»Die Wolke verleiht der IT Flügel«
- Written by Martin Szelgrad
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Wilfried Pruschak, Geschäftsführer des Rechenzentrumsanbieters Raiffeisen Informatik, im Report-Gespräch zum Thema Nummer eins in der EDV: Cloud Computing.
Von Martin Szelgrad
(+) plus: Die Begrifflichkeiten in der IT ändern sich von Jahr zu Jahr, die Services dahinter werden konstant kundenfreundlicher. Die grundlegende Idee der »IT aus der Steckdose« formiert sich nun als Cloud Computing. Was ist neu daran, was hat sich geändert?
Wilfried Pruschak: Die flexible Bereitstellung von IT-Services aus dem Rechenzentrum hängt stark mit den Möglichkeiten der Virtualisierung von Infrastruktur zusammen. Je effizienter und kostengünstiger Server, Speicher und Prozessorleistung zur Verfügung gestellt werden können, desto erfolgreicher wird Cloud Computing am Markt sein. Ein IT-Serviceunternehmen wie Raiffeisen Informatik schafft in seiner IT-Infrastruktur derart hohe und durchgängige Auslastungen, wie sie einem einzelnen Unternehmen mit eigener IT niemals möglich sind.
Diese leistungsfähigen Systeme, die Virtualisierung von Servern und Applikationen, ermöglichen Kosteneinsparungen und Effizienzen, wie man sie noch vor zehn Jahren nicht für möglich gehalten hätte. Cloud Computing bringt erfreulicherweise eine Renaissance des Rechenzentrums unter neuem Titel und wird den Rechenzentren wieder einen großen Stellenwert verleihen. Zumal nun auch ein Handicap gelöst wird, das die großen Rechenzentren der 70er- und 80er-Jahre hatten: Aufgrund der Starre der bereitgestellten Dienstleistungen war das Nutzererlebnis teilweise sehr negativ.
(+) plus: Es gibt im Cloud Computing unterschiedliche Ansätze – der anonyme Service aus einer Public Cloud, das geschlossenen System der Private Cloud sowie hybride Modelle. Welche dieser Lösungen wird Unternehmen in Österreich beschäftigen?
Pruschak: Globale Services, wie sie von großen Plattformen wie Amazon oder Google aus den USA geboten werden, bergen eine Menge an offenen Themenstellungen. Die Abwicklung dieser Cloud-Services passiert relativ anonym. Die Kunden wissen nicht, wo ihre Daten gespeichert liegen. Rechtlich bindende Serviceverträge hinsichtlich Datenschutz und Ausfallssicherheit gibt es ebenfalls nicht in der Form, wie es Unternehmen benötigen würden.
Für die Europäer wird wahrscheinlich die Nutzung von Private Clouds von Anbietern ihres Vertrauens der richtige Weg sein. Privat habe ich wahrscheinlich kein Problem, wenn meine Fotos und Daten in der Wolke gelagert werden – ein Zustand, wie wir ihn von Web-Mail-Anbietern und Online-Foto-Plattformen bereits kennen. Wenn es aber um rechtsverbindliche Dokumente aus dem Geschäftsverkehr und vielleicht sogar um Kundendaten geht, ist die Öffentlichkeit sicherlich nicht die richtige Plattform. Man würde ja auch keine Briefe übers Fernsehen schicken oder über Facebook die Geschäftskommunikation abwickeln.
(+) plus: Ist bei Ihren Kunden der Standort der Datenspeicherung tatsächlich ein großes Thema? <
Pruschak: Auf jeden Fall. Schon alleine aufgrund gesetzlicher Rahmenbedingungen ist eine grenzüberschreitende Speicherung von personenbezogenen Daten und Gesundheitsdaten nicht denkbar. Teilweise ist die Rechtslage in anderen Ländern dazu sogar noch schärfer. Man weiß heute auch, wie kritisch Datenverlust ist und welche Konsequenzen dies nach sich ziehen kann. Bei fahrlässigem Fehlverhalten können Manager deshalb sogar ins Gefängnis gehen. Das nimmt niemand auf die leichte Schulter – weder unsere Kunden noch wir als Rechenzentrumsbetreiber. Hier finden die globalen Ansätze des Cloud Computing ihre Grenzen.
Weniger problematisch wäre die Provisionierung von IT-Services innerhalb eines Rechts- und Wirtschaftsraumes. Betrachten wir etwa Deutschland, Österreich und die Schweiz: In der Region DACH könnte die Bereitstellung von zentralisierten IT-Services sehr gut funktionieren. Hier lässt sich ja sofort eine reale Verbindung zwischen Anbieter und Konsument herstellen. Dadurch sind die rechtlichen Grundlagen gegeben, um Risiken vorbeugen zu können. Die Durchsetzungskraft gegenüber einem globalen Anbieter wird für ein einzelnes Unternehmen dagegen eher schwer sein – ganz unabhängig davon, an welchem Ort auf dieser Welt der Anbieter seinen Firmensitz hat.
(+) plus: Sind die Hersteller überhaupt so weit, dass man Rechen oder- Speicherressourcen auf Knopfdruck bieten kann?
