»Wir wollen weiter wachsen«
- Written by Martin Szelgrad
- font size decrease font size increase font size
Kari Kapsch im Interview.
Der Eigentümer und Vorstand der Kapsch-Gruppe und CEO des Netzlieferanten Kapsch CarrierCom spricht über die aktuelle Wirtschaftslage, das weltweite Geschäft der Österreicher und den Fachkräftemangel in Europa.
(+) plus: Wie ist das Jahr 2010 für Kapsch verlaufen? Wie sieht die Lage derzeit für die einzelnen Sparten aus?
Kari Kapsch: Grundsätzlich ist das Geschäftsjahr für die gesamte Gruppe extrem erfolgreich verlaufen. Unser Geschäftsjahr endet im März, die endgültigen Geschäftszahlen werden im Juni bekanntgegeben. Wir bewegen uns, und das kann ich bereits sagen, im Vergleich zu anderen Industrieunternehmen gegen den Strom. Die Kapsch-Gruppe hat die gesamte Wirtschaftskrise in den letzten eineinhalb bis zwei Jahren nur wenig gespürt und stets konstante und sogar leicht steigende Zahlen aufweisen können.
Drei Unternehmen decken unsere Geschäftsbereiche ab. Kapsch BusinessCom mit Voice-, Netzwerk- und IT-Lösungen für Klein-, Mittel- und Großbetriebe befindet sich wieder auf einem guten Wachstumskurs. Dort standen viele Kunden, die selbst von der konjunkturellen Entwicklung betroffen waren, in den vergangenen Monaten auf der Investitionsbremse. Durch die Notwendigkeit aber, Netzwerke und IT auf dem neuesten Stand halten zu müssen, entsteht spätestens nach ein bis zwei Jahren ein gewisser Investitionsdruck. Aus diesem Grund kann nun die BusinessCom für 2010 wieder schöne Wachstumszahlen vorweisen.
Auch bei der TrafficCom, die weltweit mit Mautsystemen erfolgreich tätig ist, sehen wir eine sehr positive Entwicklung. Es wurden viele interessante Projekte gewonnen und in den USA unser Hauptkonkurrent, der Toll-Collect-Spezialist MARK IV, übernommen. Und drittens läuft auch das Wachstum bei der Netzausrüstersparte CarrierCom extrem gut. Durch Akquisitionen konnten wird uns dort de facto um den Faktor 2,5 vervielfachen. Der bislang größte Wachstumssprung war der Kauf von Teilen des Mobilfunk- und Bahnfunkgeschäfts Nortels im März 2010.
(+) plus: Wie ist es Kapsch CarrierCom in diesem ersten Jahr ergangen? Was waren die großen Hürden?
Kapsch: Durch den Asset-Deal mit Nortel haben wir in Ländern wie Frankreich, Spanien, Deutschland, Irland, England, Taiwan, in einigen osteuropäischen Staaten und Russland insgesamt mehr als 330 Mitarbeiter und viele Kundenverträge übernommen. Was aber nicht übernommen wurde, war ein einheitliches, funktionierendes Unternehmen. Dies war wohl die größte Herausforderung, hat es aber auch spannend gemacht. Kapsch CarrierCom hat von einem eher österreichisch agierenden Unternehmen einen kompletten Wandel zu einer internationalen Matrixorganisation vollzogen. Dieser neue, sehr vernetzte Arbeitsstil beginnt weit im Westen und geht sehr weit in den Osten bis nach Taiwan. Und ich glaube, dass uns das extrem gut gelungen ist. Selbst unsere französische Tochtergesellschaft mit 160 Mitarbeitern ist mittlerweile stolz, bei uns sein zu können. Und das heißt etwas, wenn sich Franzosen mit ihrem Nationalstolz sehr positiv mit Österreichern auseinandersetzen.
(+) plus: Wurde Personal abgebaut? Sind Ihnen Kunden abgesprungen?
Kapsch: Im Gegenteil – die Kunden haben sehr schnell Vertrauen in uns gefasst und
dies mit vielen neuen Aufträgen bestätigt, beispielsweise bei der spanischen, englischen und bei der deutschen Bahn. Dies beinhaltet auch neue Projekte im GSM-Netzbetreibergeschäft bis hin zu Chunghwa Telecom in Taiwan oder Bouygues Telecom und Orange in Frankreich. Eine sehr positive Aussage wurde von einer User Group bei der Messe InnoTrans in Berlin gemacht: Sie sind froh, endlichen einen Lieferanten zu haben, der etwas vom Bahngeschäft versteht.
Zu Ihrer Frage nach dem Personalstand: Grundsätzlich hatten wir in diesem Asset-Deal die Verpflichtung, in den ersten zwölf Monaten die Beschäftigtenzahl nicht zu verringern. Die Realität ist, dass wir sogar massiv Leute aufgenommen haben. Der Grund dafür liegt in dem wesentlich stärkeren Geschäftswachstum, als ursprünglich erwartet worden war. Darüber hinaus hat Kapsch CarrierCom Produktions- und Entwicklungsleistungen sowie die Abwicklung von Kundenprojekten wieder ins eigene Haus geholt. Dies alles waren Bereiche, die bei Nortel aus Bilanzierungsgründen oft an Dritte ausgelagert wurden. Dieses Pro-Kopf-Rechnungen von Kosten und Umsätzen müssen wir bei Kapsch nicht anstellen. Dadurch dürfen wir kaufmännisch sinnvoll agieren und agieren nicht wie andere Unternehmen an unseren Geschäftsinteressen vorbei.
