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Manöverkritik

Baumpflanzung statt Spatenstich. Mit diesem Akt ging der offizielle Start für das über vier Jahre hindurch entwickelte Projekt Boku 3, das inzwischen zum Vienna Institute of BioTechnology geworden ist, über die Bühne. »Die Großartigkeit des Dings, rechtfertigt auch die Weile«, erklärte dazu der Wiener Bürgermeister Michael Häupl. Die Stadt sponsert das VIBT mit zehn Millionen Euro verteilt auf zehn Jahre - für einen Gerätepool. »Die Erweiterung der Muthgasse zeugt von Mut, Wien ist Wissenschafts- und Forschungsstandort der ersten Kategorie«, ergänzte Wissenschaftsminister Johannes Hahn. Errichtet wird um rund 40 Millionen Euro ein Bau mit einer Nutzfläche von 24.000 m2, 10.000 m2 werden an Spin-Off-Unternehmen vermietet.

Podium
Nach dem Abzug der Politprominenz gingen renommierte Wissenschafter daran, über Biotechnologie in Europa und den Forschungsstandort österreich zu diskutieren. »österreich ist nur dabei, weil es Austragungsort ist«, bemerkte Franz Fischler mit dem Verweis auf die Fußball-EM. Dies zeige ganz klar die Bedeutung von Austragungsorten, meinte der Präsident des ökosozialen Forums. Seiner Meinung nach sei in österreich eine Neuorganisation der angewandten Forschung notwendig. »Der Wille der Politik, Projekte zur Praxis zu bringen, fehlt«, konstatiert er. In Irland sei es dagegen exzellent gelungen, die Hierarchie zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik abzuschaffen. Dies sei hierzulande nicht der Fall. Eine wichtige und notwendige Voraussetzung zur Forcierung wissensbasierter Wirtschaft sei auch Risikokapital - »ein europäisches Problem«, wie Fischler meint. »Wir brauchen den Treibstoff Kapital«, bekräftigt Hermann Katinger, Leiter des Instituts für Angewandte Mikrobiologie an der Boku. Die Banken müssten dazu animiert werden, einen Teil ihrer Gewinne als Spielkapital für die Zukunft zu verwenden. Der Mangel an Risikokapital sei schon in den siebziger Jahren evident gewesen. Damals hatte Katinger Kontakt zu den Gründern des US-Gentechnikkonzerns Amgen aus Toronto. Eine Kooperation sei letztlich an der Infrastruktur und am Geld gescheitert, das in Wien nicht aufzutreiben war, so der Biotechnologe. Heute ist Amgen mit einem Umsatz von 14,2 Milliarden Dollar (2006) der weltweit größte Biotechnologiekonzern.
»In österreich wird viel getan, es geht aber etwas zu langsam, die Politik redet viel«, urteilt Josef Penninger, wissenschaftlicher Direktor am Institut für Molekulare Biotechnologie der österreichischen Akademie für Wissenschaften, der lange Jahre als Pricipal Investigator für Amgen in Kanada tätig war. Im Segment Biotechnologie werde der Graben zwischen österreich und den USA größer. »Wir müssen froh sein, wenn wir mit Ländern wie Indien, China und Singapur mithalten können«, urteilt Penninger. Seiner Ansicht nach sei es an der Zeit, dass das Land Schwerpunkte setze und die vorhandenen Mittel kontrolliert dorthin verlagert. Mittelfristig, so seine Prognose, würden in Europa etwa fünfzehn Forschungsuniversitäten übrig bleiben, österreich sollte darauf achten, dabei zu sein. Zustimmung dazu kommt vom früheren EU-Agrarkommissär Fischler. »Wir müssen dringend verstehen, dass die Biotechnologie so umfassend ist, dass eine Spezialisierung erforderlich ist.« Dazu müssten schlaue Köpfe ein paar wesentliche Antworten geben. »Welche Kriterien sind in der Definition der Schwerpunkte ausschlaggebend, ist die zentrale Frage, um die man sich in österreich bislang herumgedrückt hat«, mahnt er und plädiert dafür, den Oktopus zum Wappentier der Ingenieurwissenschaften zu machen. Das Tier mit den großen Augen und langen Armen soll Symbol sein für die Zusammenführung von Disziplinen, die sich gegenseitig anreichern, ergänzen und befruchten. »Die Frage ist, inwieweit die Integration gelingt, Wissenschaft passiert in Teams, da menschelt es«, gibt Uwe Slytr, Vorstand des Zentrums für NanoBiotechnologie am VIBT zu bedenken. Doch selbst wenn dem Eigensinn und der Profilierung Einhalt geboten werden kann, spielt auch die Infrastruktur eine wesentliche Rolle. Auch hier gilt es, noch Brücken zu bauen. Ein guter Beginn wäre die geplante Verbindungsbrücke zwischen der Boku »alt« in der Muthgasse und dem nun gegenüber neu entstehenden Gebäude, die derzeit ungewiss ist - aus wirtschaftlichen Gründen.

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