Je komplexer ein System desto fehleranfälliger
- Written by Mag. Bernd Affenzeller
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Im Dreifach-Interview mit Report(+)PLUS sprechen die für Österreich zuständigen Vorstände der Strabag AG, Theodor Klais, Reinhard Kerschner und Manfred Rosenauer, über die Lage der heimischen Bauwirtschaft, mögliche Tücken beim Bestbieterprinzip und den eigenen Anspruch, Ertrag und Leistung weiter zu steigern.
(+) plus:Wie ist das Geschäftsjahr 2015 für die Strabag gelaufen?
Reinhard Kerschner: Aus Sicht von Strabag Österreich können wir eine positive Bilanz ziehen. Wir konnten in einem schwierigen Markt unsere Position halten und haben unsere Planziele im Wesentlichen erreicht.
Manfred Rosenauer: Wir haben unsere Hausaufgaben in Sachen Reorganisation, Kosten und Struktur gemacht. Das macht sich jetzt bezahlt.
(+) plus: Wie gesund ist die österreichische Bauwirtschaft aus Ihrer Sicht?
Theodor Klais: Wir bewegen uns in einem stagnierenden Markt. Leistungszuwächse gab es nur in den Ballungszentren. Das ändert sich jetzt vielleicht mit der angekündigten Wohnbauoffensive. Aber derzeit spüren wir noch die Zurückhaltung der öffentlichen Hand.
Kerschner: Vor allem im Straßenbau fehlen den Ländern die Mittel, um die Substanz zu erhalten. Da gibt es seit Jahren einen stetigen Rückgang im Volumen. Damit haben alle zu kämpfen.
Rosenauer: Diese Nichterhaltungstätigkeit bedeutet einen enormen volkswirtschaftlichen Schaden. Denn das führt zwangsläufig zu einer Wiederinstandsetzung, die erheblich teurer ist. Da ist es auch nicht hilfreich, dass durch die neue Recyclingverordnung viele Gelder aus dem Straßenbaubudget in die Abfallwirtschaft fließen werden.
Kerschner: Das Transportaufkommen in Österreich ist 2014 um 6,7 Prozent gestiegen. Noch im Jahr 2008 wurden 9,5 Millionen Tonnen Asphalt eingebaut, 2013 waren es nur noch 7,2 Millionen Tonnen. Dabei zeigt eine Untersuchung der GESTRATA (Gesellschaft zur Pflege der Straßenbautechnik mit Asphalt;Anm.d.Red.), dass man rund 10 Millionen Tonnen pro Jahr braucht, alleine um den Straßenzustand zu erhalten. Aus unserer Sicht kommt die Asfinag mit einem jährlichen Investitionsvolumen von 500 Millionen Euro dieser Erhaltungspflicht beim höherrangigen Straßennetz sehr nahe, säumig sind die Länder und Gemeinden. Dort fehlt einfach das Geld.
(+) plus: Asphalt ist ja nicht das einzige Material im Straßenbau. Wurde nicht in vielen Bereichen Asphalt durch Beton ersetzt?
Rosenauer: Leider nicht, zumindest nicht in dem Ausmaß, um das notwendige Gesamtvolumen zu erreichen.
(+) plus: Wie steht die Strabag zur Diskussion Beton- vs. Asphaltstraßen?
Kerschner: Die Strabag ist historisch betrachtet eher asphaltlastig. Wir sind aber heute mit unserer Kompetenz aus Deutschland auch bei Betonstraßen stark. Wir sehen diese Diskussion seit mittlerweile 30 Jahren. Da gibt es mit der Zement- und der Bitumenindustrie zwei Lobbyinggruppen, die jeweils gute Argumente haben. Wir stehen dieser Diskussion völlig neutral gegenüber.
Viel wichtiger als die Frage Beton oder Asphalt wäre die Einführung einer flächigen LKW-Maut und die Verwendung der Mineralölsteuer für die Straßenerhaltung. Das ist aktuell nicht gegeben, weil die Gelder anderweitig verwendet werden.
