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The Digital Lifestyle

»The Digital Lifestyle has Arrived - Is Europe ready?« Dieser Fragewurde im Rahmen einer Podiumsdiskussion am 4. Innovation Dayvon Microsoft in Brüssel nachgegangen. In den Hauptrollen:Alexander Alvaro, deutscher EU-Parlamentarier, Robbie Bach,Microsoft Entertainment-Chef, Eduardo Dias, Vizepräsident derportugiesischen Entwicklungsagentur YDreams, undMatias Myllyrinne, CEO des finnischen Computerspiele-Entwicklers Remedy Entertainment. Regie führte der renommierteWissenschaftspublizist Rich Hudson.

Rich Hudson: Wie sieht die Zielgruppevon Videospielen aus? Sprechen wir hiervon 15-jährigen Jungs?
Robbie Bach: Der Videospielemarkt hatsich dramatisch verändert. Die Communityist eine ganz andere, als man gemeinhinerwartet. Der durchschnittliche Spieler istheute über 30 Jahre alt. Das Alter ist auchstark vom jeweiligen Endgerät abhängig, obXbox, Playstation, PC oder Handy. Mit demAlter ändern sich auch die Spiele. ältereKonsumenten spielen 15 bis 20Minuten auf ihrem PC oder sie nutzenihr Handy zum Spielen, während sieauf einen Termin warten oder unterwegssind. Die Jüngeren spielen onlineund sind vor allem nachtaktiv.

Hudson: In einer globalen Betrachtung, wie homogenist der Markt?
Bach: Das Spieleverhalten ist sehr vonder Region abhängig, in der man sich befindet. In Japan wird vor allem auf Handysund Konsolen gespielt, aber kaum am PC.In China und Korea ist der PC stärker. InEuropa ist der Markt völlig heterogen.Das zeigt sich auch an den beliebtestenGenres. In Großbritannien sind vor allemAction- und Sport-Games angesagt, inDeutschland eher Strategiespiele. JederMarkt ist verschieden. Deshalb muss auchder Content auf den jeweiligen Markt abgestimmtsein.

Hudson: Welche Themen bewegen die Eltern vonKindern, die regelmäßig spielen?
Alexander Alvaro: Das Hauptthemaist: Wie beschütze ich mein Kind? Wiekann ich sicherstellen, dass mein Kindnicht rund um die Uhr spielt? Wie kannich sichergehen, dass die Spiele der richtigenAltersgruppe entsprechen? Auch derEinfluss von Spielen auf die Persönlichkeitund das Verhalten von Kindern ist immerwieder Thema. Wenn sich bei einem jugendlichenAmokschützen herausstellt,dass er seine Freizeit unter anderem mitEgo-Shootern verbracht hat, wird unterPolitikern immer rasch der Ruf nacheinem Verbot solcher Spiele laut. Dabei istes sicher nicht das Spiel, das verantwortlichist für dieses Verhalten. Es kann eineKombination sein, gewaltverherrlichendeSpiele können sicher einen Teil zu diesemVerhalten beitragen, aber niemals alleinedafür verantwortlich gemacht werden. EinVerbot würde rein gar nichts ändern.

Hudson: Welche Rolle spielen Gewalt, Sex undDrogen in Videospielen?
Matias Myllyrinne:
Als Spieleentwicklerwollen wir ein Produkt auf den Marktbringen, auf das wir stolz sein können. Ingewissen Genres spielt dabei die Action einegroße Rolle. Nicht als Selbstzweck,sondern als stilistisches Element.Unser neuestes Projekt »AlanWake« soll ein echter Thriller werden,wie ihn die Spieler von anderenMedien wie Büchern oderFilmen kennen. Wir nehmenuns Anleihen von Genregrößenwie Stephen King oder der Erfolgsserie»Lost«. Da braucht es einfachein gewisses Maß an Action.

Hudson: Das Thema Gewalt scheinteines der zentralen Themen indieser Branche zu sein, ähnlichwie in der Filmbranche.Allerdings mit dem Unterschied,dass bei Filmen die Gewaltpassiv konsumiert wird,bei Spielen jedoch interaktiverfahren wird.

Alvaro: Psychologischbetrachtet handeltes sich tatsächlich um einenvöllig unterschiedlichen Ansatz.Wenn man selbst für dieGewalt und die Action verantwortlichist, ist das etwas anderes,als wenn man zusieht,wie ein Filmheld die Bad Guystötet. Es geht immer um dieFrage der Identifi kation. Manüberschreitet aber mit Sicherheiteine Grenze, wenn manselbst für die Action sorgt.
Bach: Meiner Meinung nachist es vor allem die Frage desUmgangs mit einem Medium.Es dauert seine Zeit, bis manmit einem Medium vertrautwird. Filme aus den Siebzigern,die damals aufgrund ihrer Gewaltdarstellungfür Aufsehensorgten, locken heute niemandenmehr hinterm Ofenhervor. Nicht weil die Leute abgestumpftsind, sondern weilsie gelernt haben, mit dem Mediumumzugehen. ähnlich istdie Situation bei Videospielen.Wir leben in einer Zeit, in derder jüngere Teil der Bevölkerungmit dieser Art von Unterhaltungaufgewachsen ist, derältere Teil jedoch nichts damitanfangen kann. Da treffen zweiKulturen aufeinander. Daswird sich in den nächsten Jahrzehntenzwangsläufi g ändern.Wenn alle dieselben Voraussetzungenhaben, wird sich auchdie Diskussion ändern.

