»Plastiksackerlverbot sinnlos«
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Werner Knausz im Interview.
Werner Knausz, Vorstand der Altstoff Recycling Austria AG, spricht im Interview über einen Paradigmenwechsel in der Altstoffindustrie und die Gefahr einer neuen Blase. Außerdem erklärt er, warum ein Plastiksackerlverbot ökologisch nicht zu begründen ist und auch Biosackerln nur bedingt eine Lösung sind.
(+) plus: Der Report Verlag feiert seinen 15. Geburtstag. In diesen eineinhalb Jahrzehnten ist viel passiert in Österreich. Die Altstoffindustrie steht weniger im Rampenlicht als andere Wirtschaftszweige. Was hat sich in Ihrer Branche getan?
Werner Knausz: Es hat sich sehr viel verändert in diesen 15 Jahren. Mitte der 90er-Jahre wurde ein großer Teil des Mülls noch deponiert. Es wurde sogar der Deponienotstand ausgerufen, weil es zu wenig Deponievolumen gab. Durch die Einführung der Verpackungsverordnung und der Biomüllverordnung sind dann die getrennten Sammelmengen und auch die Recyclingmengen stark gestiegen. Alleine zwischen 1995 und 2010 konnten wir bei der Sammelmenge ein Plus von 34 Prozent verzeichnen. Ein weiterer Meilenstein war die Deponieverordnung im Jahr 2004. Seither dürfen nur noch nicht brennbare Stoffe deponiert werden. Damit sind die Deponiemengen drastisch gesunken.
(+) plus: Was sind aktuell die Themen der Branchen?
Knausz: Es ist ein Paradigmenwechsel zu beobachten. Früher war vor allem von Recycling die Rede, heute dreht sich alles um Ressourcenbewirtschaftung. Man hat in der EU erkannt, dass wir selbst nur noch über 10 Prozent der Rohstoffe verfügen, die innerhalb der EU benötigt werden. 90 Prozent müssen importiert werden. Deshalb schwirren jetzt Schlagworte wie Ressourcenbewirtschaftung und Urban Mining herum. Schließlich ist weltweit mehr Kupfer in Häusern verbaut, als noch in der Erde liegt.
Ein großes Thema ist auch die neue Abfallrahmenrichtlinie der EU, die neue Recyclingziele für 2020 formuliert. Da geht es dann um ganze Stoffgruppen. Unter Kunststoff fallen dann nicht mehr nur Kunststoffverpackungen, sondern auch Autostoßstangen, Zahnbürsten oder Fensterstöcke.
(+) plus: Was bedeutet das für Industrie und Konsumenten?
Knausz: Die Auswirkungen werden für uns alle enorm sein. Aber am Anfang steht ein mathematisches Problem. Wenn das Ziel ist, 50 Prozent eines Stoffes einzusparen, dann muss ich erst einmal wissen, wie viel 100 Prozent sind. Es weiß heutzutage aber kein Mensch, wie viel Kunststoff im Umlauf ist. Dieses Wissen gilt es jetzt zu erarbeiten. Bei Verpackungen ist das einfach, das sind so genannte Kurzdreher. Wenn heute ein Mineralwasser abgefüllt wird, kann man davon ausgehen, die Flasche in spätestens sechs Wochen zurückzubekommen. Bei einem Fensterrahmen schaut das anders aus. Deshalb arbeiten wir derzeit mit der TU Wien an einem Urban-Mining-Projekt, wo es darum geht, dieses Wissen zu erarbeiten.
(+) plus: Heiß diskutiert werden auch die Plastiksackerln, denen es endgültig an den Kragen gehen soll.
Knausz: Die Forderung nach einem Plastiksackerlverbot ist aus meiner Sicht rein populistisch. Pro Jahr fallen 3,5 Millionen Tonnen Haushaltsmüll an, davon entfallen 5000 Tonnen auf Plastiksackerln. Das ist eine vernachlässigbare Größe.
(+) plus: Aus Ihrer Sicht also ein ideologisch besetzter Nebenkriegsschauplatz?
Knausz: Das kann man so nicht sagen. Eines habe ich aus der Plastiksackerldebatte gelernt: Die Politik besetzt offensichtlich gerne Themen, die einfach zu erklären sind. Ein Plastiksackerl kennt jeder und jeden stört es, wenn es auf der Wiese liegt oder am Zaun hängt. Also verbieten wir es einfach. Das bringt dann schnell einmal eine Zustimmung von 70 Prozent. Dabei gäbe es in der Abfallwirtschaft ganz andere Themen, die für die Umwelt viel wichtiger wären, aber auch schwieriger zu transportieren. Etwa beim Thema Lebensmittel: 12 Prozent des Haushaltsmülls sind Lebensmittel, die Hälfte davon unverpackt. Da sollte man den Hebel bei der Bewusstseinsbildung ansetzen.
(+) plus: Auch wenn es sich um vernachlässigbare Mengen handelt – wäre ein Verbot des Plastiksackerls nicht trotzdem ein Schritt in die richtige Richtung?
Knausz: Die ganze Plastiksackerldiskussion wird aus meiner Sicht zu wenig sachlich geführt. Vor 15 Jahren haben wir dafür gekämpft, dass der Handel so wenig Obst und Gemüse wie möglich abgepackt zur Verfügung stellt. Jetzt werden viele Produkte lose angeboten. Dann muss man dem Konsumenten aber die Möglichkeit geben, das Produkt zu transportieren und den Preis auszuzeichnen. Man kann ja nicht auf jede Tomate ein Pickerl kleben.
(+) plus: Aber könnte man nicht kompostierbare Biosackerln verwenden?
