"Wir mussten unsere Prognose für das heurige Jahr von 1,2 auf 0,9 Prozent und für das nächste Jahr von 2,9 auf 2,2 Prozent senken", sagt WIFO-Chef Helmut Kramer. Eine Spur optimistischer wird die Lage vom
IHS eingeschätzt. IHS-Chef Bernhard Felderer rechnet heuer mit einem Wachstum von 0,8 Prozent und 2,5 Prozent im kommenden Jahr.
Den Grund für das verzögerte Wachstum sieht das WIFO vor allem in den schwachen US-Börsen, während das Institut für Höhere Studien auf einen kurzfristig starken Euro, eine schwache Binnennachfrage und einen generellen Pessimismus in Europa, sowohl bei Konsumenten als auch bei Investoren, verweist.
Seit dem Juni haben sich die Konjunkturaussichten für die USA und Europa verschlechtert. Der massive Verfall der Börsenkurse beeinflusst über Vermögensverluste und Stimmungstiefs auch die Realwirtschaft. "Ich nehme aber an, dass sich das Börsenklima wieder beruhigt und das Luftablassen der Spekulationsblase noch heuer beendet wird", so Kramer. "Die Erholung Europas kommt aus den USA", meint Felderer. Die US-Wirtschaft werde im dritten Quartal wieder kräftig anziehen - das IHS rechnet mit einem Plus von 2,75 Prozent - und somit auch den gesamten Welthandel positiv beeinflussen.
Der große Profiteur werde dabei Asien sein, wo gerade ein Exportboom Richtung USA einsetzt. Allein die Exporte Chinas stiegen um 30 Prozent, die Rezession in Japan dürfte vorbei sein. Europa und somit auch österreich konnten bis dato davon allerdings noch kaum profitieren. Für Europa fallen die Prognosekorrekturen stärker aus als für die USA, weil die Wirtschaft der EU bisher deutlicher hinter den Erwartungen zurückblieb.
In österreich kam die Konjunkturerholung im 1. Halbjahr noch wie erwartet, allerdings im Einklang mit der EU, nur schleppend voran. Das reale Bruttoinlandsprodukt nahm von Quartal zu Quartal um etwa ein halbes Prozent zu. Für ein über zwei-prozentiges Wachstum im kommenden Jahr spricht, dass sich das Vertrauen in die börsennotierten Unternehmen wieder festigen dürfte und dass aufgeschobene Investitionen nachgeholt werden müssen, um den Ersatzbedarf zu befriedigen. Diese Annahmen gehen allerdings davon aus, dass es zu keinem Irak-Krieg kommt.
Die Konjunkturschwäche hat 2002 hohe Steuerausfälle (rund zwei Mrd. Euro) zur Folge, dazu kommt die Budgetbelastung durch die Folgen der Hochwasserkatastrophe (eine Mrd. Euro). Der Staatshaushalt wird deshalb heuer ein Defizit von etwa 1,5 Prozent des BIP aufweisen. Im Jahr 2003 dürfte das Budget einen Abgang von gut einem Prozent des BIP aufweisen, so Kramer.
Die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums hat einen ungewöhnlich starken Anstieg der Arbeitslosigkeit zur Folge - österreich zählt heuer zu den EU-Ländern mit dem raschesten Zuwachs an Arbeitslosen. Die Arbeitslosenquote wird deshalb von 6,1 Prozent (2001) auf 6,9 Prozent im Jahr 2002 steigen und nächstes Jahr auf hohem Niveau stagnieren. Dies bedeutet für das heurige Jahr die zweithöchste Arbeitslosenrate seit 1945. Als größte Brocken für eine neue Regierung nannte Kramer die Sicherung des Sozialsystems und die Senkung der Abgabenquote, um den Wirtschaftsstandort zu sichern.
Felderer sieht eine Steuer- und Pensionsreform, höhere Ausgaben bei Forschung und Entwicklung sowie eine massive Investition in die Infrastruktur als zentrale Punkte. Allerdings müsste eine Steuerreform gut durchdacht und die Finanzierung geregelt sein. "Die Regierung muss sich klar darüber sein, dass keine Steuerreform ohne vorübergehende Verschuldung möglich ist", so Felderer.