Intuitiver Erfolg
- Written by Redaktion_Report
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(+) plus: Was waren aus Ihrer Sicht die prägendsten Ereignisse in der Bau- und Baustoffindustrie in den letzten zehn Jahren?
Friedrich Schmid: Das war sicherlich die Ostöffnung, die österreichischen Unternehmen enorme Chancen eröffnet hat.
(+) plus: Ihre Gruppe hat sie genutzt und eine fulminante Entwicklung hinter sich. Ist dieses Tempo aufrechtzuerhalten? Was müsste passieren, um das abzusichern?
Schmid: Ob die Milliarde in fünf Jahren verdoppelbar ist, traue ich mir nicht vorauszusagen. Ein Ziel wäre es, wobei das dann schon mein Sohn machen muss. Es wird schwieriger werden, weil die Märkte im Osten ja auch abflachen. Wir hatten in Tschechien, Ungarn und der Slowakei zu Beginn jährlich zweistellige Zuwachsraten. Die gehen jetzt in einstellige zurück. Fallweise, wie etwa in Ungarn, gibt es deutliche Rückgänge. Rumänien und Bulgarien wachsen dafür aber zweistellig. Die Ukraine und die Türkei sind Riesenmärkte. In der Türkei leben rund siebzig Millionen Menschen. Jedes Jahr kommt etwa eine Million dazu, allein das erfordert 150.000 Wohnungen jährlich. Wir beginnen dort jetzt langsam mit ein, zwei, Putzwerken.
(+) plus: Besteht bei all den Firmen in Ost- und Südosteuropa nicht die Gefahr, übers Ohr gehauen zu werden? Wie gehen Sie damit um?
Schmid: Ich bin an sich ein großzügiger Mensch. Wenn jemand etwas braucht, kann er zu mir kommen. Wenn ich jedoch merke, dass mich jemand betrügt, ist er weg. Bei industrieller Produktion habe ich ein Gefühl, ob etwas passt, da kenne ich mich aus. Ich schaue mir die Berichte der rund siebzig Firmen gut an, das geht auch in der Badewanne oder in der Sauna. Das Wichtigste ist es, einen guten Geschäftsführer zu finden. Der sucht sich dann auch gute Leute. Als wenig hilfreich hat sich die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern erwiesen. Die agieren oft lethargisch, hundert Prozent zu haben ist besser. Wir haben da auch Lehrgeld bezahlt, weil wir am Beginn der Expansion noch meinten, es sei hilfreich, mit Akteuren vor Ort Joint Ventures einzugehen.
(+) plus: Mit dem Bau des Zementwerkes in Wopfing haben Sie vor mehr als 25 Jahren eine ganze Branche überrascht und auch vor den Kopf gestoßen. Ließe sich ein derartiger überraschungscoup heute noch einmal wiederholen?
Schmid: Ja und nein. Vermutlich würde es aber an den Emissionsrechten scheitern. Heute in einen bestehenden Markt etwas Neues zu bauen, lohnt sich nicht. Man kann eigentlich nur etwas kaufen, wenn sich eine günstige Gelegenheit ergibt.
(+) plus: Verstehen Sie sich als Gelegenheitskäufer, der antizyklisch agiert?
Schmid: Irgendjemand hat mich einmal als Schnäppchenjäger bezeichnet. Ich selbst würde mich eher als Zufallskäufer bezeichnen. Es sind ja meistens Zufälle. Das Interessante ist, dass, wenn man als Käufer bekannt ist und sich vergrößert, die Leute sich von selbst melden. Ich habe gerade aktuell einen Fall im Burgenland, der vielleicht etwas werden könnte.
(+) plus: Wie kommen die Informationen an Sie?
Schmid: Vieles davon kommt von den Banken, die an einen herantreten, oder halt direkt von den Eigentümern, die nach einer Lösung suchen.
(+) plus: Ihr Lieblingskaufpreis, so hört man, ist ein Euro?
