Offen für Vorschläge
- Written by Mag. Bernd Affenzeller
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Josef Pröll im Interview mit dem Bau & Immobilien Report.
Der Finanzminister spricht über den Weg aus der Schuldenfalle, offene Kreditkanäle und die Vorteile direkter Förderungen gegenüber fiskalischen Anreizen. Außerdem erklärt er, warum es sinnvoll ist, dass sich die KIAB künftig auch verstärkt um das kleine Glücksspiel kümmern soll.
Report: Im Rahmen der Budgetkonsolidierung mussten die einzelnen Ministerien strenge Sparvorgaben umsetzen. Nicht zuletzt im Infrastrukturbereich gab es massive Einschnitte. Bei ÖBB und Asfinag, dem Siedlungswasserbau und der Altlastensanierung müssen in den nächsten Jahren Abstriche von knapp sechs Milliarden Euro hingenommen werden. Besteht nicht die Gefahr, dass sich der Staat zu früh aus der Verantwortung nimmt und der Konjunkturmotor Bau erneut ins Stottern gerät?
Josef Pröll: Wir haben die heimische Wirtschaft in Krisenzeiten kraftvoll unterstützt, etwa mit Konjunkturpaketen und der Steuerreform 2009. Diese Pakete laufen noch und enden nicht abrupt. Aufgrund der Krise sind jedoch die Staatsschulden massiv gestiegen. Wir dürfen nicht vergessen, Zinszahlungen und Schuldentilgung ist Geld für die Vergangenheit. Eines ist daher klar: Wir müssen jetzt den Weg aus der Schuldenfalle schaffen, um Investitionen in die Zukunft zu ermöglichen. Gerade im Infrastrukturbereich haben wir ganz bewusst genügend Mittel zur Verfügung gestellt. In den Jahren 2011 bis 2016 bleiben die Investitionen in die Schiene mit 11,5 Milliarden Euro auf außerordentlich hohem Niveau. Im Bauprogramm der Asfinag für das hochrangige Straßennetz werden bis 2016 6,5 Milliarden Euro investiert. In Summe werden also in den kommenden sechs Jahren 18 Milliarden Euro in Österreichs Verkehrsinfrastruktur investiert. Trotz spürbarer Einsparungen bleiben somit die Investitionen in Schienen- und Straßenbau auf Rekordhöhe. Auch für die Siedlungswasserwirtschaft stehen bis 2013 insgesamt 355 Millionen Euro zur Verfügung. Zusätzlich können bis Ende 2013 Förderungen im Rahmen der Wiederausnutzung zugesagt werden.
Report: Auf den Sparguthaben der Österreicher schlummern rund 400 Milliarden Euro. Gleichzeitig wird händeringend nach Finanzierungsmöglichkeiten für Bauvorhaben gesucht. Sollte man nicht versuchen, dieses Privatkapital mit fiskalischen Anreizen für die Wirtschaft zu mobilisieren?
Pröll: Regelmäßige Erhebungen der Nationalbank zeigen uns, dass die Kreditkanäle in Österreich wieder reibungslos funktionieren. In diesem Sinne stehen die Sparguthaben als abrufbare Investitionsmittel für den gesamten Wirtschaftsraum zur Verfügung. Eine übermäßige fiskalische Lenkung in diesem Bereich würde aber Angebot und Nachfrage aus dem Gleichgewicht bringen und einen ungerechtfertigten Eingriff der öffentlichen Hand in den Finanzmarkt darstellen. Mit dem staatlich geförderten Bausparmodell steht dagegen bereits eine in Österreich stark nachgefragte Anlage- und Darlehensform zur Verfügung. Allein im Vorjahr wurden mehr als eine Million Neuverträge abgeschlossen und über drei Milliarden Euro an Darlehen vergeben. Das Steuerrecht ist nicht immer der richtige Weg, Anreize zu setzen. Gerade im Bereich der Bauwirtschaft sind direkte Förderungen und Zuschüsse die bessere Alternative. Wir haben jedoch im Rahmen des Budgets 2011 die Kreditvertragsgebühr abgeschafft, was einen zusätzlichen Investitionsanreiz bewirkt.
Report: Die Bundesinnung Bau fordert eine Reduzierung der Mehrwertsteuer bzw. eine 67-stel-Abschreibung für Häuslbauer, die Einführung eines Bauhandwerkerbonus sowie die Förderung von Stadterneuerungsmodellen. Wie stehen Sie zu diesen Forderungen und wie realistisch ist eine Umsetzung?
Pröll: Österreich ist als Mitglied der Europäischen Union an die europäische Mehrwertsteuerrichtlinie gebunden. Eine Reduktion des Steuersatzes für Bauleistungen ist daher nicht möglich. Jedoch haben wir schon jetzt im Steuerrecht zahlreiche Möglichkeiten, um gewisse Bauleistungen geltend machen zu können. Beispielsweise können im Rahmen der Sonderausgaben bestimmte Kosten für Wohnraumschaffung und Wohnraumsanierung steuerlich geltend gemacht werden. Wir haben im Rahmen der Konjunkturpakete einen Bauhandwerkerbonus mehrfach geprüft. Aus steuerpolitischer Sicht ist ein solcher Bonus allerdings nicht umsetzbar. Hier sind unsere direkten Fördermodelle wie beispielsweise bei der thermischen Sanierung der bessere Weg. Hinsichtlich der Förderung von Stadterneuerungsmodellen möchte ich die Bauherrenmodelle in Erinnerung rufen, die in diesem Bereich zur Verfügung stehen und einige steuerliche Begünstigungen bieten. Ich bin für gute Vorschläge immer offen. Wenn es eine Möglichkeit für Anreize gibt, werden wir das prüfen.
