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Quantensprung

Mit der mehrheitlichen Übernahme von PC-WARE macht die Raiffeisen Informatik Gruppe einen Quantensprung. Umsatz und Mitarbeiterzahl werden mehr als verdoppelt und Vertriebskanäle in 25 Ländern aufgebaut. Was hinter dem Deal steht, erklärt Geschäftsführer Wilfried Pruschak im Interview.

(+) plus: 2008 war ein turbulentes Jahr, in vielen Bereichen ist kein Stein auf dem anderen geblieben – auch im IT-Bereich?
Wilfried Pruschak: Die nächste Zeit wird geprägt sein von einer Konsolidierung, vor allem weil die Finanzierungsseite für viele ein Thema ist. Wir sind in einer finanzierungsintensiven Branche, in der Projekte lang dauern und man lang in Vorleistung geht und daher einen entsprechend langen Atem haben muss. Hier wird es eine Götterdämmerung geben. Wir sind kapitalmäßig gut aufgestellt, deshalb werden wir auf der Gewinnerseite sein. Interessant dabei ist, dass die Ursache der Krise die Globalisierung ist, die Krise aber zu einer noch stärkeren Globalisierung führen wird, wo an wenigen Punkten von einigen wenigen Unternehmen die IT-Produkte für diese Welt erzeugt werden. Das ist beobachtbar, gleichzeitig aber – als Gegenbewegung – erleben die regionalen Dienstleistungen, die Systemintegration und der regionale Handel eine Renaissance.

(+) plus: Wie sehen Sie den IT-Standort Europa?
Pruschak: Europa hat den Kampf um die Herstellung von IT-Produkten gegen die USA, aber auch gegen Indien verloren. Aber wir sehen unsere Chance darin, uns als IT-Dienstleister für Europa aufzustellen und Produkte, die irgendwo auf dieser Welt erzeugt werden, um die Dienstleistung veredelt anzubieten.

(+) plus:
Raiffeisen Informatik hat durch die Übernahme von PC-WARE einen wesentlichen Schritt in Richtung Internationalisierung gemacht und 72 Prozent der Anteile erworben.
Pruschak: Die Überlegung bei dieser Akquisition war, uns international zu verbreitern. Das haben wir zwar schon in den vergangenen Jahren getan, allerdings dauert eine schrittweise Erweiterung einfach zu lang. Mit PC-WARE erwerben wir ein Unternehmen, das in 25 Ländern präsent ist. Wir haben Aktienpakete bei PC-WARE erworben, gleichzeitig wurde eine Kapitalerhöhung durchgeführt, bei der wir den Großteil gezeichnet haben. Das freiwillige Übernahmeangebot ist ergangen und mit deutlicher Mehrheit angenommen
worden.

(+) plus: Das Übernahmeangebot hat sich durch die Ereignisse an den Weltbörsen nicht reduziert?
Pruschak: Nein, wir haben einen fairen Wert vorgeschlagen. Er errechnet sich aus dem inneren Wert des Unternehmens und berücksichtigt natürlich die Marktsituation. Entsprechend wohlwollend ist unser Vorschlag auch aufgenommen worden. Wir haben einen für die Altaktionäre und für uns vernünftigen Mittelweg gefunden. Das Unternehmen ist 2000 mit 19 Euro je Aktie an die Börse gegangen. Unser Angebot liegt bei 16,5 Euro. Wir sehen das Potenzial im Unternehmen.

(+) plus: Es ist ein mutiger Schritt, gerade in einem von Verwerfungen geprägten Umfeld. Warum jetzt?
Pruschak: Weil der Schritt vernünftig ist, weil wir ihn uns ganz genau überlegt haben und weil wir daran glauben. Der Schritt eröffnet uns völlig neue Möglichkeiten und wir setzen unsere Strategie gerade auch in schwierigen Zeiten konsequent um. Jetzt werden die Weichen für die Zeit danach gestellt.

(+) plus: Wie erfolgt die Finanzierung der Übernahme?

Pruschak: Wir haben die volle Rückendeckung durch die Eigentümer und wurden mit entsprechendem Eigenkapital ausgestattet. Wir kaufen PC-WARE ja nicht nur, wir finanzieren durch die Kapitalerhöhung auch die weitere Expansion. So eine Phase wie jetzt, wo die Konjunktur in Sturzflug geht, zwingt Unternehmen zu rationalisieren. Das bedeutet im Regelfall organisatorische Veränderungen, die durch Investitionen in die IT-Ausstattung erst ermöglicht werden. Die erste Outsourcing-Welle wurde durch die schwierige Situation im Jahr 2000 und 2001 ausgelöst. Outsourcing verhält sich antizyklisch zur Konjunktur. Wir sind Outsourcing-Marktführer in Österreich. Mit PC-WARE eröffnen wir uns einen Vertriebskanal in 25 weitere Länder.