Schmid: Eigentlich ja. Weil ich gerne etwas kaufe, was verkorkst ist oder aus irgendeinem Grund schlecht geht, und ich dann die Chance kriege, etwas daraus zu machen. Das war bisher bei mehreren Firmen der Fall. Genauso gerne kaufe ich Aktien, die aus irgendeinem Grund Turbulenzen wie Chapter 11 oder ähnliches durchmachen und wo vielleicht ein übernahmeangebot absehbar ist. Das mache ich für mich allein. Ich stehe um sechs Uhr früh auf und schaue hinein und überlege mir, welche Firmen interessant sind. Eine Firma wird ja nicht wegen eines momentanen Problems dreißig Prozent weniger wert. Das geht ja vorüber.
(+) plus: Heißt das, dass Sie auch bei der RHI engagiert sind?
Schmid: Ja. Die hätte man allerdings kaufen müssen, als sie bei fünf Euro stand. Das Unternehmen ist eine Perle und Marktführer im Segment feuerfester Produkte. Ich denke, dass Gerhard Draxler seine Sache gut gemacht hat.
(+) plus: Haben Sie einen Börseschwerpunkt?
Schmid: Das wechselt. Letztes Jahr war es Deutschland sowie Rohstoffaktien wie Zink, Nickel, die ja blendend zugelegt haben. Da bin ich aber zu Jahresende herausgegangen und habe jetzt ein bisschen in Uran investiert. Es sind 140 Atomkraftwerke geplant, 27 davon bereits in Bau. Das Schwierige an der Börse sind die Währungen. Es nützt nichts, wenn man mit US-Aktien zehn Prozent zulegt und zugleich der Dollar zehn Prozent verliert.
(+) plus: Was suchen Sie aktuell?
Schmid: Einen Wald in Rumänien. Holz ist aufgrund des hohen ölpreises unheimlich gestiegen. Es gibt in Rumänien Waldflächen mit mehreren Tausend Hektar. Der Wald ist dort teurer als landwirtschaftlicher Grund.
(+) plus: Wovon lassen Sie die Finger?
Schmid: Was mir nicht liegt, ist es, Projekte zu entwickeln, wie es Wienerberger mit dem Twin Tower gemacht hat oder die Soravias es tun. Ich habe ein Bürogebäude in Oberwaltersdorf und ein paar Wohnungen in Wien. Wenn ich dort drei Monate Leerstand habe, werde ich krank.
(+) plus: Das heißt, Immobilien sind nicht Ihr Fall?
Schmid: Nein, mir sind Immobilienaktien ein bisschen verdächtig. Die Gesellschaften gehen her, präsentieren am Jahresende ein Gutachten und sagen, das Objekt ist um zwanzig Prozent mehr wert. So kommen sie auf eine Rendite von acht Prozent - das kann stimmen oder auch nicht.
(+) plus: Tourismus oder ähnliches reizt sie nicht?
Schmid: Ich habe einmal ein Hotel in Wr. Neustadt überlegt und den Gedanken wieder verworfen. Die Bankleute sagen, dass der Erste damit kaum etwas verdient. Zudem ist man sehr personalabhängig.
(+) plus: Zurück zum Kerngeschäft. Welche Auswirkungen hatte die Expansion auf die eigene Organisation und Firmenkultur?
Schmid: Eine Standardfrage ist immer, warum gehen Sie nicht an die Börse? Ich will es nicht und habe auch mit vielen Kollegen gesprochen, die diesen Weg gegangen sind und sich unglücklich wieder zurückgezogen haben. Die Börse ist verlockend, weil man plötzlich viel Geld hat und damit arbeiten kann. Das macht große, schnelle Schritte möglich. Was wir langsam mit eigenem Geld und Bankengeld gemacht haben, könnte man mit Börsekapital machen. Unsere große Chance als Mittelständler ist, dass wir schnell sein können. Wenn ich heute vier Dinge angehe und drei gutgehen, stimmt unterm Strich die Rechnung. Wenn man an der Börse ist, muss man in den Aufsichtsrat, damit werden die Dinge öffentlich. Zudem findet sich immer ein lästiger Aktionär, der herumhackt und in der Hauptversammlung frägt, warum haben Sie das so gemacht?
(+) plus: Was ist aus Ihrer Sicht bei Ihrer Expansion so richtig danebengegangen?