Report: Die Sozialbudgets der Gemeinden sind mit 1,2 Milliarden Euro im Minus. Studien zeigen, dass sich eine seniorengerechte Adaptierung des Wohnraums aus Sicht der Gemeinden bereits nach ein bis zwei Jahren rechnet. In der Bauwirtschaft ist man der Überzeugung, dass ein ähnliches Modell wie der Sanierscheck privates Kapital mobilisieren könnte. Teilen Sie diese Einschätzung?
Pröll: Die Bevölkerungsalterung stellt uns neben der Frage der Generationengerechtigkeit auch in Bezug auf ein bedarfsgerechtes Wohnungsangebot vor Herausforderungen. Klar ist, wir müssen gerade in diesem Bereich nachhaltige Lösungen bieten, vor allem auch auf lokaler Ebene. Mit dem Finanzausgleich ist sichergestellt, dass Bund, Länder und Gemeinden ein entsprechendes Arbeitsbudget für die aktuelle Periode zur Verfügung haben. Damit ist auch eine gewisse Souveränität verbunden. Wir stellen gerade über den Wohnbauförderungsbeitrag viele Mittel zur Verfügung, die auch für soziales Wohnen eingesetzt werden. Außerdem sollen die Anreize bei Fördermaßnahmen richtig gesetzt werden und additiv zum privaten Kapital wirken. In diesem Bereich sehe ich etwas Gefahr, weshalb möglicherweise öffentlich-private Partnerschaftslösungen, bei einem adäquaten Design, die bessere Variante sind.
Report: 2009 hat der Sanierscheck ein Investitionsvolumen von 600 Millionen Euro ausgelöst. Zudem wurden 135 Millionen Euro an Steuergeld und 104 Millionen Euro an Sozialversicherungsabgaben in die Staatskassen gespült. 2011 wird die Förderaktion neu aufgelegt. War es im Nachhinein ein Fehler, die Förderaktion 2010 auszusetzen?
Pröll: Diese spezielle Förderaktion war eine wichtige Konjunkturmaßnahme, die auf ein Jahr befristet angesetzt wurde. Ich sehe die thermische Sanierung vor allem als wichtigen Schritt im Sinne des Klima- und Umweltschutzes. Ich freue mich, dass wir die Förderaktion trotz angespannter budgetärer Lage auch für 2011 wieder umsetzen konnten. Darüber hinaus wird eine thermische Sanierung ja schließlich auch von diversen Förderungen der Länder ergänzt.
Report: In Österreich werden pro Jahr fast acht Milliarden Euro alleine am Bau schwarz erwirtschaftet. Jetzt wurde die KIAB zwar personell aufgestockt, dafür sind die Beamten aber auch für andere Bereiche, etwa die Kontrolle des kleinen Glücksspiels, zuständig. Was sind die Hintergründe für diese Entscheidung?
Pröll: Gerechtigkeit beginnt mit Ehrlichkeit. Mein Ziel ist, jene in die Pflicht zu nehmen, die bisher vom System profitiert haben, ohne ihre ehrliche Steuerleistung zu erbringen. Im Rahmen des Betrugsbekämpfungspakets haben wir daher die Befugnisse unserer Betrugsbekämpfungseinheiten erweitert. Die Finanzpolizei wird künftig weit schlagkräftiger als bisher vorgehen können. Parallel dazu haben wir einen gezielten Personaltransfer von Bediensteten der Landesverteidigung, der Post und Telekom in die Finanzverwaltung gestartet. Dadurch können wir ungenützte Ressourcen aktivieren und eine deutliche Personalaufstockung in der Finanzpolizei durchführen. Die verstärkte Kontrolle des Glücksspiels durch die Finanzpolizei führt nach den bisherigen Erfahrungen zu Synergien, weil illegales Glücksspiel sehr häufig mit illegaler Arbeitnehmerbeschäftigung und Abgabenhinterziehung verbunden ist. Insgesamt erreichen wir durch die Neuausrichtung der Finanzpolizei und die personelle Ausstattung eine noch wirksamere Bekämpfung der Schattenwirtschaft.
Report: Mit gemischten Gefühlen blickt die Baubranche dem 1. Mai entgegen. Dann startet die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU. Viele Bauunternehmen fürchten ein brutales Preis- und Lohndumping. Wie stehen die Chancen für ein Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz inklusive Sanktionsmöglichkeiten gegen ausländische Firmen?
Pröll: Das Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping hat kürzlich den Ministerrat passiert. Die darin enthaltenen Maßnahmen werden künftig mehr fairen Wettbewerb gewährleisten. Unsere Ziele dabei waren vor allem Maßnahmen zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping, Sicherung gleicher Arbeitsmarkt- und Lohnbedingungen nach Auslaufen der Übergangsfristen sowie die Sicherstellung der vorgegebenen Abgaben und Sozialbeiträge. Die Organe der Abgabenbehörden kontrollieren dabei die grundsätzliche Einhaltung der österreichischen Lohnbedingungen von nach Österreich entsendeten oder überlassenen Arbeitnehmern. Die genaue Einstufung und eventuelle Anträge auf Strafverfahren wegen gravierender Unterentlohnung erfolgen durch das Kompetenzzentrum der Wiener Gebietskrankenkasse. Generell haben wir in der Zuwanderungsfrage mit der »Rot Weiß Rot«-Karte ein modernes und bedarfsorientiertes System umgesetzt. Der österreichische Arbeitsmarkt ist daher fit für die kommenden Herausforderungen und Bedürfnisse. Derzeit befindet sich dieser Gesetzesentwurf im Parlament und soll mit 1. Mai 2011 in Kraft treten.