(+) plus: Welche Ziele haben Sie sich für Kapsch CarrierCom gesteckt?
Kapsch: Wir befinden uns gerade in einer strategischen Neudefinierung des Unternehmens. Dies ist ein Prozess, der in den nächsten Wochen abgeschlossen sein wird. Ich möchte zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf Details eingehen. Wir wollen aber auf jeden Fall in den beiden Kundenbereichen Netzbetreiber und Bahngeschäft zunehmend auf eigene Technologien setzen und so unsere Aktivitäten dort langfristig stärken. Kapsch kann Netzbetreiber, die über den Nortel-Deal als Neukunden hinzugekommen sind, nun mit einem breiten Lösungsportfolio adressieren.
(+) plus: Wird es 2011 weitere Akquisitionen geben?
Kapsch: Wir werden uns in der gesamten Unternehmensgruppe mit interessanten Übernahmekandidaten beschäftigen, da wir weiter wachsen wollen. Konkret ist derzeit aber nichts in der Pipeline.
(+) plus: Sehen Sie der konjunkturellen Wirtschaftsentwicklung in den kommenden Monaten positiv entgegen?
Kapsch: Da müsste man schon Hellseher sein. Ich hätte vor eineinhalb Monaten diese Frage mit einem eindeutigen Ja beantwortet. Da hatten wir aber noch nicht die Situation, dass in Nordafrika ein Flächenbrand entstanden ist. Die Auswirkungen auf die Geschehnisse in der Region von Tunesien bis Ägypten traue ich mir in keiner Weise einzuschätzen. Wenn sich die politische Lage in Nordafrika und im Mittlerem Osten nicht beruhigt, mach dies eine Prognose aus unserer Sicht ziemlich schwer.
(+) plus: Wie ist die Situation am Arbeitsmarkt? Bekommen Sie die Fachkräfte in Österreich, die Sie benötigen?
Kapsch: Wir suchen derzeit vor allem erfahrene Softwareentwickler und Fachkräfte mit Projektmanagement-Erfahrung – finden aber nicht genügend Angebot am Personalmarkt vor. Kapsch hat sich in den letzten zehn Jahren dramatisch in den Geschäftsbereichen und der Unternehmensgröße verändert. Mittlerweile werden drei Viertel des Umsatzes im Ausland generiert. Da benötigen wir Leute, die vor Ort in den rund 80 Standorten außerhalb Österreichs weltweit tätig sind, aber auch Mitarbeiter, die projektbezogen flexibel in diesen Ländern arbeiten. Diese Suche betrifft aber nicht nur technische Fragen, sondern auch den fähigen Umgang mit Menschen und Lieferanten in anderen Kulturen. Solche Leute sind auch in Österreich extrem schwer zu finden. Dazu kommt, dass der Österreicher seine Heimat ja nicht gerne verlässt. Dieser Fachkräftemangel verläuft aber eigentlich quer durch Europa. Wir kämpfen in Deutschland oder Frankreich mit denselben Phänomenen.
(+) plus: Können Sie einen Grund für diesen Fachkräftemangel nennen?
Kapsch: Ich denke, dass in den vergangenen Jahren vor allem die kaufmännischen Berufe zulasten anderer Ausbildungsrichtungen stark gefördert worden sind. Mittelschul- und HTL- Absolventen wurde geraten, aus Karrieregründen eher in kaufmännische Berufe zu gehen. Dadurch haben die technischen Berufe schlicht und einfach an Image verloren. Heute sind die Wirtschaftsuniversitäten und der Arbeitsmarkt in diesem Bereich völlig überlaufen. Selbst für Sekretärsstellen könnten wir aufgrund des Angebots jederzeit WU-Absolventen aufnehmen. Im Technikbereich dagegen benötigen wir oft sechs bis zwölf Monate, um gute Leute an Bord zu bekommen. Dort ist der Arbeitsmarkt einfach leer gesaugt.
>> Weltmarktführer aus Wien:
Kari Kapsch – im erfolgreichen Zweiergespann mit Bruder Georg bei dem gleichnamigen Traditionsunternehmen — hat im Frühjahr 2010 als CEO das Ruder bei der Tochter CarrierCom übernommen. Im Team mit COO Thomas Schöpf, CTO Michael Kleinhagauer und CFO Ingolf Planer wurde mit der Übernahme von Teilen des Mobilfunkgeschäfts Nortels eine Weltmarktführerschaft begründet. Das Unternehmen katapultierte sich zum globalen Marktführer im Bereich GSM-R, dem Standard für Zugfunk. Kari Kapsch wird dadurch den Umsatz der gesamten Gruppe im Geschäftsjahr 2010/2011 erheblich steigern können. Im Netzbetreibergeschäft rund um GSM-Services werkte die CarrierCom über Jahre erfolgreich an der Seite des größten Kunden mobilkom in Zentral- und Südosteuropa. Nach der Nortel-Akquisition ist die Telekom zwar immer noch Kunde Nummer eins, dahinter reihen sich aber bereits zahlreiche große wie kleine Provider von Andorra bis nach Taiwan.
Info: www.kapschcarrier.com