Schmid: Die Firma Purator zum Beispiel, das tut mir heute noch leid. Dort haben wir zwei Fehler gemacht. Erstens bin ich kein Maschinenbauer, ich kenne mich also nicht aus. Zweitens hatten wir im großen Großkläranlagenbau halbstaatliche Firmen als Konkurrenten, die vielfach politischen Rückenwind hatten. Wenn wir diesen Zweig abgestoßen hätten, könnten wir heute mit dem Sektor Kanalbau im Osten reüssieren. Der zweite Fall war die Firma Actual in Fischamend, zu der ich sehr billig gekommen bin. Die Firma ist gut gelaufen, hat aber lediglich Kleinserien produziert, ein Wachsen war daher nicht möglich. Ständig klein zu bleiben ist nicht meines. Daher habe ich die Firma wieder verkauft.
(+) plus: Ihre Unternehmen stehen im Wettbewerb mit international agierenden Konzernen. Haben mittelständische Gruppen langfristig Platz im globalen Baustoff-Monopoly?
Schmid: Das Baustoffgeschäft ist ein Geschäft mit schweren Gütern, deren Transportradius begrenzt ist. Außerdem haben wir eine Größe erreicht, die in Europa schon ganz ansehnlich ist.
(+) plus: Deutschland war eine Zeit lang ein Sorgenkind für Baumit. Sehen Sie durch den leichten Konjunkturaufschwung beim großen Nachbarn Licht am Ende des Tunnels? Ist die Integration von Bayosan abgeschlossen und machen Sie in Deutschland Gewinne?
Schmid: Wir haben dort immer Gewinne gemacht. Allein schon durch die Umstrukturierung wurden erhebliche Potenziale gehoben.
(+) plus: Reizt Sie Dubai nicht? Dort stehen ja die Kräne so dicht wie sonst kaum wo.
Schmid: Ich war dort und hätte auch die Möglichkeit gehabt, ein Transportbetonwerk und ein Putzwerk zu kaufen. Ich denke mir aber, irgendwann muss der Boom ein Ende haben. Die Frage ist, wann. Bei den hohen Preisen dort war mir die Sache aber zu riskant.
(+) plus: Aber Sie sind in China. Lohnt sich dieses Engagement?
Schmid: Ich war selbst in Peking und Schanghai und war begeistert von der Bautätigkeit, das war unfassbar, und ich dachte, da müssen wir hin. Wir haben dann in Peking begonnen, es lief zuerst gut an. Dann ging die Geschäftsführerin in Karenz, ihr Nachfolger brachte die Dinge nicht auf die Reihe. Daraufhin haben wir zwei Jahre eine Kooperation mit einem großen Bauträger verhandelt - herausgekommen ist erneut nichts. Dann hat sich ein Mann gemeldet, mit dem wir in Schanghai einen Neustart gemacht haben. Heute gibt es eine Baumit-Tochter in China, die Vollwärmeschutzfassaden verkauft, die von hier nach China geliefert werden. Das Styropor kaufen wir in China zu, Klebespachtel und Putz gehen von Wopfing nach Rotterdam und von dort per Schiff nach Schanghai. Natürlich haben wir das Ziel, dort eine Produktion zu bauen.
(+) plus: Wie viel Umsatz entfällt vom Gesamtumsatz noch auf Baumit?
Schmid: Von der Milliarde Umsatz entfallen in etwa zwei Drittel auf die gesamte Baumit. Der Rest kommt von Austrotherm, Murexin und anderen. Insgesamt machen wir in etwa 45 Prozent in österreich, der Auslandsumsatz ist also mit 55 Prozent höher als jener im Inland.
(+) plus: Würde Sie in österreich eine Sparte abseits des Baustoffgeschäfts reizen?
Schmid: Ich habe letztes Jahr die Firma Hofmann gekauft. Diese verfügt über eine Kunststoffproduktion in der Steiermark, wo Kübel und diverse Verpackungen erzeugt werden. Diese Firma habe ich nach dem Scheitern des früheren Eigentümers günstig gekauft. Es war aufgrund der Verschachtelungen wahnsinnig schwer, dort Ordnung zu machen, aber es schaut jetzt gut aus. Kunststoff ist uns nicht fremd, wir verarbeiten etwa 100.000 Tonnen Polypropylen pro Jahr.
