Menu
A+ A A-

Rätselhafte Branche

\"NebenHeiße Diskussionen in der Fertighausbranche.

Zwei Studien mit völlig unterschiedlichen Ergebnissen sorgen für Gesprächsstoff. Fest steht, dass die Stückzahlen rückläufig, die Umsätze aber weitgehend stabil sind. Wie viele Einheiten gebaut werden und wie viel weniger das im Vergleich zum Vorjahr ist, darüber herrscht Rätselraten.

 

Die Krise in der Fertighaus-Industrie dauert an«, sagt Andreas Kreutzer, Geschäftsführer von Kreutzer Fischer & Partner, und sorgt damit für Aufregung in der Fertighausbranche. Laut seiner Studie »Fertighäuser in Österreich 2011« sinkt die Nachfrage das zweite Jahr in Folge »substanziell um fast sechs Prozent«. Verantwortlich dafür seien nicht die generell rückläufigen Baubeginne, sondern »eine dramatisch sinkende Fertighausquote«.

Fast zeitgleich präsentierte auch das Marktforschungsunternehmen Interconnection Consulting eine Analyse des Fertighausmarktes, kam dabei aber zu völlig anderen Ergebnissen. Zwar sieht auch Interconnection-Chef Frederik Lehner eine sinkende Nachfrage, allerdings in einem deutlich geringeren Ausmaß von lediglich 2,65 Prozent, dafür steigt bei Lehner die Fertighausquote gegenüber 2009 sogar leicht an. Und ist mit 30,8 Prozent auch auf einem deutlich höheren Niveau als bei Kreutzer, bei dem nicht einmal jedes Vierte in Österreich errichtete Ein- und Zweifamilienhaus ein Fertighaus ist. Noch weiter auseinander geht die Schere bei der Anzahl der 2010 errichteten Fertighäuser. 3.780 Einheiten bei Kreutzer stehen immerhin 5.616 Einheiten bei Lehner gegenüber.

Frederik Lehner hat für seine Analyse laut eigenen Angaben 40 Hersteller befragt, Andreas Kreutzer die 25 größten Branchenvertreter. Dass die geringere Anzahl an Herstellern der Grund für den eklatanten Unterschied bei den Stückzahlen sein könnte, glaubt Kreutzer nicht. »Die Nummer 15 am Markt produziert gerade noch 40 Häuser pro Jahr, danach flacht die Kurve merklich ab.« Damit ließe sich die Diskrepanz nicht erklären. Thomas Lenzinger, CEO von Griffner Haus, gibt allerdings zu bedenken, dass »die Kurve zwar extrem abflacht, dann aber noch lange weiter geht«. Es gäbe so viele lokale Anbieter, kleine Zimmereien, die auch Fertighäuser machen, aber in diesen Erhebungen nicht erfasst würden. Unabhängig davon, wie viel Fertighäuser 2010 tatsächlich verkauft wurden, herrscht zumindest darüber Einigkeit, dass die Umsätze deutlich weniger leiden als die Stückzahlen. »Es werden immer mehr schlüsselfertige, qualitativ hochwertigere Fertighäuser geordert«, bestätigt auch Friedrich Schachner, Geschäftsleiter Schachner Haus GmbH. Auch der Trend zu Niedrigenergie- und Passivhäusern fördert die Umsatzentwicklung der Hersteller. Bei Branchenprimus ELK entscheiden sich schon jetzt 20 Prozent aller Kunden für ein Passivhaus. »Dabei bieten wir das Passivhaus erst seit April 2010 an«, berichtet ELK-CEO Erich Weichselbaum.

Damit in Zukunft die Umsatzkurve wieder deutlicher nach oben zeigt, wollen viele Hersteller auch im Bauträgergeschäft mitmischen. Die Vorteile, die der Fertigbau im Einfamilienhaussegment bietet, sollen noch mehr als bisher auch Großprojekten zugute kommen. Schließlich hat die Branche längst bewiesen, dass auch Schulen, Kindergärten, Bürogebäude und mehrgeschoßige Wohnbauten problemlos zu realisieren sind. »Viele Großaufträge werden nur deshalb in konventioneller Bauweise ausgeführt, weil die Planerinnen und Planer nicht genau wissen, an wen sie sich in der Fertigbaubranche wenden sollen und ob dort überhaupt das Wissen und die Kapazitäten für eine Auftragsabwicklung vorhanden sind«, analysiert Roland Suter, Vizepräsident des österreichischen Fertighausverbandes und Hartl-Haus-Eigentümer, die aktuelle Situation. Will der Fertigbau in ein neues Segment vordringen, brauche es Generalunternehmer und zum Teil auch Unternehmen, die als Bauträger auftreten. Allerdings sind die Strukturen vieler Fertighausfirmen gar nicht auf Großprojekte ausgerichtet. Deshalb empfiehlt Suter die Gründung einer ARGE, zu der sich mehrere Unternehmen zusammenschließen, um die Risiken zu minimieren.

 

>> Kreutzers Kritik:

In seiner Branchenanalyse übt Andreas Kreutzer heftige Kritik an der strategischen Ausrichtung vieler Fertighaushersteller – und stößt dabei auch in der Branche auf offene Ohren. Dem Vorwurf, dass die Fertighaus-Industrie am Markt vorbeiproduziere, können auch namhafte Branchenvertreter etwas abgewinnen. Das verstärkt praktizierte Konzept des individuellen Fertigbaus würde eher dem Mitbewerb aus den traditionellen Bauweisen in die Hände spielen. Den strategischen Vorteil der industriellen Vorfertigung und den damit verbundenen Preisvorteil habe man so leichtfertig aus der Hand gegeben.

 

Die Studienergebnisse im Überblick:

> Kreutzer Fischer & Partner:

2009     2010       Differenz

Stückzahlen                      4.015   3.780     -5,85%

Fertighausquote (in%)     26,2    24,3        -1,9%

> IC COnsulting:

2009     2010       Differenz

Stückzahlen                      5.769   5.615      -2,65

Fertighausquote (in%)     30,2    30,8        +0,6%

 

back to top