(+) plus: Wie geht es dem Hoch- und Ingenieurbau
Kerschner: Im Ingenieurbau ist durch die Infrastrukturmaßnahmen von Asfinag und ÖBB sicher ein Bauvolumen da. Und ich gehe davon aus, dass sich in Zukunft auch in Sachen Wasserkraft und alternativer Energiegewinnung etwas tun wird. Viele bereits geplante Projekte sind derzeit aber gestoppt, weil die aktuellen Strompreise zu niedrig sind. Da rechnen sich Investitionen einfach nicht. Aber die Projekte werden ganz sicher kommen. Und auch in die Sanierung bestehender Projekte wie etwas Flusskraftwerke wird Geld fließen müssen.
Im Hochbau kann man sagen, dass die Investitionsfreude im Industrie- und Gewerbebau schon größer war. Die einzige Konstante ist der Wohnbau. Der ist zwar in Sachen Margen nicht sehr berauschend, macht aber 50 Prozent des Hochbaumarktes aus. In diesem Zusammenhang ist natürlich auch die Wohnbauoffensive des Bundes zu begrüßen.
Klais: Vor allem Wien ist bei der Wohnbautätigkeit sowie bei sozialen und technischen Infrastrukturprojekten positiv hervorzuheben. Allerdings muss man aufpassen, nicht nur auf den Wohnbau zu fokussieren und den Gewerbe- und Industriebau zu vernachlässigen. Denn sonst haben die Menschen irgendwann zwar einen Platz zum Wohnen aber keinen Arbeitsplatz.
(+) plus: Kurz vor Weihnachten ist im Parlament noch einiges passiert. Die Wohnbauoffensive wurde endgültig beschlossen, ebenso die Novelle zum neuen Vergaberecht und ein neues Normengesetz. Mit welchen praktischen Auswirkungen rechnen sie?
Kerschner: Die Wohnbauoffensive ist wie gesagt absolut positiv. Der freie Zugriff auf die Normen ist ebenfalls eine wichtige und richtige Entscheidung. Und das Bestbieterprinzip ist dann zu begrüßen, wenn es so umgesetzt wird, dass es zu keiner subjektiven Bevorzugung einzelner Bieterkreise kommt. Die objektiven Vergabekriterien, die wir in der Vergangenheit hatten, dürfen nicht in Zweifel gezogen werden.
Rosenauer: Keep it simple. Das Vergabeverfahren muss einfach und transparent sein. Denn sonst finden wir uns in einem Einspruchsreigen wieder. Je komplexer ein System ist, desto fehleranfälliger ist es.
(+) plus: Fürchten Sie eine steigende Korruptionsanfälligkeit?
Rosenauer: In Österreich nicht. Aber aus meiner Erfahrung in Osteuropa weiß ich, dass es sich dort in einigen Ländern leider genau in diese Richtung entwickelt hat.
Kerschner: Ich habe die letzten Jahre in der Schweiz verbracht. Das Schweizer Vergabemodell wird ja oft als vorbildlich hingestellt, hat aber auch seine Nachteile. Das Modell ist ähnlich unserem Bestbieterprinzip, bei dem zusätzlich der billigste und der teuerste Anbieter ausgeschieden werden. Allerdings machen es die Schweizer ausländischen Konzernen sehr schwer. Da wird man schon stark benachteiligt.
Rosenauer: Das gibt es in vielen Ländern, dass man versucht, unliebsame Bieter vom Vergabeprozess auszuschließen.
Kerschner: Das muss man auch in Österreich aufpassen. Wenn ich höre, dass einige Bundesländer soziale Kriterien wie etwa eine Lehrlingsquote einführen wollen, gibt das schon zu denken. Denn ein Gewerbebetrieb mit 30 Mitarbeiter, der vier oder fünf Lehrlinge hat, hat eine Lehrlingsquote, die von einem Großunternehmen nie und nimmer zu erreichen ist.
Klais: Ein wesentlicher Schritt ist aber sicher die transparente Vergabe von Leistungen an Subunternehmen. Das befürworten wir auf jeden Fall. Denn es kann nicht sein, dass ein Unternehmen, das alle Leistungen im Sub vergibt, den Vorzug bekommt gegenüber kompetenten Bauunternehmen mit hoher eigenen Wertschöpfung.
(+) plus: Stichwort Normengesetz.
