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Ulrike Lunacek über die Zukunft Europas

Ulrike Lunacek wünscht sich für Europa eine ökologisch-innovative Industriepolitik. Ulrike Lunacek wünscht sich für Europa eine ökologisch-innovative Industriepolitik.

Strukturreformen, Reindustrialisierung und eine Stärkung der Gesetzgebungskompetenzen auf europäischer Ebene: Das wünschen sich die heimischen Wirtschaftskapitäne laut einer aktuellen Studie (Report-Bericht) von der neuen EU-Regierung. Report(+)PLUS hat österreichische EU-Parlamentarier mit den zentralen Ergebnissen der pantarhei-Studie konfrontiert. Lesen Sie hier die Antworten von Ulrike Lunacek (Grüne).

 

Drei Viertel der Unternehmensführer wünschen sich als Wachstumsmotor Strukturreformen statt öffentlicher Investitionen. Wie könnte dies in der Praxis aussehen?
Ulrike Lunacek: 
Auf EU-Ebene ist hier vorrangig die Bankenstrukturreform zu nennen, von der jeder Wachstumsmotor abhängig ist. Der grüne Fokus ist dabei auf ein striktes Trennbankensystem gerichtet und ein deutliches Bekenntnis, dass elementare Finanzdienstleistungen rechtlich von anderen Sektoren wie Investment Banking getrennt werden müssen. Nur eine deutliche rechtliche Aufteilung verhindert, dass die spekulativen Geschäftsbereiche das essentielle Bankgeschäft in den Sog künftiger Krisen reißen.

Fast 60 % Prozent der Unternehmensführer wünschen sich in den nächsten Jahren einen starken Fokus auf die Reindustrialisierung der EU, nur 30 Prozent auf Dienstleistungen. Wie ist das zu erreichen?
Lunacek: Aus grüner Sicht braucht Europa eine ökologisch-innovative Industriepolitik mit einer ordnungspolitischen Marktorientierung, um Wettbewerbsfähigkeit zu fördern und eine ökologische Reindustrialisierung voranzubringen. Ohne massive Investitionen in Energie- und Rohstoffeffizienz gibt es keine Re­industrialisierung Europas und keine künftige Wettbewerbsfähigkeit, schon gar nicht im Süden.

Knapp drei Viertel wünschen sich »Wettbewerbsfähigkeit« als Leitmotiv für die nächste EU-Regierung, nur knapp 15 % »Soziale Sicherheit«. Entspricht das auch Ihren Wertvorstellungen und wie soll die Umsetzung aussehen?
Lunacek: Wettbewerbsfähigkeit und soziale Sicherheit sind keine Gegensätze. Die ökonomische und politische Krise der EU kann nur durch den Aufbruch in eine echte Wirtschafts- und Sozialunion überwunden werden. Dazu müssen auch die sozialen Ziele der EU 2020-Strategie mit Vehemenz angegangen werden. Das europäische Wohlfahrtssystem gehört gemeinsam gesichert und die Krise darf nicht auf die Schwächsten der Gesellschaft abgewälzt werden.

61 % wünschen sich in der Steuerpolitik mehr Gesetzgebungskompetenz bei der EU. Welche Schritte soll das Parlament hier setzen?
Lunacek: Steuervermeidung und -dumping kostet die europäischen öffentlichen Haushalte jährlich rund eine Billion Euro. Bereits angestoßene Reformen zur Schließung von Schlupflöchern müssen deshalb zügig abgeschlossen werden. Außerdem müssen konkrete Maßnahmen gegen Steuerbetrug und Steuerflucht bei finanzmarktbezogenen EU-Rechtsakten eingefügt werden. Wir fordern mehr automatischen Informationsaustausch und Regeln zur Verhinderung von Doppel-Nicht-Besteuerung.

56,5 % sehen die EU hinsichtlich ihrer Gesetzgebungskompetenz (EU-Rettungsschirm, Finanzmarktregulierung ...) für den globalen Standortwettbewerb nicht gerüstet. Wo soll das Parlament den Hebel ansetzen?
Lunacek: Das Europaparlament konnte zwar nach dem Vertrag von Lissabon in der Gesetzgebungskompetenz mit dem Rat gleichziehen, jedoch bleibt das Ordentliche Gesetzgebungsverfahren vielschichtig und komplex. Die nationalen Regierungen agieren auf Basis nationaler Egoismen. Als Entscheidungsträger für das gemeinsame Europa sind sie zu langsam und zu zögerlich. Der Rat muss zu einer zweiten Kammer werden, die europäische Gesetze nur mehr auf Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip prüft. Ein neuer Konvent mit starker Beteiligung der Zivilgesellschaft muss über derartige Weichenstellungen und die Zukunft der europäischen Integration bestimmen.

 

 

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