Hudson: Im Rahmen des InnovationDay wurde eine Studie veröffentlicht,die zu dem Schlusskommt, dass Videospiele vorwiegend alleine gespielt werden,vor allem in Europa.
Bach: Dieses Ergebnis hatauch mich überrascht. In denUSA sind Games schon langekein Single-Ereignis mehr.Dort sind Multiplayer-Gamesam weitesten verbreitet. XboxLive hat über acht MillionenMitglieder und die Hälfte unsererKonsolen sind vernetzt.Computerspiele werden zueinem sozialen Erlebnis. Manmuss sich die Studie auch genaueransehen, um das Ergebnisrichtig zu interpretieren:Befragt wurden in erster LinieEltern und ihre Sicht der Dinge.Das Ergebnis zeigt, dass fürEltern Computerspiele immernoch eine einsame Angelegenheitsind.

Hudson: Machen wir einen Sprungzum Thema Education. WelcheRolle kann die digitale Unterhaltungstechnologiehierspielen?
Bach: Es gibt zahlreiche Studien,die eindeutig belegen,dass die digitale Unterhaltungstechnologiein diesemBereich eine große Rolle spielenkann. Die Hersteller legen immer mehr Wert auf eine historischkorrekte Darstellung, dadurch wirddann automatisch Geschichte gelernt.Auch im wissenschaftlich-technischenBereich ist vieles möglich. Vom Militär hörenwir immer wieder, dass Piloten, die mitdem »Flight Simulator« gespielt haben, inder Ausbildung deutliche Vorteile haben.Sie lernen und verbessern sich deutlichschneller als diejenigen ohne »Flight Simulator«-Erfahrung.
Eduardo Dias: Wir arbeiten seit dem Jahr 2000 mitverschiedenen Wissenschaftszentren inPortugal zusammen. Wir entwickeln kleineSpiele für zwischendurch, die den Kindern wissenschaftliche Themen spielerischnäher bringen. Wird die Technologierichtig eingesetzt, können Kinder davonviel mehr profi tieren als vom klassischenSchulunterricht, wo der Lehrer sprichtund die Schüler zuhören. Die Unterhaltungs-und Gaming-Industrie sollte sichmeiner Meinung nach noch viel mehr aufden Bereich Education fokussieren.

Hudson: Wenden wir uns nun der Gaming-Industrieselbst zu. In welchem Verhältnisstehen Unternehmen wie Microsoft mitden Entwicklern? Das habe ich nie so richtigverstanden.
Myllyrinne: Vereinfacht gesagt, wir alsSpieleentwickler liefern das Konzept undden Content. Der Publisher produziertund vertreibt das Spiel. Derzeit befindetsich die gesamte Branche in einem enormenWandel. Vor zehn Jahren kostete dieEntwicklung eines Top-Titels vielleichtzwei bis fünf Millionen Dollar, heute sindes bis zu 30 Millionen.

Hudson: Das heißt, Sie haben eigene Zulieferfirmen,die Sie mit Content versorgen?
Myllyrinne: Das ist richtig. Wir kaufenzum Beispiel die Physik-Engine in Dublin,bestimmte Geräusche kommen voneinem Technikfreak in Australien und dieAnimationen kommen aus New York. UnsereAufgabe ist es, aus diesen Einzelteilenein funktionierendes Ganzes, ein fertigesSpiel zu kreieren. Unser Team besteht nuraus 34 Personen, aber wir schaffen ein globalesProdukt, das hoffentlich einen großenEinfluss auf die Popkultur hat.

Hudson: Eine letzte Frage. Wenn wir 20 Jahre indie Zukunft blicken: Was wird die Stateof-the-Art-Technologie sein? Wie wird sichdie digitale Unterhaltung entwickeln?
Bach: Ich kann Ihnen versichern, dassalles, was ich jetzt sage, falsch sein wird.Ich glaube aber, dass sich im Bereich derInteraktion einiges tun wird, vor allem beiden Controllern. Die übersetzung unsererIntentionen in ein Spiel werden sich völligändern. Ich wünsche mir eine Spielumgebung,in der ich natürlich agieren kann.Wo ich Gerüche wahrnehme, Geräuschehöre und Dinge spüre - mit direkten Auswirkungenauf das Spiel.
Dias: Wir bei YDreams arbeiten an einemProjekt namens »Reality Computing«.Dabei handelt es sich um eine Mischungaus EDV und Umgebungsintelligenz. DasZiel ist eine Technologie ohne Hardware.Schon 2008 werden wir die ersten Prototypenpräsentieren. Wir machen austraditionellen Materialien intelligenteMaterialien. Damit werden etwa ein gewöhnlichesBlatt Papier, kahle Wändeoder glattes Plastik interaktiv - ohne Chipsoder ähnliches. 20 Jahre ist eine lange Zeit,aber das ist, was wir heute machen und wounserer Meinung nach die Zukunft liegt.
Myllyrinne: Das User Interface wirdsich komplett ändern. Im grafi schen Bereichwerden wir wahrscheinlich Fotorealismuserreichen. Die wirklich spannendeFrage ist aber die Frage der künstlichen Intelligenz.Werden wir die künstliche Intelligenzso weit bringen, dass wir in Spielensinnvoll mit Charakteren interagieren undkommunizieren können? Ich glaube ja.

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