Mütterchen Russland wird mobil
- Written by Redaktion_Report
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Chance Automobilindustrie
Kumm glaubt, dass die Autoindustrie einer der Wirtschaftstreiber Russlands werden könnte. \"Der russische Automobilmarkt wird sehr dynamisch wachsen und innerhalb der nächsten acht Jahre der wichtigste Markt hinter China sein wird“, ist Kumm überzeugt. Von diesem Wachstum profitieren fast ausschließlich Marken internationaler Hersteller, heimische Automobilerzeuger werden zunehmend ins Niedrigstpreissegment abgedrängt. \"Trotzdem verhält sich die europäische Automobilindustrie noch sehr zurückhaltend, der Markt wird von amerikanischen und asiatischen Anbietern dominiert, die auch zunehmend die Montage nach Russland verlagern. Die Europäer müssen sich hier einen Gegenpol aufbauen, um am Marktwachstum erfolgreich zu partizipieren\", beschreibt Kumm die Situation. Bislang dominierte das Henne-Ei-Paradoxon: Die großen Autokonzerne wollten nicht in Russland produzieren, da der Zuliefermarkt nur sehr spärlich ausgebildet ist und die Zulieferindustrie wollte nicht nach Russland, weil keine Autofirmen ansässig waren. Durch diesen \"Nicht-Kreislauf“ wurden größere Investitionen verhindert.
Knackpunkt Rahmenbedingungen
Um der Automobilindustrie einen Eintritt in den russischen Markt schmackhaft zu machen, bedarf aber vor allem anderen eine Verbesserung der Rahmenbedingungen. Die lähmende Bürokratie und fehlende Rechtssicherheit bremsen die westliche Investitionslust enorm. \"Wenn vernünftige Rahmenbedingungen herrschen, dann werden auch die großen Konzerne kommen und nach ihnen auch die Zulieferer“, orakelt Kumm. Angesprochen auf das Klischee vom Korruptionssumpf in russischen Behörden sagt Kumm, dass die Kleinkorruption in Russland nach wie vor floriere. Das Bild vom Polizisten an der Ecke, der für kleine Zuwendungen das eine oder andere Auge zudrückt sei nach vor aus Russland nicht wegzudenken, im Bereich der Großkorruption habe sich aber vieles verbessert. Kumm räumt aber auch ein, dass noch nicht das Niveau erreicht sei, dass man sich eigentlich wünsche. \"Früher galt etwa die ungeschriebene Regel, wer in Russland bauen will, muss zumindest einen Minister in der Tasche haben. Das ist jetzt nicht mehr so“, bringt Kumm ein Beispiel aus der - weltweit - vom Hauch der Korruption umwehten Baubranche.
Automobilsektor als Beschäftigungs- und Innovationsmotor
Mit einem Beschäftigungsanteil von sieben Prozent aller Industriebeschäftigten treibt die Autoindustrie 18 Prozent aller Innovationen des gesamten Industriesektors. \"Das Potenzial der russischen Automobilindustrie ist aber noch lange nicht ausgeschöpft. Derzeit ist rund ein Prozent aller werktätigen Russen in dieser Branche beschäftigt, ich halte bis zu 2,7 Prozent - dem Wert der Slowakei - für realistisch\", zeigt sich der Berater optimistisch. Von der russischen Regierung fordert Kumm vor allem die Schaffung von vorausplanbaren Rahmenbedingungen, wie konstante Zölle, höhere Sicherheitsstandards, zusätzliche Investitionsanreize sowie Betriebsansiedlungsprogramme. Positiv bewertet Kumm das vorhandene Know-how in Russland: \"Die Schul- und Hochschulausbildung muss sich vor der im Westen nicht verstecken. Vor allem im technischen und naturwissenschaftlichen Bereich ist die Ausbildung sehr gut.“ Ein Riesendefizit gebe es aber bei den Führungskräften. \"Der Bedarf an Fach- und Führungskräften ist enorm. Firmen die nach Russland wollen, sollten sich rechtzeitig nach passenden Personal umsehen. Es braucht Menschen, die beide Welten kennen, denn die Unternehmensphilosophien und Unternehmenskulturen unterscheiden sich doch sehr stark von dem, was man in West- und Mitteleuropa kennt“, weiß Kumm.