wettbewerb zwischen den verschiedenen Infrastrukturen und Plattformen herzustellen, der heute durch die gesamte Wertschöpfungskette geht. Im Bereich des Festnetzes gab es aber eine andere Ausgangssituation. Wir sprechen dort von einer einzigen Infrastruktur, die auch sehr früh für den Wettbewerb geöffnet wurde. Österreich hat früh Entbündelungen und Call-by-call-Carrier-Preselection einführen können. Diese Möglichkeiten haben hervorragend gegriffen und haben dazu geführt, dass die Telekom Austria massiv Anteile im Sprachminutenmarkt verloren hat. Gut 50 Prozent der Minuten sind zu den alternativen Anbietern gewandert. Durch den extrem attraktiven Verbindungswettbewerb ist die Anbieterzahl im klassischen Festnetzgeschäft explosionsartig angewachsen. Heute hat sich diese Menge wieder auf eine sehr überschaubare Größe reduziert. Jetzt sehen wir eigentlich, dass die wesentlichen Wettbewerber – sieht man von Tele2 ab – die Kabelnetzbetreiber sind. Sie haben eigene Infrastrukturen bis zum Endkunden und sind nicht auf das Teilen eines Netzes mit der Telekom Austria angewiesen.
Auch wenn es sich noch nicht im Marktgeschehen widerspiegelt, sehen wir heute eine deutliche Senkung des Entbündelungspreises – dies vor allem aufgrund der erfolgreichen Kombipakete der Telekom Austria. Die RTR hat hier natürlich die Aufgabe, zu verhindern, dass es zu einer Preiskostenschere für die alternativen Anbieter kommt. Summa summarum aber kommt der Wettbewerb im Festnetz nicht mehr von anderen Festnetzanbietern, sondern aus dem Mobilbereich. Die Festnetzkunden haben indirekt über die hohen Terminierungsentgelte die niedrigen Mobilfunkpreise subventioniert.
Die Festnetzanbieter sitzen also in einem Boot – egal ob Telekom Austria, Kabelnetzbetreiber, Tele2 oder andere. Sie beklagen sich gemeinsam, dass sie durch ein asymmetrisches Regulierungsregime zugunsten des Mobilfunks über Jahre hinweg belastet worden sind. Wenn man so will, könnte man dies als ein Regulierungsversagen ansehen. Es ist aber ein europäisches Versagen, da in Europa dieser Transfermechanismus bewusst in Gang gesetzt wurde. Wir hatten von Anfang an die rechtliche Vorgabe, Kosten elemente beim Mobilfunk in Betracht zu ziehen, welche die Terminierungsentgelte in die Höhe getrieben haben. Erst die jüngste Empfehlung der europäischen Kommission vom Herbst letzten Jahres sieht eine Symmetrisierung fest und mobil für die Berechnung der Terminierungsentgelte vor. Dadurch kann es nun zu einer Angleichung zwischen diesen beiden immer noch sehr unterschiedlichen Entgelten kommen. Wir können jetzt sukzessive die Benachteiligung des Festnetzes gegenüber dem Mobilfunk abbauen.
Report: Dieser Niveauunterschied in den Terminierungsentgelten ist doch seit Jahren ein immanentes Problem. Warum kommt diese Reaktion erst zu einem Zeitpunk, an dem die Festnetzanbieter bereits massiv verloren haben?
Serentschy: Das müssen sie in Brüssel fragen – wir vollziehen die Abrechnungsgrundsätze, die uns die EU vorgibt. Doch war diese Kostenschere ja nicht ursprünglich als Versagen, sondern als ein Transfermechanismus intendiert. Die starke Festnetzbranche sollte eine damals embryonale Mobilfunkbranche aufpäppeln. Ist ein solcher Transfermechanismus einmal aber in Gang gebracht, besteht grundsätzlich das Problem, diesen nicht so leicht bremsen zu können. Die jeweils begünstigten Beteiligten finden hier 1.000 gute Gründe, warum sich das nicht mehr ändern sollte. Subventions- oder Transfermechanismen überall auf der Welt und in jeder Branche sind extrem schwer zurückzufahren. So hat es auch Jahre gedauert, bis die asymmetrischen Entgelte zwischen den Mobilfunkern in Österreich auf ein Niveau gebracht werden konnten.
Report: Sie wünschen sich ebenso wie die IKT-Industrie die Ausweitung des Konjunkturpaketes auf einen Infrastrukturausbau von Breitband. Die Alternativen befürchten nun eine einseitige Bevorzugung der Telekom Austria. Wie lässt sich so etwas verhindern?
Serentschy: Es fällt auf, dass Konjunkturpakete in Österreich immer in eine Richtung laufen – nämlich im Wesentlichen in die Bauwirtschaft. Doch ist Breitband die Straße und Schiene des Informations- und Wissenszeitalters. Die Krise, die wir derzeit erleben müssen, wird irgendwann zu Ende gehen. Dann werden jene Volkswirtschaften besser dastehen, die zur richtigen Zeit auch ihre IKT-Landschaft ausgebaut haben. Ich würde mir wünschen, dass man in Österreich die richtigen Schwerpunkte dazu setzt. Österreich hat schon einmal sehr erfolgreich einen Cluster aufgebaut einen Automobilcluster. Wünschenswert wäre jetzt ein IKT-Cluster.
Öffentliche Gelder sollten dazu nur in Form eines Public-Private-Partnership-Modells fließen, in das auch die Unternehmen investieren. Das muss nicht unbedingt ein Geld der öffentlichen Hand ein. Es ist für mich beispielsweise nicht ersichtlich, warum eine Kommunalkredit nur in Straßen, Kanäle und Wasserversorgung investiert. Solche Institutionen könnten doch auch einer elektronischen Infrastruktur auf die Beine helfen – um einen Bruchteil des Geldes, das normalerweise in andere Netze investiert wird. Klar ist aber, dass hier niemand benachteiligt oder begünstigt werden soll.