(+) plus: Die Übernahme erfordert auch den Aufbau von Managementkapazitäten. Welche Veränderungen planen Sie?
Pruschak:
Wir haben nicht vor, Schritte in Richtung Integration zu setzen. PC-WARE wird unabhängig agieren, vom bisherigen Management geführt werden. Natürlich werden wir Synergien heben. PC-WARE ist einer der weltgrößten Player im Softwarelizenzgeschäft. PC-WARE hat viele Großkonzerne als Kunden, die auch weltweit begleitet werden. Im Gefolge der Lizenzen kommen dann die Dienstleistungen und der Betrieb dieser Software.

(+) plus:
Wobei sich das Lizenzgeschäft ja auch dramatisch verändert und die Angebote immer differenzierter werden.
Pruschak: Wir glauben stark an das Thema Software als Service. Die ersten Schritte, vor vier, fünf Jahren, waren zwar richtig , sind aber durch die Lizenzpolitik verhindert worden. Heute lassen sich die großen Softwarehersteller auch andere Preismodelle einfallen. Vieles deutet darauf hin, dass man in Zukunft Software nicht mehr klassisch lizensiert, kauft und in seiner Firmen­umgebung zum Einsatz bringt. Software zu konsumieren, so wie man sie braucht, ist der Trend. Dabei kümmert sich der Kunde nicht darum, wo der Server steht, wer die Daten sichert, wer die Patches einspielt und die Security sicherstellt. Der Kunde sagt zum Beispiel: Ich brauche ein Buchhaltungsprogramm fünf Stunden in der Woche und die miete ich mir. Genau für dieses Konzept sind wir wunderbar positioniert, weil wir in unserem angestammten Bereich, dem Bankensektor, es immer so gemacht haben. Wir haben ein geschäftspolitisch adäquates Stückpreismodell gemacht, indem wir etwa pro Buchung oder pro Transaktion verrechnet haben.
Genau in diese Richtung geht die Entwicklung auch außerhalb des Finanzsektors. So ein Modell trifft den Auslastungsgrad und den Verursacher viel genauer, denn warum sollten der, der die Software rund um die Uhr, und der, der sie zehn Minuten am Tag nutzt, gleich viel Lizenzgebühr zahlen? »IT aus der Steckdose«, mit den Verrechnungsmodellen und der entsprechenden Abbildung im System, ist ein Konzept der Zukunft, weil sich der Anwender in Wirklichkeit nicht mit der Komplexität der Systeme auseinandersetzen will. Es geht vielmehr darum, die Komplexität he­rauszubringen. Wir sind hier als IT-Versorger gut aufgestellt.

Fakten zum Deal

Wilfried Pruschak
(47) ist seit 1996 Geschäftsführer der Raif­feisen Informatik GmbH, Geschäftsführer der Raiffeisen Informatik Consulting und allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für die Fachgruppen digitale elektronische Rechenanlagen, Programmierung digitaler Systeme und elektronische Datenverarbeitung. Pruschak ist Beiratsvorsitzender der EBPP (Elec­tronic Bill Presentment & Payment). Er studierte Betriebs- und Wirtschaftsinformatik, startete seine Laufbahn als Verkaufsleiter bei Philips Data Systems und wurde dann zum Geschäftsführer der Gemdat NÖ bestellt.

Raiffeisen Informatik GmbH:
Umsatz 2008: 470 Mio. Euro, MitarbeiterInnen: 1.400, Eigentümer: Zu je 47,75 Prozent sind Raiffeisen Zentralbank Österreich AG und Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien beteiligt.

PC-WARE:
Geschäftsfeld: Softwarelizensierung und - beratung, Software & IT Asset Management. Niederlassungen in 25 Ländern in Europa, Asien und Afrika. Mitarbeiter: 1.600. Im ersten Halbjahr 2008 (Geschäftsjahr beginnt im April) erzielt das Unternehmen einen Umsatz von 396 Mio. Euro. Das EBITDA lag bei 4,6 Mio. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern lag bei zwei Millionen Euro.

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