Pruschak: Mit der Virtualisierung von IT-Systemen wird die flexible Bereitstellung nun möglich. Es passiert dazu derzeit einiges in der Branche. Oracle beispielsweise bündelt alle Komponenten von der Hardware bis zur Datenbank extrem mit einer hohen vertikalen Tiefe und bietet solche Lösungen in einem Guss an. Auch Cisco und VMware können durch die Virtualisierung bereits extrem schnell IT-Ressourcen bereitstellen. Da reden wir nicht mehr von Tagen, sondern von Viertelstunden, in denen ein Kunde über eine zugeschnittene Plattform Server, Prozessorenleistung und Storage geliefert bekommt – samt dem flexiblen Verrechnungsmodell dahinter. Wir arbeiten gerade an diesen Konzepten und auch an einem Verrechnungsmodell, das die ganze Wertschöpfungskette abdeckt, bis hin zu Netzwerk- und Securityleistungen. Wann diese flexiblen IT-Services auch in einer Form der einfachen Selbstbedienung unseren Kunden zu Verfügung stehen, lässt sich heute aber noch nicht genau sagen. So wird Raiffeisen Informatik im kommenden Jahr die ersten Systeme erst einmal intern in Pilotversuchen selbst ausprobieren.
Unser Ziel wird eines Tages die IT-Kilowattstunde sein, die all diese Features standardisiert beinhaltet. Sie wird Standard und Maßeinheit für Rechnerleistung sein. Dann sind wir in der Verrechnung wirklich bei der Idee der IT aus der Steckdose angelangt. Man wird wie im Supermarkt einfach unterschiedliche Ressourcen in IT-kWh-Einheiten aus dem Regal nehmen.
(+) plus: Welche Ansätze in der Desktop-Virtualisierung sind für Sie vielversprechend? Auch dieses Thema ist ja nicht ganz neu.
Pruschak: Wir hatten im Jahr 1998 bereits Computer mit virtualisierten Clients bei unseren Kunden im Einsatz. Damals waren Systeme wie Citrix sehr gefragt. Heute wird dieses Thema etwas anders gesehen. Nicht die eingesparten Hardwarekosten auf Nutzerseite sind ausschlaggebend, sondern die einfachere Verwaltung der Systeme. Mit einem einzigen Knopfdruck sind dann viele Clients mit dem gleichen Stand der Software versorgt. Vor Ort bei den Anwendern werden keine Personalressourcen mehr gebunden. Dazu kommt, dass ein Unternehmen so seinen Mitarbeitern spielend leicht eine Vielfalt an Endgeräten bieten kann. Ist das Clientsystem mit all seinen Applikationen professionell gekapselt, kann es der Anwender auf einem Macbock ebenso wie auf einer Windows-Maschine oder irgendwann auch vielleicht auf einem Smart Phone mit Androidoberfläche nutzen. So paradox dies klingt: Die Einschränkung in der Standardisierung erschließt hier neue Vielfalt.
(+) plus: Dieser Ansatz könnte auch eine neue Sympathie für die IT bringen, wenn man den flexiblen Zugriff auf den Arbeitsplatz ermöglicht.
Pruschak: Der Mitarbeiter der Zukunft wird sein eigenes Endgerät ins Büro mitnehmen. Die Hardware wird nicht mehr vom Arbeitgeber vorgegeben, sondern wird frei wählbar sein. Die Menschen können dabei dann je nach ihren Fähigkeiten und Aufgaben die jeweils passenden Werkzeuge wählen. Die Unternehmen werden lediglich eine saubere Schnittstelle zum Andocken der Geräte an die virtualisierten Betriebssysteme bieten müssen. Die Nutzer müssen dabei nicht auf ihre eigenen Programme und Dateien verzichten, die sich weiterhin auf den Geräten befinden. Die unsäglichen Unverträglichkeiten in den Systemen werden dann endgültig Vergangenheit sein.
>> Schnell und kompakt erklärt:
> Cloud Computing ist der Ansatz, abstrahierte IT-Infrastrukturen dynamisch an den Bedarf angepasst über ein Netzwerk zur Verfügung zu stellen. Die Abrechnung erfolgt je nach Bedarf. Tatsächlich muss nur für genutzte Dienste bezahlt werden.
> Virtualisierung — dabei wird auf einem Rechner ein zusätzliches Betriebssystem virtuell neu gestartet, das über eine abstrakte Verwaltungsschicht verfügt. Über diese wird auf gemeinsame Ressourcen wie Netzwerkanbindung, Festplattenspeicher, Monitor, Tastatur und Maus zugegriffen. So können auf einem Rechner — etwa in einem Rechenzentrum — mehrere Server- oder auch Desktopclients laufen. Diese werden bei Bedarf den Anwendern über die Datenleitung in einem Browserfenster zu Verfügung gestellt.
> Mag. Wilfried Pruschak, 49, ist seit 1996 Geschäftsführer des größten österreichischen IT-Anbieters Raiffeisen Informatik und seit 2009 Aufsichtsratvorsitzender der PC-WARE Information Technologies AG. Die Raiffeisen-Informatik-Gruppe erwirtschaftet 2010 einen Umsatz von rund 1,3 Milliarden Euro und verfügt über 27 Standorte weltweit.