(+) plus: Wie sichern Sie Ihre Geschäfte ab?
Schmid: Bei unserem Joint Venture mit Holcim in der Slowakei haben wir zwei Dinge in den Verträgen. Sollten wir nicht mehr miteinander können, kommt das Shotgun-Verfahren zum Einsatz. Jeder legt ein Angebot, das höhere gilt. Das ist eine schnelle Lösung ohne Streit. Sollte es zu einem Eigentümerwechsel kommen, hat der jeweilige Partner das Recht, die Anteile des anderen zu übernehmen.
(+) plus: Die Wopfinger-Gruppe bzw. die Unternehmen der Schmid-Holding wachsen rascher als Ihr Partner, die Wietersdorfer-Gruppe. Gerät dadurch nicht das Gleichgewicht der Partner aus dem Lot?
Schmid: Sie stellen da eine wichtige Frage. Das war ja letztlich auch der Grund, warum wir uns in Deutschland getrennt haben, wo wir ursprünglich eine 50:50-Tochter hatten. Ich bin eher ein Typ, der mehr Risiko in Kauf nimmt und manche Entscheidungen aus dem hohlen Bauch heraus trifft. Man kann nicht alles rechnen. Wir wollten einst gemeinsam die Firma Wildgruber in München kaufen. Wietersdorfer hatte Bedenken wegen der Schieflage der Firma, allein war auch mir der Kauf nicht möglich. Tatsächlich hätten wir das Unternehmen kaufen sollen, der damalige Käufer Webersberger steht heute gut da. Als Bayosan zum Verkauf kam, habe ich dann alleine verhandelt und habe Wietersdorfer eine Beteiligung angeboten. Dort hat man Roland Berger engagiert, die Berater haben festgestellt, dass es zu teuer ist, und forderten Nachbesserungen. Das war nicht möglich, weshalb Baumit Deutschland heute eine Tochter der Wopfinger-Gruppe ist. Ich habe aber Verständnis dafür, da die Wietersdorfer ja mehr zementlastig sind. Das ist ein anderes Geschäft.
(+) plus: Die Markenkooperation Baumit feiert 2008 ihren zwanzigsten Geburtstag. Ist diese Art der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen noch zeitgemäß, wo doch alle Welt übernahmen und Fusionen entgegenfiebert?
Schmid: Es funktioniert, jeder hat sein Gebiet, in dem er tätig ist. Wie es weitergeht, weiß ich nicht. Die Zusammenarbeit funktioniert, es gibt absolut keinen Leidensdruck. Wir haben den Bereich Forschung und Entwicklung getrennt, damit diverse Dinge nicht doppelt passieren, und die Werbung läuft auch gemeinsam.
(+) plus: Sie haben den Baustoffhandel mehrfach dazu ermuntert, in Ost- und Südosteuropa tätig zu werden. Warum, denken Sie, ist dieser Wunsch nicht in Erfüllung gegangen?
Schmid: Das müssten Sie eigentlich die Baustoffhändler fragen. Wäre ich ein Baustoffhändler, ich hätte es gemacht. Es gab ja auch einige zaghafte Ansätze, so richtig getraut hat sich aber keiner. Dabei wäre es so einfach gewesen, es gab ja keinen funktionierenden Handel in all diesen Ländern. Die hätten sich bloß eine Halle oder einen Lagerplatz mieten müssen, um die Baufirmen bedienen zu können. Es war eine enorme Chance und ist es noch immer. In Rumänien, Bulgarien und der Ukraine bestehen immer noch Möglichkeiten.
(+) plus: Wie sehen Sie die Entwicklung des Handels insgesamt?
Schmid: Das Problem ist, dass man als Erzeuger ähnlich wie im Lebensmittelhandel nur mehr wenige Abnehmer hat. In österreich haben wir nur mehr vier große Gruppen, mit denen wir verhandeln. Da ist man als Produzent ziemlich arm und austauschbar. Freilich hat es aber auch der Baustoffhandel nicht leicht, weil vieles in die Richtung Baumärkte geht. Die bedienen zunehmend kleine und mittlere Gewerbetreibende auch auf Lieferschein.