Knausz: Das wäre zwar eine Möglichkeit, aber ich bin zu 100 Prozent überzeugt, dass in Österreich kein Plastiksackerl kompostiert wird. Man müsste die Konsumenten aufklären, das Sackerl im Biomüll statt im Restmüll zu entsorgen. Die Gemeinden lassen aber eine Werbekampagne berechtigterweise nicht zu, weil sie Angst haben, dass dann alle Sackerln im Kompost landen.
(+) plus: Könnte man die Biosackerln nicht eindeutig kennzeichnen?
Knausz: Wir sammeln seit 20 Jahren Plastikverpackungen. Aber eine korrekte Trennung ist immer noch schwer zu erreichen. Die besten Ergebnisse bringen einfache Vorgaben wie »Nur Flaschen«. Was eine Flasche ist, weiß jeder. Sobald man unterteilt, in Kunststoff, Folien etc., ist das Chaos perfekt. Dabei ist das noch gar nicht das größte Problem. Da gibt es auch noch die Kompostieranlagen, die so gebaut sind, dass alles Großflächige abgesiebt wird. Ein Plastiksackerl würde gar nicht bis in die Anlage kommen. Und wenn es dann einmal ein Exemplar doch bis ins Ziel schaffen würde, dann zersetzt es sich und setzt dabei Methangas frei. Dieses Methangas geht in die Klimaschutzrechnung um den Faktor 21 höher ein als CO2, das bei der Verbrennung entsteht. Außerdem stellt sich die ethische Frage, ob man wirklich Lebensmittel zu Sackerln verarbeiten soll, wenn andererseits eine Milliarde Menschen Hunger leiden.
(+) plus: Während der Krise hat die ARA die Lizenzierungskosten angehoben, jetzt wird wieder gesenkt. Mit welchen Entwicklungen muss die Wirtschaft in den nächsten Jahren rechnen?
Knausz: Es ist richtig, dass es während der Krise zu Preisanpassungen gekommen ist. Wir konnten durch ein Paket an internen und externen Maßnahmen zwar 10 Millionen Euro einsparen, allerdings haben uns durch die Rückgänge auf den Altstoffmärkten gleich einmal 40 Millionen Euro gefehlt. Diese Differenz musste über die Lizenzierungskosten kompensiert werden. Wir haben das der Wirtschaft sehr offen kommuniziert und auch Preissenkungen zugesichert, sobald die Konjunktur wieder Fahrt aufnimmt. Das ist jetzt der Fall. Wir haben die Lizenztarife 2011 zweimal gesenkt. Die Lizenzierungskosten liegen 13 Prozent unter 2010 und stolze 53 Prozent unter 1995.
(+) plus: War es nicht auch für die Kunden schwierig, mitten in der Krise die höheren Lizenzierungskosten zu stemmen?
Knausz: Sie waren nicht erfreut, haben aber die Notwendigkeit verstanden. Ein Vorteil ist, dass die ARA antizyklisch unterwegs ist. Wenn die Rohstoffpreise im Keller sind, kaufen unsere Kunden billiger ein. Gleichzeitig bekommen wir am Sekundärmarkt aber auch deutlich weniger für unsere Recyclingprodukte. Dann müssen wir die Tarife erhöhen. Die Unternehmen kompensieren das mit geringeren Einkaufspreisen. Jetzt steigen die Preise für die Rohstoffe wieder, das ist schlecht für unsere Kunden, dafür können wir aber auch die Lizenzierungskosten senken, weil wir für unser Recyclingmaterial wieder mehr Geld bekommen.
(+) plus: Wie steht es aktuell um die Nachfrage am Altstoffmarkt?
Knausz: Die Nachfrage ist sehr groß. Im Moment hoffe ich fast schon wieder auf eine Stagnation, weil die Märkte seit Mitte letzten Jahres schon wieder stark überhitzen. Das erinnert schon ein wenig an 2008, als sich der Schrottpreis innerhalb von 30 Tagen verdoppelte, um dann auf Null zu sinken.
(+) plus: Die Gefahr einer neuen Blase ist also gegeben?
Knausz: Sie ist zumindest nicht auszuschließen. Aber wenn das Konjunkturwachstum anhält, wird es schon funktionieren.
>> ARA Jahresbilanz:
Auch 2010 kann die Altstoff Recycling Austria AG wieder einen neuen Sammelrekord vorweisen. 835.000 Tonnen Verpackungen aus Papier, Glas, Kunststoff, Metallen und Holz wurden erfasst. Das sind um 1,3 Prozent mehr als im Jahr davor. 86 Prozent wurden stofflich verwertet. Durch Recycling wurden diese Verpackungen wieder zu neuen Verpackungen oder anderen Produkten.
110.000 t wurden als Ersatzbrennstoff energetisch verwertet. 2010 verbuchte die ARA Lizenzeinnahmen von 180,2 Mio Euro. Als Non-Profit-Unternehmen wurden die Preisvorteile durch die Stabilisierung auf den Rohstoffmärkten umgehend an die Kunden weitergegeben. Zurzeit betragen die durchschnittlichen Lizenzierungskosten für eine Tonne Verpackungsmaterial 146 Euro und liegen damit um rund 13 Prozent unter dem Vergleichswert 2010.
>> Veranstaltungstipp: Kinderrallye
Die Altstoff Recycling Austria AG unterstützt auch heuer wieder die Kinderrallye 2011, die am 17. Juli in Horn/ Fuglau am Nordring über die Bühne gehen wird. Unter dem Motto »Tausende PS für ein PS« soll Geld gesammelt werden, um Pferdefohlen zu retten und für therapeutische Zwecke auszubilden. Mehr als 16.000 Euro sind im letzten Jahr zusammengekommen. Das Publikum darf sich neben rasanten Rallyefahrten auf zahlreiche Spielestationen und Live Acts freuen.
Weitere Infos unter: www.kinderrallye.at