In neuem Glanz
- Written by Mag. Bernd Affenzeller
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In enger Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt wird in Österreich historisch wertvolle Bausubstanz saniert.
Das Rathaus ist eines der schönsten und wichtigsten Wahrzeichen der Stadt Wien. Errichtet in den Jahren 1872 bis 1883, zählt es zu den herausragendsten Profanbauten der Neugotik. Die Architektur folgt dem gotischen Stil flämischer Rathäuser und soll die mittelalterliche Tradition städtischer Freiheit symbolisieren. Dass das Rathaus heute an so prominenter Stelle zwischen Parlament und Universität gegenüber dem Burgtheater steht, ist nur der Intervention des damaligen Bürgermeisters Cajetan Felder zu verdanken. Denn ursprünglich hätte das Rathaus in der Nähe des Stadtparks errichtet werden sollen. Erst in hartnäckigen Verhandlungen ist es Felder gelungen, Kaiser Franz Joseph das Areal, das als Paradeplatz diente, abspenstig zu machen.
Heute ist das Rathaus in die Jahre gekommen, vor allem die Fassade hat unter Wind und Wetter gelitten. Deshalb wird jetzt generalsaniert. Dafür sind laut Wohnbaustadtrat Michael Ludwig »umfangreiche, fundierte naturwissenschaftliche Untersuchungen nötig«. Bereits im letzten Jahr wurde deshalb eine repräsentative Musterfläche an der Ecke Lichtenfelsgasse/Friedrich Schmidt Platz saniert. Die Erkenntnisse aus dieser Mustersanierung und aus parallel dazu durchgeführten weiterführenden Untersuchungen an der Hauptfassade lieferten eine wesentliche Planungsgrundlage für die Generalsanierung. »Denn nur in detaillierter Kenntnis aller Schadensbilder und -phänomene kann ein maßgeschneidertes Konzept für eine gesamtheitliche Restaurierung gewährleistet werden«, erklärt Friedrich Dahm vom Bundesdenkmalamt.
Die zahlreichen Architekturelemente, die Figuren und die verschiedenen Gesteinsarten stellen eine enorme Herausforderung dar. Großer Wert wird auch auf ökologische Aspekte gelegt. Auf Chemie soll weitgehend verzichtet, bauchemische Substanzen nur im unbedingt notwendigen Maß verwendet werden. Die Sanierung wird in einzelnen Etappen von rund 3.000 m² in Angriff genommen, das kann laut Ludwig bis zu 15 Jahre in Anspruch nehmen. Jetzt wird einmal in enger Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt bis September ein genauer Fahrplan für die Sanierung erstellt werden. Dann wird die Stadt auch wissen, wie weit sie das Börsel öffnen muss. Derzeit sind die Kosten laut Ludwig noch nicht abschätzbar. Aber schon alleine die Sanierung der rund 750 m² großen Musterfläche schlug mit fast 500.000 Euro zu Buche.
Für die Arbeiten sollen nur ausgewiesene Spezialisten eingesetzt werden, die einen behutsamen und fachgerechten Umgang mit dem Material gewährleisten. Die mit der Sanierung betraute MA 34 wird keinen Generalunternehmervertrag ausschreiben. Die einzelnen Baulose werden gewerksweise ausgeschrieben und zur Vergabe gebracht werden. Bei einem Projekt dieser Größe müssen 80 Prozent der Einzelaufträge EU-weit ausgeschrieben werden. Der Rest kann regional ausgeschrieben werden. »Das werden wir im Sinne der Wiener Wirtschaft auch nutzen«, stellt Wohnbaustadtrat Ludwig klar.
>Zeitplan<
- Bis Juli 2011: Weitere Musterflächen werden angelegt und ergänzende naturwissenschaftliche Untersuchungen an der Fassadefront Rathausplatz durchgeführt. Außerdem soll eine erste (Muster-)Steinfigur zur Gänze restauriert werden.
- Mai 2011 bis Juli 2011: Weitere Prüfungen und Analysen hinsichtlich des Wasseraufnahme- und Trocknungsverhaltens werden durchgeführt, um eine objektive Beurteilung der restauratorischen Maßnahmen bzw. Restauriererfolge zu ermöglichen.
- Juli 2011 und August 2011: Endgültige Abstimmung der restauratorischen und konservatorischen Konzepte.
- September 2011: Vorlage eines Gesamtkonzepts, das alle restauratorischen und konservatorischen Maßnahmen auflistet, samt einer Gesamtkostenschätzung mit Bauablauf und Finanzierungsplan.
>Zahlen & Fakten<
- Grundstücksfläche: 19.592 m²
- Verbaute Fläche: 14.067 m²
- Rathauskomplex: 152m x 127m
- Höhe Hauptturm: 98 m
- Mit Rathausmann: 103,3 m
- Figuren: 74
- Fassadenfläche: 40.000 m²
>> Im O-Ton: Konsens schaffen
Ganz ähnlich wie beim Wiener Rathaus muss auch bei der Sanierung historischer Gebäude im Eigentum der BIG immer ein Konsens zwischen der kulturellen Verpflichtung, schützenswerte Bausubstanz zu erhalten, und dem gesetzlichen Auftrag des Unternehmens, marktwirtschaftlich zu agieren, gefunden werden. Daraus resultiert die Herausforderung für Architekten und Bauherren, kreative Lösungen innerhalb des budgetierten Rahmens zu finden. Insgesamt hält die BIG rund 300 denkmalgeschützte Gebäude, darunter bekannte Objekte wie das Palais Epstein in Wien. Gerade bei dieser anspruchsvollen Sanierung war es notwendig, Alt und Neu perfekt zu integrieren, denn einfache Nachbildungen der Formensprache vergangener Zeiten sind sofort als reine Anbiederung erkennbar. Für eine Symbiose aus Neuem und wertvollem Altbestand sind eine enge, konstruktive Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz, akribische Detailarbeit sowie Verständnis und Respekt für die Geschichte eines Bauwerkes unabdingbar.