Klais: Ich denke, dass eine Vereinfachung und Reduktion absolut notwendig ist. Es kann nicht sein, dass das Lobbyingwesen, das wir auf europäischer Ebene zu Recht kritisieren, auf nationaler Ebene floriert und die Lobbyisten entscheiden, was wie gebaut wird.
(+) plus: Die Bauindustrie sieht sich seit Jahren einem enormen Preis- und Margendruck ausgesetzt. Wird sich daran aus Ihrer Sicht mittelfristig etwas ändern?
Kerschner: Ich glaube nicht. Es gibt mittlerweile einige gute, innovative mittelständische Unternehmen, die schlank aufgestellt und entsprechend schlagkräftig sind. Es ist unsere Aufgabe, eine Kostenstruktur zu schaffen, mit der wir unseren Anteil am Markt sichern können.
Rosenauer: Wir arbeiten jeden Tag daran, unsere Kosten und Strukturen zu optimieren. Unser Vorteil ist, dass wir wissen, wovon wir reden. Viele Mittelständler, die rasch wachsen, wissen das nicht und werden ihre organisatorischen Hoppalas erleben, die wir längst hinter uns haben.
(+) plus: Seit einigen Jahren geistert das Thema BIM, Building Information Modeling (integrierte 3D-Planung; Anm.d.Red.), durch die Bauwirtschaft. Im Vergleich zu anderen Ländern steckt das Thema in Österreich aber noch in den Kinderschuhen. Welche Rolle spielt BIM für die Strabag?
Kerschner: Wir haben mit der Zentralen Technik eine Einheit, die beim Thema BIM zu den Vorreitern zählt und die auf der Designseite extrem innovativ ist. Jetzt sind wir dabei, BIM/5D, wie das bei der Strabag heißt, bis Ende 2016 in den betrieblichen Alltag im Hochbau zu integrieren.
(+) plus: Wird BIM aktuell schon von Auftraggebern in Österreich eingefordert?
Rosenauer: Es gibt bei uns aktuell in Österreich kein Projekt, das auf BIM aufbaut. Dennoch führt an BIM kein Weg vorbei, zumal es in vielen anderen Ländern bereits zum Standard gehört. Jetzt liegt es an den Auftraggebern, gemeinsam mit den Planern die Hausaufgaben zu machen. Aber bis es so weit ist, wird noch viel Wasser die Donau runterfließen.
Klais: Wir sehen uns hier schon auch als Treiber der Entwicklung. Wir versuchen nicht nur reine Bauleistungen anzubieten, sondern als Partner der Investoren aufzutreten, von der Projektierung bis zum Betreiben. Wenn wir in die Entwicklunginvolviert sind, versuchen wir, das Projekt mit BIM abzuwickeln.
Vor allem unsere Bauträgeraktivitäten gehen in diese Richtung. Da gibt es aktuell zahlreiche Überlegungen, aus dem einfachen Grund, weil wir alles im Haus haben.
(+) plus: Was sind aus Ihrer Sicht die aktuell größten Herausforderungen für die Strabag?
Kerschner: Es geht immer stärker darum, die Kundenbedürfnisse zu kennen und zu erfüllen, und gleichzeitig den mittelständischen Unternehmen Paroli zu bieten.
Klais: Und es geht darum, unsere gesamte Wertschöpfungskette an den Markt zu bringen. Da können wir uns ganz stark am Markt positionieren, weil wir alles können – von der Projektentwicklung über den Bau und die Haustechnik bis hin zum Betreiben.
(+) plus: Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das Jahr 2016?
Klais: Mit großen Erwartungen. 2015 ist schon sehr gut gelaufen und 2016 wird noch besser werden. Der Auftragsstand in Österreich ist sehr gut.
(+) plus: Gibt es konkrete Wachstumsziele?
Rosenauer: Das große, allgemeine Wachstum wird es aufgrund der vorherrschenden Rahmenbedingungen nicht geben. Aber es gibt schon einzelne Nischen, wo wir Wachstumspotenzial sehen.
Kerschner: Wir haben aber den ganz klaren Anspruch, das führende Bauunternehmen in Österreich zu sein. Nicht durch Zukäufe, sondern aus eigener Kraft.